Normalisierung von Armut?

Bürgergeld und Co.
Editorial

Zu diesem Heft

Eines der großen Versprechen des fordistischen Wohlfahrtstaates lag in der Absicherung gegen allgemeine Notlagen und Risiken der Lohnarbeiter:innenexistenz sowie eines, wenngleich vielleicht (oder besser: meist) nur „bescheidenen“, Wohlstandes auch für diejenigen, die gezwungen waren ihre Existenz qua Lohnarbeit zu reproduzieren. Trotz Beibehaltung der Grundregeln bürgerlich-kapitalistischer Ökonomie und Vergesellschaftung lautete die Formel: „Leistung gegen Teilhabe“ (vgl. Vester 2011). Der Fortbestand von Armut passte nicht zu diesem gesellschaftlichen Kompromiss, der in allen „entwickelten“ kapitalistisch organisierten Industriestaaten dazu führte, das subalterne Gruppen in einem bis dato unbekannten Ausmaß am gesellschaftlichen Wohlstand partizipierten (vgl. Hobsbawm 1994). Der damit verbundene Aufbau sozialstaatlicher Leistungen, z.B. die (letztlich durch höchstrichterliche Rechtsprechung notwendig gewordene) Einführung des Bundessozialhilfegesetzes, statuierte zum ersten Mal einen rechtlich einklagbaren Rechtsanspruch auf ein soziokulturelles Existenzminimum: Armut galt damit als gesellschaftlich überwindbar.

Infolgedessen markierte das Fortbestehen von Armut – auch der fordistische Wohlfahrtsstaat kannte seine Ausschlussmechanismen, insbesondere gegenüber „Gastarbeiter:innen“, Frauen und Gruppen, die als „sozial unangepasst“ bzw. „asozial“ galten – im Nachkriegsdeutschland (im westlichen wie im östlichen) ein Tabu (vgl. Lorke 2015). Diese Armut zeigte sich z.B. in Form von Obdachlosensiedlungen, die man nahezu in jeder westdeutschen Großstadt auch während der „Wirtschaftswunderjahre“ flächendeckend finden konnte (vgl. ebd.; Reinecke 2021; Wagner 2024) – noch 1965 lebten dort einer amtlichen Stichprobe zufolge ca. 800.000 Menschen (vgl. Lorke 2015: 168). Für dieses Fortbestehen brauchte man eine Begründung jenseits der vorherrschenden Vergesellschaftungsform und fand diese vor allem in individuell unangepassten Verhaltensweisen und der Kultur der davon Betroffenen (vgl. Lorke 2015). Auch und gerade im Fordismus wurde den meisten „Unwürdigen“ die Schuld an ihrer Misere selbst zugeschrieben.

Erinnert dieses Begründungsmuster stark an die Praktiken der Responsibilisierung (Lutz 2018), wie sie unter dem Paradigma des aktivierenden Staats für den Umbau des Sozialstaats unter neoliberalen Vorzeichen prägend war, so hat sich inzwischen doch einiges mit Blick auf die Politiken „mit“ Armut verändert. Titelten wir 1991 in Heft 41 noch „Armut – kein Thema?“ und spielten damit vor allem auf die beharrliche Weigerung an, die Existenz von Armut sozialpolitisch anzuerkennen, so haben eine schwächelnde Wirtschaft, massive Inflation, stark steigende Lebenshaltungskosten und die sich weiter zuspitzende Vermögenskonzentration die Verunsicherung über den Erhalt der eigenen Lebensgrundlage in die Mittelschicht getragen. Armut ist gesellschaftlich allgegenwärtig und ihre Existenz wird – wie es sich z.B. schon anhand der deutschen Kampagne zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gezeigt hat (vgl. Bareis/Wagner 2011; 2015) – politisch wie gesellschaftlich immer weniger geleugnet. Der noch zu Mitte des 20. Jahrhundert formulierte Fortschrittsoptimismus, Armut mithilfe von Modernisierung und wohlfahrtstaatlichen Maßnahmen überwinden zu können – und sei es auch erst in naher Zukunft – wirkt heute wie eine anachronistische Utopie. Die im Titel unseres Heftes konstatierten Normalisierungen von Armut verweisen insofern auf eine wichtige Feststellung: entgegen wiederholter großspuriger Ankündigungen, Formen der Armut „bekämpfen“ und Armut letztlich überwinden zu wollen – Bsp. EU Obdachlosigkeit bis 2030 (Haj Ahmad in diesem Heft) – scheint Armut nun mehr oder minder offen als zwangsläufiger Bestandteil bürgerlich-kapitalistischer Vergesellschaftung akzeptiert zu werden. Wie sich gerade anhand der jüngsten Entwicklungen in der Debatte um das Bürgergeld zeigt, werden dann primär die Betroffenen zu Gegnern, die „bekämpft“ werden müssen, und nicht weniger ihre Lebenslage.[1]

