Sozialismus und Strafrecht
"Die Welt (ist) seit Kain durch Strafen weder gebessert noch eingeschüchtert worden." (Karl Marx)
Wenn heute über die Rechtspflege und das Strafrecht der DDR gesprochen wird, erscheint gemeinhin (in Spiegel-Manier) das Bild eines restriktiven politischen Strafrechts, von parteihörigen, das Recht zum Instrument degradierenden Richtern oder von einem überfüllten und unter katastrophalen Bedingungen bestehenden Strafvollzug. Damit wird der Finger durchaus - wenn auch meist einseitig und überspitzt - auf Wunden der Geschichte unseres Strafrechts und unserer Strafjustiz in den Jahren des "bürokratisch-zentralistischen Sozialismus" gelegt. Doch zugleich wird die Gesamtsicht auf unsere Geschichte des Strafrechts wie auch des straf rechtstheoretischen Denkens vernachlässigt, womit bewußt oder unbewußt denen in die Hände gespielt wird, die mit dem Instrumentarium von Artikel 23 des Grundgesetzes der BRD gleich die gesamten 40 Jahre DDR mit ihren Widersprüchen, Fehlentwicklungen, aber auch Erfahrungen und Errungenschaften vom Tisch wischen wollen.
Für Wissenschaftler, die noch über Wissenschaftsmoral verfügen und die sich nicht nur aus Konjunkturgründen Marxisten nennen, besteht heute unter anderem die Aufgabe, diese Geschichte in ihrer Widersprüchlichkeit aufzuarbeiten und in die Diskussion um Alternativen zum bundesdeutschen Recht einzubringen. Interessant ist dabei vor allem die Frage nach originären Formen der strafrechtlichen Konfliktregelung. Wie weit waren dieses ausgeprägt? Und warum sind bestimmte Ansätze nicht weiter verfolgt worden oder warum haben sie keine dominierende Rolle gespielt?
Die abgebrochene sowjetische Traditionslinie
In der sozialistischen Theorie spielt(e) die Frage nach der Begründung staatlich ausgeübter Gewalt und damit auch des strafrechtlichen Zwangs eine wichtige Rolle. Im Kontext der Theorie vom Absterben des Staates oder wie es Marx besser ausdrückt: der "Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft"(1) ging es immer auch um Alternativen zur überkommenen Strafe, einer Institution, die letztlich "nichts anderes (ist) als ein Verteidigungsmittel der Gesellschaft gegen die Verletzung ihrer Lebensbedingungen, was auch immer deren Inhalt sein mag". Obwohl die Herrschenden diese als ein Mittel der Besserung und Einschüchterung deklarierten, sei "die Welt seit Kain durch Strafen weder gebessert noch eingeschüchtert worden!" (2) Insofern sprachen sich marxistische Theoretiker immer gegen die Anerkennung eines voraussetzungslosen "ius puniendi" des Staates aus. Der Terror der Strafe ist letztlich in sich selbst inhuman. Die Anwendung von Gewalt, ob als "Rache", "Vergeltung", "Übelzufügung" oder manchmal auch als Erziehung und Therapie im Strafrecht betitelt, besitzt immer Merkmale von Brutalität und ist in sich selbst sozial destruktiv. Daher ist die Strafe auch kein wirksames Mittel gegen die Kriminalität. Hingegen ist eine ihrer wesentlichen Funktionen die Aufrechterhaltung bestehender Macht-Ohnmacht-Strukturen in den jeweiligen Gesellschaftsordnungen. Überlegungen in der sozialistischen Theorie zum Problem Kriminalität und Strafe bewegen sich dementsprechend immer im Spannungsfeld zwischen der (noch) notwendigen Verteidigung elementarer Lebensbedingungen durch das Strafrecht und seiner gleichzeitigen Eingrenzung und tendenziellen Aufhebung sowie Ersetzung, wobei auch für Sozialisten die Klasseninteressen, der Erkenntnisstand und das kulturelle Niveau der Gesellschaft das strafrechtliche Konzept bestimmten (3).
Ganz auf dieser Linie bewegten sich beispielsweise die strafrechtlichen Auffassungen und Maßnahmen der "Bolschewiki" unmittelbar nach der Oktoberrevolution. So schrieben diese in ihrem Programm vom März 1919 fest, daß in breitem Maße die bedingte Verurteilung durchzusetzen sei, führten als Strafe die öffentliche Rüge ein, ersetzten den Freiheitsentzug durch Pflichtarbeit unter Wahrnehmung der Freiheit, wollten die Gefängnisse durch Erziehungsanstalten austauschen und die Praxis der Kameradschaftsgerichte anwenden. (4) Hinsichtlich minderjähriger Delinquenten wollte man möglichst völlig auf den Strafzwang verzichten. So schrieb Lenin in bezug auf die Jugendlichen: "Gerichtsverfahren und Gefängnisse verderben." (5)
In der sowjetrussischen Theorie wurde u.a. der Standpunkt vertreten, daß die Überwindung des alten, vergeltenden Strafrechts nur in dem Maße durchgesetzt werden kann, wie die kapitalistischen Verhältnisse durch die Verwirklichung des Sozialismus in der Praxis überwunden werden. In bewußtem Gegensatz zum bürgerlichen Strafrecht löste sich die sowjetische Strafrechtswissenschaft und Strafgesetzgebung (1926) gleichsam auch als Programm von den Termini Schuld, Verbrechen und Strafe und deklarierte "soziale Schutzmaßnahmen" gegen "sozialgefährliche" Handlungen. Die ersteren unterteilten sich in gerichtlich-bessernde, pädagogische und medizinische Maßnahmen.
