Organisiertes Vergessen

Wohlfahrtsverbände nach dem Ende der NS-Herrschaft
Abstract

Die politische Geschichte der Wohlfahrtsverbände nach 1945 sowie deren Verstrickungen in den Nationalsozialismus stehen im Zentrum des Beitrags von Manfred Kappler. In einem quellengesättigten Rückblick, namentlich auf den Deutschen Caritasverband und die Innere Mission/Diakonie wird deren politische Strategie sowohl vor als auch nach 1945 auf Basis einer Sekundäranalyse unter Rückgriff auf zeitgenössische Quellen beleuchtet. In den Fokus der Rekonstruktion geraten somit die strategischen Manöver von Anpassung und Mitläufertum bzw. willfährige Zuarbeit für das NS-Regime unter dem Dach der "Reichsgemeinschaft der freien Wohlfahrtpflege Deutschlands" an der Seite der "Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" - die jüdischen Verbände wurden 1933 sofort rausgeschmissen - einerseits, die fadenscheinigen Distanzierungen vom 'Dritten Reich' und ihre "Komplizenschaft" andererseits. Der von Kappler vorgelegte Erinnerungsdiskurs zielt in kritischer Absicht zunächst auf die "Auslöschung der Erinnerung", mithin an die systemische Involviertheit ("Maßnahmen") der Verbände in die "sozialrassistische Bevölkerungspolitik" des Regimes auf Grundlage erbbiologischer und rassehygienischer "Klassifizierung der Bevölkerung". Zugleich rückt der Beitrag die Nachkriegs-Rhetorik der nunmehr westdeutschen Wohlfahrtsverbände in den Mittelpunkt. Mit dem Slogan "Not und Hilfe" sollte sowohl dem Vergessen der eigenen Geschichte während des 'Tausendjährigen Reiches' zugearbeitet als auch die sozialpolitischen Ambitionen der Verbände für das NS-gebeutelte "deutsche Volk" unter Ausschluss von "Ausländern" und anderen unliebsamen Person unterstrichen werden.