Diese, in ihrem Verlauf sehr wechselhafte, Debatte war für uns Anlass, darüber nachzudenken wie aktuell um einen neuen sozialpolitischen Umgang mit Armut unter den Vorzeichen ihrer Normalisierung gerungen wird. Dabei ist wichtig zu sehen, dass die gesellschaftspolitische Bedeutung von Armutsfragen und die sie begleitenden Diskurse stets über die „Armen“ hinausweisen: Armut verweist auf ein gesellschaftliches Verhältnis (vgl. Lutz/Wagner in diesem Heft) und entsprechende Armutspolitiken markieren immer auch spezifische „Beziehungspolitiken“, in dem sie als „Arme“ kategorisierte Menschen in ein bestimmtes Verhältnis zur staatlichen Ordnung sowie zu anderen, nicht als arm geltenden, Bevölkerungsgruppen setzen. Ob und wie eine Gesellschaft über „Arme“ und Armut spricht, und wie sie darauf sozialpolitisch reagiert, sagt viel über ihre Gesamtverfassung aus. 

Die wechselhaften Vorzeichen unter denen „Arme“ und Ungleichheitsverhältnisse bearbeitet wurden und werden, haben wir in den Widersprüchen immer wieder thematisiert. Im erwähnten Heft 41 wurde die damals vorherrschende De-Thematisierung von Armut in gesellschaftlichen Diskursen auch als Erfolg neokonservativer Strategien analysiert, die soziale Konflikte bewusst ausgeblendet haben. In der sozialpolitischen Bagatellisierung dieser Zustände lag allerdings mehr als nur ein Aufgeben der Versuche, das Phänomen der Armut ganz verschwinden zu lassen: Im diskursiven Schweigen drückte sich bereits eine Normalisierung dieser Verhältnisse aus – Armut und Ungleichheit gereichten schon damals nicht mehr zum Skandal.

Das Doppelheft 119/120 „Hinten anstellen“ aus dem Jahr 2011 zeichnete Armutspolitiken nach, die zwar offiziell noch unter den Vorzeichen der Beseitigung von Armut standen, dabei aber auf eine Aktivierung für den Arbeitsmarkt zielten. Sozialpolitik rückte so näher an Arbeitsmarktpolitik – bis hin zur Gleichsetzung der beiden Politikfelder (Bareis/Wagner 2011, : 11), was sich auch im historischen Kontext des Heftes ausdrückte: 2010 markierte das Zieljahr der Lissaboner Verträge, die auch die Agenda 2010 ‚inspirierten‘. Bis dahin sollte „etwas unternommen werden, um die Beseitigung der Armut entscheidend voranzubringen“. Primäres Ziel dieser Verträge war es allerdings, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken. Dass 2010 als europäisches Jahr der Bekämpfung von Armut ausgerufen wurde, lässt sich so vor allem als politische Inszenierung lesen.

Auch aktuell zeigt sich, dass Kontextualisierungen von Armut zwar gesellschaftlich an Bedeutung gewinnen, aber inhaltlich auf eine „Normalisierung“ dieses Phänomens verweisen: Armut wird zu einer hinzunehmenden respektive akzeptierten gesellschaftlichen Realität. Welche Bedeutung besitzt Armut im Selbstverständnis und in der materiellen Realität einer Gesellschaft, in der sich sozioökonomische Spaltungen, Verteilungskämpfe sowie Formen sozialer Ausschließung offenkundig nicht mehr wegdefinieren lassen, sondern vielmehr (wieder) „normal“ geworden sind? Das Heft folgt diesen Fragen auf drei Ebenen:

 