Mit der Überwindung der kapitalistischen Warenproduktion sollte die Entwicklung von den gerichtlich-bessernden zu den pädagogischen Maßnahmen verlaufen, was mit dem Absterben des Staates gleichgesetzt wurde. (6) Im Verlaufe des Absterbens würden zunächst gesellschaftlich-moralische Sanktionen zu einer Alternative der rechtlichen Sanktionen, um diese dann vollständig zu ersetzen. (7)
Neben den oben genannten Regelungen hatte diese Auffassung für die inhaltliche Ausgestaltung des (Noch-)Strafrechts weitere Bedeutung. Die Höchstgrenze der Freiheitsstrafe wurde 1926 auf zehn Jahre festgelegt. Eine bedingte Verurteilung konnte bei allen Delikten erfolgen, und der Strafvollzug wurde grundlegend reformiert. So basierte dieser u.a. auf der Selbstverwaltung durch die Gefangenen, gab es Anstalten mit "halbfreiem Regime" und die Möglichkeit von Urlaub. (8) In Anbetracht einer notwendigen Flexibilität bei der Anwendung dieser Maßnahmen (auch, um die sozialen Ursachen für Kriminalstraftaten berücksichtigen zu können) wurde die Analogie eingeführt und auf die liberalen Grundsätze "nulla poena sine lege" und "nulla crimen sine lege" verzichtet. Damit wurde aber zugleich die Möglichkeit geschaffen - gegen die ursprünglichen Intentionen -, das Strafrecht unter Stalin für Verbrechen zu instrumentalisieren, wobei bestimmte Regelungen sukzessive (beispielsweise die Verfolgung der Abtreibung) wieder eingeführt wurden. Denn Ende der zwanziger Jahre dominierte - entgegen der mit der NÖP eingeschlagenen Richtung - "die Tendenz, extensive Reproduktion, Industrialisierung, militärische Stärkung und die Beseitigung aller vom Staat relativ selbständigen gesellschaftlichen Klassen, Schichten und Kräfte mit den Kräften zentraler Verwaltung, staatlicher Administration. . . und oftmals brutalem Zwang durchzusetzen". Die Verstaatlichung aller gesellschaftlichen Kräfte und Fähigkeiten wurde im Paradigma vom "Sozialismus eines staatlichen Monosubjekts" zum Dogma erhoben.
Nicht die Entfaltung der Eigenständigkeit und Eigeninteressiertheit der Individuen, Kollektive, Klassen und Schichten auf neuer, sozialistischer Grundlage, "sondern die oft zwanghaft durchgesetze Reduktion aller Tätigkeit auf die Realisierung gesamtgesellschaftlicher Notwendigkeiten wurde als eine höhere Form gegenüber dem Kapitalismus ausgegeben." (9) Gleichzeitig wurden durch machtpolitische Eingriffe in die Rechtswissenschaft die originären Ansätze mittels Terror zum Verstummen gebracht. Ihre Vertreter, wie E. Paschukanis, galten 1937 als "trotzkistisch-bucharinisch-faschistische Diversanten auf dem Gebiet der Rechtstheorie". Doch für die Bewertung der Entwicklung des Strafrechts in den 20er Jahren ist die Einschätzung Radbruchs treffend, der das StGB der RSFSR von 1926 als ein Gemisch aus autoritärem Strafrecht und sozialem Strafrecht, "in dem die klassenlose Gesellschaft der Zukunft vorgeahnt und vorweggenommen wird", charakterisiert. (10) Ein Hauptkritikpunkt von ihm ist der völlige Verzicht dieses Gesetzes auf rechtsstaatliche Garantien.
