Widersprüche und Spannungsfelder in der Praxis aktueller Commons-Netzwerke - am Beispiel Freier Software
Abstract
Widersprüche und Spannungsfelder in der Praxis aktueller Commons-Netzwerke - am Beispiel Freier Software. Eine E-Mail-Diskussion Widersprüche-Redaktion (W.R.): Mit dieser E-Mail-Diskussion würden wir gerne einen Beitrag für das nächste Widersprüche-Heft (www.widersprueche-zeitschrift.de) herstellen, der den Leser_innen einen Eindruck von den widersprüchlichen Entwicklungen alternativer Produktionsweisen - am Beispiel der freien Software - ermöglicht. Könnt Ihr eingangs ein paar Hinweise formulieren, wo Eures Erachtens gegenwärtig die entscheidenden Entwicklungstendenzen in dem Bereich der Commons-Netzwerke liegen. Annette Schlemm (A.S.): In den letzten 10 Jahren hat sich die Erfahrung des Teilens im Gebrauch von Gütern und der selbstorganisierten Arbeitsteilung in vielen Bereichen verbreitet. Das erste Beispiel dafür war die Freie Software. Das Wichtige daran war nicht der technische Code, sondern die sich entwickelnde Praxis vieler Menschen, sich selbstbestimmt zu koordinieren. Bis dahin war häufig angenommen worden, dass eine von Menschen selbst organisierte Arbeitsteilung, die nicht über die sachliche Vermittlung des Geldes bzw. des Kapitals oder planwirtschaftlich organisiert ist, nur als landwirtschaftlich-handwerklich orientiertes Kommune- bzw. Ökodorfnetzwerk möglich sein könnte, aber nicht global und auch nicht auf der Grundlage hochproduktiver moderner Produktionsmittel. Die Art und Weise der Herstellung der Freien Software zeigte an einem ersten Beispiel, wie es anders gehen könnte. In den letzten Jahren kamen andere freie Kulturgüter hinzu, und der Gedanke des kooperativen Produzierens und der Entkopplung von Nehmen und Geben ohne adäquate Tauschnotwendigkeit gewann eine stärkere soziale Anerkennung und Verankerung. Das von kommerziellen Interessenvertretern bedauerte mangelnde Unrechtsbewusstsein bei Copyrightverletzungen ist nur eine Folge dieses kulturellen Wandels. Christian Siefkes (C.S.): Neben Kulturgütern werden inzwischen zunehmend auch materielle Dinge, zumindest teilweise im Open-Source-Modus hergestellt: Zum einen umfasst diese Entwicklung das Open Design, wobei Baupläne und Konstruktionsbeschreibungen materieller Dinge gemeinsam entwickelt und frei geteilt werden; zum anderen werden frei nutzbare Produktionsmaschinen (z.B. Fabber = 3D-Drucker, CNC-Fräsmaschinen, Lasercutter) entworfen und gebaut und es entstehen selbstorganisierte und frei zugängliche Orte für die bedürfnisorientierte Produktion (FabLabs).