Politische Regulationen von und mit Armut qua „Normalisierung“

Die Gewöhnung an soziale Ungleichheit manifestiert sich eindrücklich in der turnusgemäßen, aber weitgehend folgenlosen Veröffentlichung von Armuts- und Reichtumsberichten, die es mittlerweile nur noch punktuell schaffen, so etwas wie eine öffentliche Debatte zu erzeugen. Einen Brennpunkt der Debatte stellen dabei das ALG II bzw. Sozialgeld, heute Bürgergeld, dar. Nachdem 2010 das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass die Grundsicherung sowohl mit der Sanktionierungspraxis im ALG II als auch in der Höhe nicht vereinbar mit der staatlichen Verpflichtung der Gewährleistung eines Existenzminimums ist, sollte das Bürgergeld Abhilfe schaffen. Welche hegemonietheoretische Bedeutung hat es eigentlich, wenn arme Menschen und die übrige Gesellschaft durch die Namensgebung, „Bürgergeld“, explizit daran erinnert werden (müssen?), dass sie trotz materieller Mangellage auch bzw. weiterhin „Bürger:innen“ sind (zumindest sofern sie über das nationalstaatlich organisierte Bürgerschafts-Regime formal so platziert werden)? Sowohl in dessen Umsetzung, als auch an den begleitenden Debatten zeigt sich, dass auch das Bürgergeld keinen sozialpolitischen Paradigmenwechsel darstellt (vgl. den Beitrag von Lutz und Wagner). Mitleidsökonomische Angebote wie die Tafeln, aber auch nachbarschaftliche Versorgungsangebote bekommen durch überbordende Nachfrage dagegen zunehmend den Charakter eines Regelangebotes (vgl. den Beitrag von Eberle und Kessl). Charity wird so zu einer sozialpolitischen Notwendigkeit.

 

Praktiken und Kämpfe der „welfare policy from below“

„Normal“ ist inzwischen auch die Aufmerksamkeit etablierter Medien, für die quantitativ erfassbare zunehmende Spaltung, v.a. aber für das, was arme Menschen über ihr Leben als „Betroffene“ zu erzählen haben: über die individuellen Schicksale und individualisierten Probleme, über „steinige Aufstiege“ bis hin zur Systemkritik durch „ehemalige Arme“. Jenseits des jeweiligen Framings dieser Darstellung verdeutlichen diese allerdings auch die widersinnige Praxis von Betroffenen sozialer Ausschließungen – sowohl individuell als auch kollektiv (vgl. den Beitrag von Dierkes, Herzog und Kronsbein). Akteur:innen sozialer Bewegungen stehen dabei immer wieder vor der Herausforderung, sich gegenüber wandelnden sozialpolitischen Prämissen und Vorzeichen Gehör zu verschaffen (vgl. den Beitrag von Jäger). Ein forschender Blick legt offen, dass sich auch (oder gerade) jenseits professionalisierter sozialpolitischer Strukturen Anerkennungschancen für Menschen bieten (vgl. den Beitrag von May). „Normalisierung“ von Armutsverhältnissen bedeutet auch, dass sich Armut und Lohnarbeit nicht zwangsweise ausschließen müssen, wie der Blick auf die „working poor“ zeigt.

 

Konsequenzen für Soziale Arbeit

Bereits 1996 haben Bommes und Scherr analytisch herausgearbeitet, dass die Elendsverwaltung eine wesentliche gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit ist. Jenseits idealisierter professionstheoretischer Selbstbeschreibungen wird das bis auf weiteres so bleiben. Die gesellschaftlichen Verwerfungen zementieren zwar einerseits deren gesellschaftliche Relevanz, gehen aber andererseits mit verdichteten Problemstellungen, wenig Ressourcen, widrigen Arbeitsbedingungen und hauptsächlich individualisierten Lösungsstrategien einher. Es zeigt sich allerdings auch immer mehr, dass Verteilungs- und Existenzsicherungsfragen nicht nur ein extern zu bearbeitendes Problem von Sozialer Arbeit selbst darstellen, sondern auch das Berufsfeld Sozialer Arbeit selbst betreffen (vgl. den Beitrag von Weser). Wie in vielen anderen Berufsfeldern zeigt sich auch hier eine zunehmende Prekarisierung von Arbeitsbedingungen (Chassé 2013).