Die abgebrochene Weimarer Traditionslinie
Auch in der Weimarer Republik vertraten Demokraten, Sozialisten und Kommunisten Auffassungen, die vom Abbau strafrechtlicher Gewalt im Interesse der Unterprivilegierten ausgingen: Grundsätzlich standen diese dem überkommenen Strafrecht in Gestalt des StGB von 1871 ablehnend gegenüber. Nicht zuletzt die steigende Rückfallkriminalität war ihnen Beleg für die Untauglichkeit herrschender Strafmittel. Dagegen verstärkte das Strafrecht die in der Gesellschaft bestehenden sozialen Ungleichheiten, indem es vor allem (auch über verschiedene Selektionsmechanismen) gegen die sozial Schwächeren in aller Schärfe zur Anwendung kam und diese stigmatisierte. Aus der Einsicht einer letztlich sozialen Bedingtheit der Kriminalität stellte sich die Aufgabe, gesamtgesellschaftliche sozialpolitische Systemlösungen zu entwickeln. Die Funktion des Strafrechts bezüglich des Zurückdrängens der Kriminalität könne nur in einer "Nachsorge" bestehen. Daher müßte im Gegensatz zum "pfundweisen" Abbüßen der begangenen Straftaten alle Reaktionen auf die Herausbildung der "Sozialtauglichkeit" des Täters abgestellt sein. In der Strafrechtsreformdiskussion wurden die Alternativen hinsichtlich der Veränderung des Strafrechts in der Republik von Weimar formuliert. Juristen und Sozialwissenschaftler wandten sich u.a. gegen die Todesstrafe, die lebenslängliche Freiheitsstrafe, gegen Strafverschärfungen beim besonders schweren Fall und die Ausdehnung der Rückfallbestimmungen auf alle Straftaten. Sie forderten Möglichkeiten, von Bestrafungen abzusehen, die Begrenzung der Höchststrafe auf fünf Jahre Freiheitsentzug sowie die unbeschränkte Zulassung mildernder Umstände und die Abschaffung der starren Mindeststrafen. Für jugendliche Straftäter wurden neue Formen und Institutionen der Konfliktbewältigung entworfen und die Mindestforderung nach Heraufsetzung des Strafmündigkeitsalters auf 16 Jahre mit bestechenden Argumenten verlangt. Der Strafvollzug sollte auf der Grundlage einer Selbstverwaltung durch die Gefangenen radikal verändert werden. (11) Überhaupt sollte das Strafrecht nur bei wirklicher gesellschaftlicher Schädigung zum Zuge kommmen. Das bedeutete u.a., daß weder die Homosexualität, die Prostitution, die Blutschande noch die Schwangerschaftsunterbrechung strafrechtlich verfolgt werden dürften. (12)
Ein Neubeginn, der...
Nach 1945 gab es in der sowjetischen Besatzungszone vielfältige Versuche, den Formalismus in der Strafrechtspraxis zu überwinden und einen neuen Ansatz zur Bestimmung der Anwendung strafrechtlicher Gewalt als eine konfliktdämpfende Funktion des Staates zu finden. (13) Versuche, die durchaus in Kontinuität zu der hier skizzierten Traditionslinie stehen. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen.
In der Diskussion um die Reform des Strafvollzugs ging es darum, das "Strafrecht als Sozialrecht zu erkennen und aus dem magischen Gedankenzirkel von Sühne und Vergeltung zu lösen". (14) Ausgangspunkt war die Einsicht, daß in Deutschland nicht nur falsch, sondern auch viel zu viel gestraft werde. Dabei wäre das Strafensystem zu plump. Es gäbe andere wirksamere Formen der Sanktion. In den meisten Fällen und unter Beachtung der Tatsache, daß die kriminellen Handlungen nur zu einem geringen Teil der Sphäre der freien Willensentscheidung angehören und biologischen, soziologischen, sozialen, wirtschaftlichen Ursprungs seien, wäre nicht Strafe, sondern Hilfe nötig. Nicht jeder Rechtsbruch sei Symptom für die Gefährlichkeit eines Täters. Meist genüge die Wiedergutmachung. Hingegen könnten schon drei Tage Haft nicht wiedergutzumachenden Schaden stiften. Für alle Maßnahmen sei das Wissen um die soziale Mitverantwortung der Gesellschaft zu berücksichtigen. Daher müßten die ausgesprochenen Freiheitsstrafen so gering wie möglich gehalten werden. Für die Ausgestaltung des Vollzugs wurden eine fortschreitende Selbstverwaltung, die Bildung von Gefangenenbeiräten, die Arbeit für vollen Lohn, die Mitbestimmung im Arbeitsprozeß als auch Betriebe, die unter alleiniger Verwaltung der Insassen stehen sollten, gefordert. Für bestimmte Straftäter sollte es außer Unterkunft und Arbeitsaufsicht überhaupt keine Sicherung mehr geben. Es ginge darum, Verantwortungen zu schaffen und mit Vertrauen zu operieren. Da aber gerade dem Strafvollzug das Streben nach Machtraffung und Gewaltanwendung innewohne, bedürfe es wachsender demokratischer Kontrolle. (15)
Diese hier nur verkürzt wiedergegebenen Vorstellungen waren aber keineswegs nur Gedankenkonstruktionen. Nein, sie wurden - was heute manch einer nicht mehr glauben möchte - 1946/47 vor allem im Land Brandenburg mit gutem Erfolg in die Praxis umgesetzt. (16)
Das zweite Beispiel ist das Jugendstrafrecht. Die Radikalforderung lautete: Das Jugendstrafecht ist zu ersetzen. Und für die Reform des Jugendstrafvollzugs gibt es nur einen Weg: schnellstens auf ihn zu verzichten. (17) Die Argumente waren die sozialen Ursachen dieser Handlungen, die besondere Situation der Heranwachsenden, die erst ihre volle Selbstbestimmungsfähigkeit ausprägen, und das Episodenhafte einer Straftat im Leben vieler Jugendlicher. Daher sei der zu schützenden Gesellschaft, wie dem gegen sie sich vergehenden jungen Menschen nicht durch Bestrafung, sondern nur durch Erziehung zu dienen. Eine Bestrafung sollte deshalb bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nicht erfolgen. Jugendgefängnis, Eintragung ins Strafregister und Jugendarrest sollten, um jegliche Stigmatisierung und Ausgrenzung möglichst zu vermeiden, abgeschafft und stattdessen (nur wenn notwendig) öffentliche Erziehungsmaßnahmen bei Gesetzesverletzungen beschlossen werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen waren die Verwarnung, die Weisung, die Schutzaufsicht und im äußersten Fall (bei Vorliegen eines entsprechenden Gutachtens) die Heimerziehung. Diese Forderungen wurden zum Teil in den Ländern bereits umgesetzt, mündeten jedoch nur unvollständig in das JGG von 1952.
