Kritische Anmerkungen zum Machtbegriff in der Gender-Theorie auf dem Hintergrund von Michel Foucaults Gouvernementalitätsanalyse

Abstract

Der Artikel unternimmt den Versuch, auf dem Hintergrund von Foucaults Gouvernementalitätsanalyse zentrale Annahmen über die Genese von Geschlecht, wie sie gegenwärtig, und nicht zuletzt unter dem Einfluss Judith Butlers, in Ansätzen von gender bestimmend sind, einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Insbesondere die Vorstellung, Geschlecht verdanke sich normierender Disziplinierungsverfahren, kollidiert mit Foucaults eigener zunehmender Skepsis gegenüber einer an der Disziplinargesellschaft orientierten Zeitdiagnose. Obwohl Foucault vielen diskursanalytisch orientierten gender-Ansätzen als wichtigste Referenz dient, haben diese die Weiterentwicklung seiner Machtanalytik und, damit verbunden, sein grundlegend verändertes Subjektverständnis, wonach dieses als hermeneutisches sich gerade nicht mehr um eine feststehenden Wahrheit herum konstituiert, kaum zur Kenntnis genommen. Nicht nur stellt sich deshalb die Frage, ob gender mit seinem Anliegen der Dekonstruktion von Geschlechternormen nicht etwas anvisiert, das seine gesellschaftliche Relevanz weitgehend verloren hat; es ist umgekehrt auch zu fragen, ob dessen radikalste Variante in queer mit seiner permanenten Suche nach einem Ausgeschlossenen nicht Bestandteil genau dessen ist, was Foucault als die Kontingenz einer stetig zu entziffernden Wahrheit bezeichnet.