 

Zu den Beiträgen im Einzelnen

Vor dem Hintergrund dessen, dass „Armut“ keinen Zustand, sondern ein soziales Verhältnis darstellt, untersuchen Tilman Lutz und Thomas Wagner, wie die sich wandelnden sozialstaatlichen Armutspolitiken dieses Verhältnis gestalten und welche Adressierungen „der Armen“ damit einhergehen. Die Autoren werfen dabei „einen Blick zurück“, auf die sog. Hartz-Reformen und zeigen, dass es sich bei den Änderungen zum jetzigen „Bürgergeld“ mitnichten um eine Abschaffung oder Überwindung des „Systems Hartz IV“ handelt. Die veränderte Adressierung durch das Bürgergeld etabliere vielmehr eine Beziehung zwischen (Sozial-)Staat und „den Armen“, die auf eine verbürgerlichende Normalisierung von Armut hinauslaufe, ohne dass hier ein wirklicher Bruch mit der Logik des „Förderns und Forderns“ vollzogen werde.

Als ein Element der sich auch international herausbildenden neuen Armutspolitik analysiert der Artikel von Hannah Eberle und Fabian Kessl die verschiedenen Formen der sich seit 20 Jahren etablierenden Mitleidsökonomie in Deutschland. Sie unterscheiden dabei zwischen solchen Angeboten, die an institutionalisierte Akteure wie die Wohlfahrtsverbände angebunden sind, bspw. die Tafeln, und solchen, die eher selbstorganisiert und solidarisch organisiert sind. Der Artikel zeigt anhand empirischen Materials auf, wie sich die Lücken in der sozialstaatlichen Versorgung auswirken und wie diese von den Akteur:innen vor Ort interpretiert werden sowie die Entwicklungen von Kooperationsbeziehungen aber auch Abgrenzungsbewegungen dieser Angebote gegenüber (sozial-)staatlichen Institutionen.

Kerstin Herzog, Wiebke Dierkes und Esther Kronsbein stellen die Einführung des Bürgergeldes im Jahr 2023 in den Kontext der weltweiten neoliberalen Reformen der letzten Jahrzehnte. Die Autorinnen zeigen aus einer Perspektive „from below“ auf, wie Menschen, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind – auch nach der Einführung des Bürgergeldes – adressiert werden, welche Beschämungen und Beschädigungen mit dem Bezug einhergehen und wie sie versuchen auch unter diesen prekären Umständen handlungsfähig zu bleiben. Ein Vergleich mit einem afrikanischen Land (Uganda) und den Umgangsweisen der von Armut betroffenen „Leute“ dort zeigt, dass es auch andere als individuell-isolierte Strategien denk- und realisierbar sind. Aber auch die dortigen, eher kollektiv-solidarischen Umgangsweisen bringen ihre eigenen Probleme mit sich, z.B. neoliberal vereinnahmt zu werden, und können nicht ohne weiteres als Modell für hiesige soziale Bewegungen dienen.

Obdachlosigkeit als eine extreme Folge von Armut ist das Thema des Beitrags von Marie Therese Haj Ahmad. Dabei haben Menschen, die aus anderen Ländern der Europäischen Union nach Deutschland gekommen sind, ein ungleich höheres Risiko arm und obdachlos zu werden als deutsche Staatsbürger:innen. Es wird aufgezeigt, wie die deutsche Sozialgesetzgebung diese Menschen systematisch benachteiligt und welche praktischen Auswirkungen dies auf ihre Lebensbedingungen hat. Obwohl die Europäische Union in den letzten Jahren das Problem der Obdachlosigkeit vermehrt thematisiert und (ansatzweise) auch angeht, sind die bislang eingeleiteten Maßnahmen auf europäischer Ebene weder in der Lage noch darauf angelegt, Obdachlosigkeit von Unionsbürger:innen dauerhaft zu überwinden, wenngleich zumindest auf der Handlungsebene der (professionellen) Akteure Spielräume bestehen, die Verwaltungslogiken zu konterkarieren, nach denen diese europäischen Programme funktionieren.

Matthias Weser analysiert die sich zunehmend ausdifferenzierenden Berufshierarchien im Bereich der Sozialen (Lohn-)Arbeit. Er argumentiert, dass in diesem Berufsfeld ähnliche Mechanismen der Entsicherung von Lohnarbeitsverhältnissen am Werk sind wie diejenigen, die dazu führen, dass Menschen in Zonen der Vulnerabilität oder der sozialen Ausschließung gelangen und so zu Adressat:innen der Sozialen Arbeit werden. Die schwierigen Arbeitsbedingungen und die auch hier anzutreffende Entsicherung der Lohnarbeitsverhältnisse führen bei den Sozialarbeitenden oft zu einer Planung der eigenen Berufsbiographie, die darauf ausgerichtet ist, sich von der schlecht bezahlten und anstrengenden professionellen Kernrolle im unmittelbaren Kontakt mit den Adressat:innen zu entfernen, um in den vermeintlich sicheren und dauerhaft „lebbaren“ Hafen der Administration oder der Hochschulen zu gelangen.

Aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven werfen die beiden Miniaturen von Michael May und Frank Jäger den Blick auf heute vorherrschende Armutsverhältnisse und deren sozialstaatliche Bearbeitung: Einmal aus Sicht von Jugendlichen und Jungerwachsenen, aus „bildungsfernen“ Familien, die sich in der Schattenökonomie verdingen, aber hier – unter ausbeuterischen Verhältnissen – die Anerkennung erfahren, die sie sonst weder im privaten, noch im institutionellen Umfeld bekommen (Michael May). Zum zweiten aus der Perspektive von sozialen Bewegungen und Initiativen auf die Historie und Dramaturgie der Gesetzesänderungen im SGB II (Frank Jäger von Tacheles e.V.), die fundiert kritisieren, dass es sich bei der Einführung des Bürgergeldes mitnichten um einen Paradigmenwechsel in der Gewährung von Grundsicherungsleistungen, sondern um rein rhetorische Modernisierung handelt.

Der Forumsbeitrag von Thure Alting und Benny Momper thematisiert, wie die staatlichen Förderprogramme für Angebote der politischen Bildung – und hier insb. das Bundesprogramm „Demokratie Leben“ – die zuvor zumindest ansatzweise vorhandene (auch) herrschaftskritische Stoßrichtung der politischen Bildung verändern. Die Angewiesenheit der Träger der politischen Bildung auf die staatliche Alimentierung dient als Mittel um diesem Arbeitsfeld eher affirmative, auf Extremismus-Prävention ausgerichtete Bildungsziele zu verordnen. 

Passend zu dem Thema des Schwerpunktes zeigt die Rezension von Wolfgang Völker über das von Peter Rahn und Karl August Chassé herausgegebene „Handbuch Kinderarmut“ auf, dass Armut auch für viele Kinder beginnt eine Normalität zu werden, die sich dennoch in sehr unterschiedlichen Lebenslagen und Bewältigungsstrategien ausdrückt.

 

Literatur

Bareis, E./Wagner, T. 2011: Politik mit der Armut. Eine Kritik des Europäischen Jahres 2010. In: Widersprüche, Jg. 31, Bd. 119/120, 11-34

Bareis, E./Wagner, T. (Hg.) 2015: Politik mit der Armut. Europäische Sozialpolitik und Wohlfahrtsproduktion "von unten". Münster

Bommes, M./Scherr, A. 1996: Soziale Arbeit als Exklusionsvermeidung, Inklusionsvermittlung und Exklusionsverwaltung. In: Neue Praxis 26, 107-122

Chassé, K.A. 2013: Deregulierte Soziale Arbeit? In: Widersprüche 128/33, 11-30

Hobsbawm, E. 1994: The Age of Extremes: The Short Twentieth Century, 1914-1991. New York

Katz, M.B. 1989: The undeserving Poor. From the War on Poverty to the War on Welfare. New York

Lorke, Chr. 2015: Armut im geteilten Deutschland. Die Wahrnehmung sozialer Randlagen in der Bundesrepublik und der DDR. Frankfurt a.M.

Lutz, T. 2018: Wandel der Sozialen Arbeit: von der Pathologisierung zur Responsibilisierung. In: Keim, R./Rathgeb, K./Schimpf, E./Spindler, S./Stehr, J. (Hg.): Politik der Verhältnisse – Politik des Verhaltens: Widersprüche der Gestaltung Sozialer Arbeit. Wiesbaden, 355-367

Reinecke; Chr. 2021: Die Ungleichheit der Städte. Urbane Problemzonen im postkolonialen Frankreich und der Bundesrepublik. Göttingen 

Vester, M. 2011: Die Wirtschaftskrise und die Chancen eines gesellschaftlichen Pfadwechsels. In: Widersprüche 122/31, 9-33

Wagner, T. 2024: „Alle Bürger sollen eine Dusche bekommen, nicht nur die, die ihre Miete bezahlen!“ Zur Bedeutung des Vergessens und daraus resultierenden Schwierigkeiten, Geschichte „von unten zu schreiben. In: Widersprüche 171/44, 49-62

 

Die Redaktion 


 

[1] Zu den Schwierigkeiten dieser Figur des „war on poverty“ siehe u.a. Katz 1989