Realität ist real und ist nicht real
Abstract
Theodor W. Adorno (19581: 64) fordert in seinen [em]Noten zur Literatur I[/em] vor 50 Jahren in Bezug auf den Roman: Will der Roman seinem realistischen Erbe treu bleiben und sagen, wie es wirklich ist, so muß er auf einen Realismus verzichten, der, indem er die Fassade reproduziert, nur dieser bei ihrem Täuschungsgeschäfte hilft. Was wirklich ist, die Objektivität der Dinge zu erreichen, dem freien Geist den Raum geben, der ihm keine Zuständigkeitserklärung abverlangt, darum würde es einem solchen, vielleicht als kritisch zu bezeichnenden Realismus gehen - und gerade nicht nur in seiner literarischen Form, wie sie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte, und auf die Adorno hier Bezug nimmt. Kritisch, weil ein solcher Realismus der Transformation des Bestehenden verpflichtet bliebe (vgl. Horkheimer 1937/1970). Ein solcher Realismus könnte nicht nur als kritisch bezeichnet werden, sondern im Anschluss an Alex Demirovics (1999: 674) Rekonstruktion der [em]Entwicklung der Kritischen Theorie[/em] könnte man ihn auch als antipositivistisch, antiontologisch und antiszientistisch bezeichnen. Der Blick auf aktuelle kritisch-realistische Ansätze lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob sie diesem Anspruch genügen können. Im Sinne des Schwerpunktthemas des vorliegenden Widersprüche-Heftes interessiert im weiteren Text deshalb, inwieweit anti-ontologische oder anti-essentialistische Perspektiven Teil kritisch-realistischer Ansätze darstellen oder darstellen könn(t)en.