Trotzdem war dieses Gesetz, indem es die Erforschung der Lebensverhältnisse der Jugendlichen, die Prüfung der Verantwortlichkeit der Eltern oder anderer Erwachsener und die Untersuchung der Erziehungsarbeit staatlicher sowie gesellschaftlicher Einrichtungen regelte, auch auf soziale Integration, das heißt auf die Lösung des Konflikts durch alle Beteiligten, ausgerichtet. (18)
Andererseits wird auch ein Problem deutlich: Die hier angedeuteten Vorstellungen, in Kontinuität zum JGG von 1923 stehend, gehen daneben vielfach von der Behandlung des jugendlichen Täters aus. Dieser wird weniger als Subjekt, sondern mehr als Objekt einer oft administrativen "Erziehungsmaßnahme" gesehen, die zum Teil in abgeschlossenen Räumen realisiert wird.
...sich nicht durchsetzte: Kontinuität und Bruch
Die Geschichte des Strafrechts der DDR von 1949 bis heute ist sowohl durch Kontinuität zur Vergangenheit, die mit der Fortexistenz von Strafrecht überhaupt verknüpft ist, als auch durch Neuorientierungen (also Diskontinuität) geprägt. Man kann dabei zwei Etappen unterscheiden. (19) Einmal ist dies der Zeitraum von 1949 bis 1968, zum anderen der von 1968 bis 1987. Bis 1968 galt in der DDR (mit Einschränkungen und Ergänzungen) das StGB von 1871, da es formalabstrakt bürgerlich-liberale Strafrechtsgrundsätze festschrieb und den Schutzvorstellungen der damaligen Gesellschaft entsprach. Denn das Kriminalisierungs- und Sanktionsierungskonzept des StGB von 1871 umfaßt den Schutz individueller und gesellschaftlicher Lebenssicherung. Außerdem lassen sich in diesem Zeitraum zwei wesentliche Tendenzen festmachen. Durch zusätzliche Regelungen wird der strafrechtliche Schutz politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse verstärkt. Dafür stehen beispielsweise die Wirtschaftsstrafverordnung (1948) und das Volkseigentumsschutzgesetz (1952). Dieses Gesetz enthielt hohe Strafandrohungen (mindestens ein Jahr Zuchthaus) gegen Straftaten zum Nachteil des Volkseigentums, die zunächst auch in Anwendung kamen. Diesem Strafenfetischismus lag die von Stalin herrührende irrige Auffassung zugrunde, daß jedes Delikt gegen das Volkseigentum ein Angriff auf die Grundlagen des Sozialismus sei. Aber auch die in den 50er Jahren entwickelte falsche Theorie vom Verbrechen als Erscheinung des Klassenkampfes führte entgegen den eigentlichen Absichten der Wissenschaftler (20) zu einer verstärkten strafrechtlichen Repression, die als Überspitzung verharmlost wurde. (21)
Daneben begründete das Weiterwirken der unwissenschaftlichen These von der Verschärfung des Klassenkampfes beim Aufbau des Sozialismus (Stalin) die Anwendung härtester strafrechtlicher Repression ebenso wie die künstliche Unterscheidung zwischen Klassenfeinden und anderen. (22)
Außerdem bildete sich jedoch mit der Einführung der gesellschaftlichen Gerichte (GG) ein "originär-sozialistischer" Ansatz zur Konfliktbewältigung heraus, der, wie Ewald richtig feststellt, in der Tendenz qualitativ über die traditionellen Sanktionsformen des Strafrechts hinausgeht. Zu den GG gehören die Konflikt- (KK) und Schiedskommissionen (SchK). KK bestehen seit 1953 und gehören zum Gerichtssystem. Seit 1960 entscheiden sie auch rechtsverbindlich über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Vergehens und strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Im StGB von 1968 werden die grundlegenden Prinzipien der Tätigkeit der GG und ihre Befugnisse bei der Beratung und Entscheidung von Vergehen festgelegt (§§ 28, 29). Eine große Anzahl von Bestimmungen des besonderen Teils des StGB sieht die Verantwortlichkeit vor einem GG als eine Form strafrechtlicher Reaktion vor. Entsprechende Regelungen finden sich auch in der StPO (§§ 58 - 60, 142, 149, 276, 277). (23) Noch einige Bemerkungen zur Arbeitsweise der GG. Es besteht die Rechtspflicht, KK in allen Betrieben und Einrichtungen, in denen mehr als 50 Betriebsangehörige arbeiten, zu bilden. Die Gewerkschaften organisieren die Wahl der KK, deren Zusammensetzung ungefähr der Belegschaftsstruktur in ihrem Tätigkeitsbereich entsprechen soll. Die Mitglieder müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen jedoch keine Angehörigen von Gewerkschaftsleitungen oder leitende Mitarbeiter sein. Die KK führen sogenannte Aussprachen (ohne Entscheidungen) oder auf Antrag Beratungen mit Entscheidungen durch, bei denen mindestens vier Mitglieder der KK anwesend sein müssen. Die Beratungen sind öffentlich. Voraussetzung für die Tätigkeit bei strafrechtlichen Vergehen ist eine Übergabeentscheidung der Untersuchungsorgane, des Staatsanwalts oder des staatlichen Gerichts. Grundsätzlich können - bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen - alle Vergehen an die KK zur Beratung übergeben werden. Voraussetzung sind die eingetretenen Folgen und die Schuld des Täters, die Annahme einer wirksamen Erziehungsmöglichkeit sowie die vollständige Aufklärung des Sachverhalts und