Lebensweltorientierte Orientierung in Widersprüchen

Abstract

Die Verunsicherung sozialarbeiterischen Entscheidens angesichts von Kontingenzen und Ungewissheiten ist gegenwärtig professionstheoretisch ein zentral diskutiertes Thema. Anlass für diese Debatte ist die Diagnose von Unübersichtlichkeit, Offenheit und Komplexität. Hervorgehoben wird u.a. die Fraglichkeit der sozialpädagogischen Orientierungen, aber auch das Problem, dass SozialpädagogInnen ihre spezifische Professionalität nicht gegen politische oder andere professionelle Ansprüche durchsetzen können (vgl. Thiersch 1993). Mit Blick auf die Fraglichkeit von Orientierungen werde ich im Folgenden einen Interpretationsvorschlag dazu erörtern, was es heißt, sich zu orientieren, um das bei Verunsicherungen zugrunde liegende Orientierungsproblem genauer spezifizieren zu können. Daran anschließend werde ich in Rekurs auf ein Konzept, welches als Orientierungshilfe für die sozialpädagogische Berufspraxis entwickelt wurde, nachzeichnen, wie das Problem gedeutet wird und welche Lösungen thematisiert werden. Das von mir ins Zentrum gestellte Konzept ist das einer Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit von Hans Thiersch (1992). Da dieses Konzept als wissenschaftlich begründete Orientierungshilfe zu verstehen ist, werde ich dieses abschließend im Kontext sozialpädagogischer Reflexion verorten und auf einige Bedingungen des Konzeptes hinweisen. Deutlich wird dabei, dass das Konzept als Orientierungsangebot mit Versuchscharakter konzipiert ist, welches sich zukünftig noch bewähren muss. Damit aber ist, so meine These, das zugrunde liegende Orientierungsproblem gleichzeitig bearbeitet wie verkannt. Und es lässt sich zeigen, dass die Verkennung aus einem Vorverständnis sozialpädagogischer Berufspraxis resultiert, in der ein Bedürfnis nach Orientierung besteht, für dessen Befriedigung die Möglichkeit zukünftiger Bewährung als ausreichend angesehen wird. Diese Variante der Lösung, im Sinne einer Hoffnung auf Zukünftiges, ist ein spezifisch moderner Umgang mit Problemen (vgl. Cleppien 2007), der nicht in jedem Fall als hilfreich angesehen werden kann.