das Zugeben der Rechtsverletzung durch den Täter. Einige Beispiele sollen diese Kriterien illustrieren. Bei Eigentumsdelikten erfolgen Übergaben in der Regel bis zu einer Schadenshöhe von 500 Mark, z.T. bis zu 1000 Mark. Einfache Körperverletzungen, die "nur" wenige Tage Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben, Verkehrsgefährdungen durch Trunkenheit (bei geringer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer) werden übergeben. Bei Straftaten Jugendlicher kann grundsätzlich eine Übergabe erfolgen, wenn der jugendliche Täter schuldfähig ist (§ 66 StGB). In ihrer Entscheidung kann die KK die Selbstverpflichtungen des Beschuldigten (u.a. Entschuldigung, Leistung unbezahlter gemeinnütziger Freizeitarbeit) bestätigen und darüber hinaus Erziehungsmaßnahmen (Entschuldigung beim Geschädigten, Wiedergutmachung, Ausspruch einer Rüge, Auferlegung einer Geldbuße, Bestätigung von Verpflichtungen eines Kollektivs oder Bürgers) beschließen. KK können daneben bei Verfehlungen (Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verleumdung, Eigentumsverfehlungen), Ordnungswidrigkeiten oder Verletzungen von Bewährungspflichten tätig werden. (24) SchK arbeiten analog in den Wohngebieten. Bereits 1961 wurden 13,5% der Straftäter vor KK zur Verantwortung gezogen, und 1965 wurden 38,5% aller Straftaten an KK und SchK übergeben. Der Anteil der Strafen ohne Freiheitsentzug und der Übergaben an GG betrug 1961 52,9% und 1965 78,4%. (25)
Die ungelöste Paradoxie
Beide aufgezeigte Entwicklungstendenzen - Strafverschärfung (vor allem Freiheitsstrafen) hinsichtlich des "Schutzes" wirtschaftlicher und politischer Strukturen und Trends zur Rücknahme der Strafgewalt - werden auch mit und nach dem Erlaß des StGB von 1968 sichtbar. Einerseits werden die Kriminalisierung im Bereich politischer Konflikte vor allem durch die Erweiterung der Regelungen des 6. Kapitels des StGB (Straftaten gegen die staatliche Ordnung), der Schutz des sozialistischen Eigentums und der Wirtschaft ausgebaut und erfolgt in den 70er Jahren eine Vermehrung administrativen Zwangs im Umgang mit Rückfalltätern. Andererseits werden die Maßnahmen ohne Freiheitsentzug erweitert und die Todestafe oder lebenslängliche Freiheitsstrafe für Jugendliche beseitigt. (26) Dabei muß aber konstatiert werden, daß beispielsweise die Abschaffung der Todesstrafe mehr oder weniger außenpolitischen Erwägungen folgte. Die Begründung durch die Wissenschaft wurde erst im Nachhinein als Legitimationsmäntelchen abgerufen.
Doch ist zu verzeichnen, daß bei der Anwendung des Strafrechts seit Mitte der 60er Jahre die Übergaben an GG zurückgingen. Lekschas verweist darauf, daß die Organe der Rechtspflege in den 70er Jahren der Ansicht gewesen seien, die Kriminalität durch zunehmende Anwendung gerichtlicher Strafen wirksamer zu "bekämpfen". Im Durchschnitt der Jahre 1965 bis 1969 lag der Anteil der Übergaben an den strafrechtlich zur Verantwortung gezogenen Tätern zwischen 38,6 und 36,1%. In den Jahren 1970 bis 1974 sind es nur noch 27,5% und 1980 noch 20,3%. Dieser Trend trifft auch bei der "Behandlung" minderjähriger Straftäter zu. Ende der 70er Jahre betrug der Anteil staatlich-gerichtlicher Verurteilungen hier über 50%, 1986 hingegen nur noch 46%, was ein Indiz für die Potenzen der Gesellschaft bei der Konfliktlösung ohne strafrechtliche Sanktion sei. (27)
Neben den Übergaben an GG sieht das DDR-Strafrecht auch die Einstellung von Verfahren für Jugendliche vor (§ 75 StPO), wenn das Vergehen nicht in besonderem Maße gesellschaftswidrig ist und von der Jugendhilfe oder den Betrieben und Schulen usw. Erziehungsmaßnahmen eingeleitet werden können. So sind bei in den Bezirken Neubrandenburg und Halle gegen Jugendliche eingeleiteten Ermittlungsverfahren bereits 31% durch Übergabe an GG sowie 16,3% durch Verfahrenseinstellung entschieden worden. Außerdem kann in vielen weiteren Fällen von der Strafverfolgung bzw. von Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit abgesehen oder nach § 70 lediglich auf die "Auferlegung besonderer Pflichten" bei Minderjährigen erkannt werden. Diese Seite der Konzeption des DDR-Strafrechts weist, wie Ewald überzeugend argumentiert, über das der BRD zumindest in bestimmten Punkten ansatzweise hinaus. (28) So finden die Beratungen der GG in einem öffentlichen, gesetzlich geregelten Verfahren statt, womit Möglichkeiten der "unkontrollierbaren Sanktionierung" und der Diskriminierung der sozial Unterprivilegierten besser beherrschbar sind. Die unbesehene Übernahme von "Diversions"-Konzepten, mit denen ja z.T. einer Entkriminalisierung ausgewichen wird, bringt die Gefahr einer Kriminalisierung von bisherigen Verfehlungen und Ordnungswidrigkeiten mit sich. Außerdem blieben die genannten Verfahrenseinstellungen nach unseren Erkenntnissen in der Regel folgenlos, wodurch eine weitere "soziale Kontrolle" durch Diversions- und Resozialisierungsprogramme vermieden wurde.
Gerade weil wir die "paradoxe Situation" verzeichnen konnten, "daß wir unter Berufung auf verständliche Schutzinteressen bevorzugt Mittel anwenden, deren Wirkungsgrenzen diesen Schutz offensichtlich immer weniger bzw. für uns immer unbefriedigender zu garantieren vermögen", wurden Alternativen angedacht und umgesetzt. Alternativen, die davon ausgehen, daß "eine Korrektur am wirksamsten in solchen normalen (zu ändernden) sozialen Tätigkeitsfeldern und Beziehungen möglich ist und die Umwelt ihre Mitverantwortung für die Verhaltensstörung und deren Korrektur erkennen muß". (29) Ein solch neuer Weg ist die Bildung "Besonderer Brigaden". Das sind seit 1985 gebildete Arbeitskollektive, die - zusammengesetzt aus sogenannten Verhaltensgestörten - Tätigkeiten außerhalb störanfälliger technologischer Prozesse ausüben und über besondere Entlohnungen verfügen, deren Arbeitsinhalte jedoch schöpferische Komponenten enthalten.
Jedoch ist zu konstatieren, daß diese produktiven Ansätze in den letzten Jahren nicht zur vollen Entfaltung kamen, weil die Tendenz der Repression gegenüber sozial-destruktivem Verhalten dominierte. Der Täter wird danach (entgegen anderen Verkündigungen) zum Objekt der Einwirkungen durch den Staat herabgesetzt und nicht als tätiges Subjekt anerkannt. Erziehungsvorstellungen werden gleichsam an den Täter herangetragen, obwohl die theoretische Konzeption des StGB von 1968 von einer integrativen statt repressiven Konfliktlösung ausgeht. (30) Andererseits hat die Strafrechtswissenschaft durch die Hochstilisierung des Strafrechts zum Leitungs- und Führungsinstrument zur "Zurückdrängung" (oder "Bekämpfung") der Kriminalität und durch die fehlende Thematisierung solcher Probleme wie Gerechtigkeit, Humanismus, Freiheit, Garantien vor mißbräuchlicher Ausübung der Staatsgewalt, eine solche Tendenz zumindest auch begünstigt. (31)
Der Sozialismus als Monosubjekt und die fatalen Folgen dieses Paradigmas
Ohne hier bereits vollständige Interpretationen parat zu haben, liegt wohl eine wesentliche Erklärung in der bei uns seit Ende der 40er Jahre - als ein eigenständiger Weg zum Sozialismus endgültig verneint wurde - herrschenden Gesellschaftsvorstellung vom Sozialismus als einem Monosubjekt. Der Grundgedanke dieses Paradigmas - entstanden als eine Alternative der Entwicklung des Sozialismus in der konkreten historischen Situation der Sowjetunion in den 20er Jahren (!) - "bestand in der theoretischen Zurückführung aller Subjekte der Gesellschaft auf ein einziges Subjekt - auf die Gesamtgesellschaft in ihrer staatlichen Form. Alle gesellschaftlichen Verhältnisse wurden am 'Ideal' einfacher, organisatorischer Beziehungen der administrativen Unterordnung unter das Gesellschaftsganze bei der Realisierung der gesamtgesellschaftlichen Zwecke gemessen". (32) Dem entsprach die in der Theorie vertretene Auffassung, daß Staat und Volk, Gesellschaft und Individuum eins geworden seien. (33)
Die Interessenwidersprüche zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Subjekten, wie sie sich auch in strafrechtlich relevanten Konflikten äußerten, wurden nicht produktiv gelöst (wofür das Recht Bedingungen setzen kann), sondern negiert. Das "Monosubjekt" in Gestalt einer Zentrale (bei uns die Partei- und Staatsführung) verstand sich als Inkarnation gesellschaftlicher Subjektivität und organisierte und realisierte sich politisch (also mit Machtanspruch). Der Apparat hatte sich bei uns angemaßt, als einziges Subjekt der Gesellschaft über den Wahrheits-, Macht- und Führungsanspruch zu verfügen. Andere Subjekte konnten danach lediglich noch bei der Ausführung von Entscheidungen schöpferisch sein. Die strafrechtliche Konfliktbewältigung wurde entsprechend durch dieses Machtmonopol und dessen Sicherung geprägt. Die verschiedenen, zur Begründung strafrechtlichen Zwangs von mir skizzierten Auffassungen wie auch außenpolitische Konstellationen bedienten dieses Paradigma. (34)
Die Zentrale versuchte in erster Linie, mit den Mitteln der Repression Konflikte zu anderen Teilsubjekten der Gesellschaft zu beherrschen, das heißt durch zwangsweise Unterordnung. Aus dieser nur angedeuteten Logik des Machterhaltes gegen die Interessen anderer erklärt sich auch die Paradoxie, daß mit dem "politischen Strafrecht" gegen Individuen vorgegangen wurde, die ihre Interessen für eine produktive Gesellschaftsgestaltung öffentlich artikulierten. Ein Beleg für diese Einschätzung sind auch Äußerungen, die der Minister für Staatssicherheit im Vorfeld der Ausarbeitungen zu einem neuen StGB traf. Er sagte am 30. Januar 1967 in Vorbereitung einer Tagung u.a.: "Unsere Auffassung hinsichtlich des Zwangscharakters und der Erziehungsfunktion, des Verhältnisses von Zwang und Überzeugung hat sich durchgesetzt. In der Vergangenheit wollten Verschiedene eine Überbetonung der Erziehung. Gegen Feinde und Verbrecher gibt es nur Zwang (das zeigt sich auch in der Rückfallkriminalität) ..."
Und trotzdem: Der - oft eine Feigenblattfunktion erfüllende - zweite Ansatz, Konflikte durch Integration in soziale Tätigkeit und in Verbindung mit Arbeit im Rahmen der im Strafverfahren festgelegten Maßnahmen zu unterstützen, entspricht der Tendenz, soziale Lösungen von Konflikten durch die Gesellschaft und die Beteiligten an die Stelle von Alibilösungen durch Übertragung an dritte Instanzen (Staat, gesellschaftliche oder private Institutionen) zu setzen. Daher ist es völlig verfehlt, vorschnell integrative Elemente (wie beispielsweise die Arbeitsplatzbindung) des DDR-Strafrechts zu beseitigen, ohne über konzeptionelle Vorstellungen zum Strafrecht zu verfügen. (35) Gerade diese Ansätze bilden einen Ausgangspunkt, von dem aus auch neue Formen der Konfliktregelung angegangen werden könnte. (36)
Anmerkungen
1. MARX, K./ENGELS, F.: Werke, Bd. 17, Berlin 1962, S. 543.
2. MARX, K./ENGELS, F.: Werke, Bd. 8, Berlin 1960, S. 507/508.
3. Vgl. LEKSCHAS, J.: Probleme künftiger Strafpolitik in der DDR, Berlin 1989, S. 7.
4. Vgl. W.I. Lenin und die KPdSU über sozialistische Gesetzlichkeit und Rechtsordnung, Moskau/Berlin 1987, S. 297 f.
5. A.a.O., S. 215. An anderer Stelle betont Lenin (LENIN, W.I.: Werke, Bd. 30, Berlin 1970, S. 317 f.) im Zusammenhang mit der Todesstrafe, daß auf solche außerordentlichen Gewaltmaßnahmen nach der unmittelbaren Unterdrückung der Ausbeuter verzichtet wird.
6. Vgl. PASCHUKANIS, E.: Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, Wien/Berlin 1929, S. 160 ff.; ferner SCHÖNEBURG, V.: KPD und sowjetische Kriminalwissenschaften 1919 bis 1932, Staat und Recht, 10/1987, S. 852 ff.
7. Vgl. TUMANOW, W.A.: Bürgerliche Rechtsideologie, Berlin 1975, S. 88.
8. Vgl. u.a. SCHIRWINDT, E.: Gefängnisse in der Sowjetunion, Wien/Berlin 1927.
9. BRIE, A. u.a.: Sozialismus am Scheideweg. Fragen an eine neue Konzeption. Berlin 1990, S. 51.
10. RADBRUCH, G.: Rechtsphilosophie. Stuttgart 1950, S. 268.
11. Vgl. SCHÖNEBURG, V.: Rechtswissenschaft von "unten" - Zum 60. Gründungstag der Internationalen Juristischen Vereinigung, Neue Justiz, 12/1989, S. 489; ders. Kriminalwissenschaftliches Erbe der KPD, Berlin 1989.
12. Vgl. MASLOWSKI, P.: "Soziales" aus dem neuen Strafrecht, Proletarische Sozialpolitik, 4/1930, S. 121 ff.
13. Vgl. BERGER, G.: Probleme eines demokratischen Strafrechts, Berlin 1949.
14. GENTZ, W.: Reform des Strafvollzugs, in: FECHNER, M. (Hrsg.): Beiträge zur Demokratisierung der Justiz, Berlin 1948, S. 235.
15. Vgl. a.a.O., S. 237 ff.
16. Vgl. VOBL. Brandenburg, 1946, S. 83 und HOENIGER, W.: Über das richtige Strafmaß und verwandte Probleme, in: Beiträge zur. . ., a.a.O., S. 218 ff.
17. Vgl. SCHIE, G.: Grundlagen und Grundzüge eines neuen Jugendrechts, in: Beiträge . . ., a.a.O., S. 283; GENTZ, W. a.a.O., S. 242.
18. Vgl. LEKSCHAS, J./FRÄBEL, A.: Die Regelung des Strafverfahrens gegen Jugendliche, in: Beiträge zum Strafrecht, Heft 4, Berlin 1960, S. 44.
19. Ich folge hier einem Ansatz, den Dr. Ewald 1989 auf dem VIII. Berliner rechttheoretischen Symposium vertreten hat. (EWALD, U.: Gerechtigkeit, Gesetzlichkeit, Rechtssicherheit und aktuelle Entwicklungsprobleme eines modernen sozialistischen Strafrechts in der DDR - Materialien sind im Druck).
20. Vgl. Klassenkampf und Strafrecht, Berlin 1957, S. 19, 48 und 52.
21. So Generalstaatsanwalt E. Melsheimer, a.a.O., S. 109.
22. Vgl. STREIT, J.: Klassenkampf und Verbrechen, Neue Justiz, 16/1956, S. 494 ff. Der spätere Generalstaatsanwalt der DDR hebt hervor, daß gegen den Klassenfeind "mit härtesten Mitteln zugeschlagen" werden müsse (S. 496).
23. Vgl. LEKSCHAS, J. u.a.: Strafrecht in der DDR, Lehrbuch, Berlin 1988, S. 97.
24. Die Konfliktkommission. Ein Leitfaden, Berlin 1989.
25. Vgl. HARRLAND, H.: Zur Entwicklung der Kriminalität und zu einigen Problemen ihrer wirksamen Bekämpfung, Neue Justiz, 20/1966, S. 617.
26. Vgl. LEKSCHAS, J.: Probleme künftiger Strafpolitik in der DDR, a.a.O., S. 10 und 16 f. Die mit dem 5. Strafrechtsänderungsgesetz vorgenommene Korrektur der strafpolitischen Linie gegenüber Rückfälligen ist jedoch rein pragmatischer Natur.
27. Vgl. ders.: Zum System der Reaktionsmöglichkeiten auf begangene Straftaten nach dem Strafrecht der DDR im Verhältnis zu den "Diversionskonzepten" in entwickelten kapitalistischen Ländern, Staat und Recht, 7/1988, S. 602 ff.
28. Vgl. EWALD, U.: DDR-Strafrecht - quo vadis?, Neue Justiz, 4/1990, S. 136.
29. KRÄUPEL, G.: Korrektur dispziplin- und integrationsschwierigen Verhaltens in angepaßter produktiver Tätigkeit, in: Beiträge zur Rechtswissenschaft und -praxis der DDR, Berlin 1985, S. 163.
30. Vgl. u.a. Grundfragen des neuen Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964, S. 66 ff.; LEKSCHAS, J./LOOSE, W./RENNEBERG, J.: Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, Berlin 1964.
31. Vgl. HANEY, G.: Volkssouveränität und Strafgewalt, Staat und Recht, 3/1990, S. 179 ff. 1968 vertraten jedoch führende Rechtstheoretiker der DDR die Auffassung, daß das Recht Mittel zur eigenen Daseinsgestaltung der Bürger sei. Daher wäre jede Identifizierung des sozialistischen Rechts mit dem traditionellen Strafrecht ungünstig. Es sei demnach grundverkehrt, im Strafrecht den Prototyp des sozialistischen Rechts zu sehen. Bezeichnenderweise wurde diese Position auf einer ZK-Tagung der SED vom damaligen Generalstaatsanwalt Streit als "Schmutz" denunziert und jegliche Publikation unterdrückt. (Vgl. KLENNER, H./MOLLNAU, K.A.: Konzeptionelle Gedanken zu einem Lehrbuch Rechtstheorie Sozialismus, in: MOLLNAU. K.A. (Hrsg.): Einheit von Geschichte - System und Kritik in der Staats- und Rechtstheorie, Berlin 1989, S. 284 f.)
32. Vgl. BRIE, A. u.a.: Sozialismus am Scheideweg, a.a.O., S. 44.
33. Symptomatisch ist dafür die Schilderung Stephan Hermlins in seinem Buch "Abendlicht" (Leipzig 1979, S. 23), daß er den Satz aus dem Kommunistischen Manifest ("An die Stelle der alten . . . Gesellschaft . . . tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist") fünfzig Jahre lang umgekehrt gelesen habe. Und das selbstverständlich.
34. Vgl. HODOS, G.H.: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948-54, Berlin 1990, S. 20.
35. So EWALD, U.: DDR-Strafrecht - quo vadis?, a.a.O., S. 134 ff., insbesondere S. 137.
36. Vgl. ders.: Thesenhafte Überlegungen zur kriminalwissenschaftlichen Arbeitstagung, in: Gesellschaftstheorie und Sozialwissenschaft in Kriminologie und Strafrechtswissenschaft - Ideen und Probleme, Berlin 1988, S. 28 ff.; ders.: Kriminalitätsentwicklung in der DDR und die Notwendigkeit eines neuen Konflikt- und Kriminalitätsverständnisses im modernen Sozialismus, Manuskriptdruck vom November 1989.