Kampf um Anerkennung , Negation und Zwang

Abstract

Im Heft 4/2007 gab es in meiner Wahrnehmung viele differenziert nachdenkende und nur wenige vorab festgelegte Einlassungen zu unserer Debatte. An dieser Stelle möchte ich auf die Position von Susanne und Michael May eingehen, reklamieren wir doch gemeinsam eine psychoanalytische Position (Jessica Benjamin) und den Bezug auf die Anerkennungstheorie von Axel Honneth, was das Autorenduo mir freilich abzusprechen geneigt ist. Insofern sind hier zentrale theoretische Fragestellungen berührt. Bedient sich jeder von uns nur der Teile, die er brauchen kann, ohne Anspruch das Ganze der Theorie im Blick behalten zu wollen oder zu können? Ich glaube nicht. Beide Lager meinen ihren Hegel bzw. Honneth - oder viel schwieriger, weil noch heterogener und komplexer - ihre Psychoanalyse ordentlich verstanden zu haben...|
1467|Schwerpunkt|5|Lebensweltorientierte Orientierung in Widersprüchen||152|Die Verunsicherung sozialarbeiterischen Entscheidens angesichts von Kontingenzen und Ungewissheiten ist gegenwärtig professionstheoretisch ein zentral diskutiertes Thema. Anlass für diese Debatte ist die Diagnose von Unübersichtlichkeit, Offenheit und Komplexität. Hervorgehoben wird u.a. die Fraglichkeit der sozialpädagogischen Orientierungen, aber auch das Problem, dass SozialpädagogInnen ihre spezifische Professionalität nicht gegen politische oder andere professionelle Ansprüche durchsetzen können (vgl. Thiersch 1993). Mit Blick auf die Fraglichkeit von Orientierungen werde ich im Folgenden einen Interpretationsvorschlag dazu erörtern, was es heißt, sich zu orientieren, um das bei Verunsicherungen zugrunde liegende Orientierungsproblem genauer spezifizieren zu können. Daran anschließend werde ich in Rekurs auf ein Konzept, welches als Orientierungshilfe für die sozialpädagogische Berufspraxis entwickelt wurde, nachzeichnen, wie das Problem gedeutet wird und welche Lösungen thematisiert werden. Das von mir ins Zentrum gestellte Konzept ist das einer Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit von Hans Thiersch (1992). Da dieses Konzept als wissenschaftlich begründete Orientierungshilfe zu verstehen ist, werde ich dieses abschließend im Kontext sozialpädagogischer Reflexion verorten und auf einige Bedingungen des Konzeptes hinweisen. Deutlich wird dabei, dass das Konzept als Orientierungsangebot mit Versuchscharakter konzipiert ist, welches sich zukünftig noch bewähren muss. Damit aber ist, so meine These, das zugrunde liegende Orientierungsproblem gleichzeitig bearbeitet wie verkannt. Und es lässt sich zeigen, dass die Verkennung aus einem Vorverständnis sozialpädagogischer Berufspraxis resultiert, in der ein Bedürfnis nach Orientierung besteht, für dessen Befriedigung die Möglichkeit zukünftiger Bewährung als ausreichend angesehen wird. Diese Variante der Lösung, im Sinne einer Hoffnung auf Zukünftiges, ist ein spezifisch moderner Umgang mit Problemen (vgl. Cleppien 2007), der nicht in jedem Fall als hilfreich angesehen werden kann.|
1466|Schwerpunkt|4|Realität ist real und ist nicht real|Notate zu aktuellen Konjunkturen eines kritischen Realismus.|152|Theodor W. Adorno (19581: 64) fordert in seinen [em]Noten zur Literatur I[/em] vor 50 Jahren in Bezug auf den Roman: Will der Roman seinem realistischen Erbe treu bleiben und sagen, wie es wirklich ist, so muß er auf einen Realismus verzichten, der, indem er die Fassade reproduziert, nur dieser bei ihrem Täuschungsgeschäfte hilft. Was wirklich ist, die Objektivität der Dinge zu erreichen, dem freien Geist den Raum geben, der ihm keine Zuständigkeitserklärung abverlangt, darum würde es einem solchen, vielleicht als kritisch zu bezeichnenden Realismus gehen - und gerade nicht nur in seiner literarischen Form, wie sie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte, und auf die Adorno hier Bezug nimmt. Kritisch, weil ein solcher Realismus der Transformation des Bestehenden verpflichtet bliebe (vgl. Horkheimer 1937/1970). Ein solcher Realismus könnte nicht nur als kritisch bezeichnet werden, sondern im Anschluss an Alex Demirovics (1999: 674) Rekonstruktion der [em]Entwicklung der Kritischen Theorie[/em] könnte man ihn auch als antipositivistisch, antiontologisch und antiszientistisch bezeichnen. Der Blick auf aktuelle kritisch-realistische Ansätze lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob sie diesem Anspruch genügen können. Im Sinne des Schwerpunktthemas des vorliegenden Widersprüche-Heftes interessiert im weiteren Text deshalb, inwieweit anti-ontologische oder anti-essentialistische Perspektiven Teil kritisch-realistischer Ansätze darstellen oder darstellen könn(t)en.|
1465|Schwerpunkt|3|Kleine Verteidigung ontologischer Theorien in der Sozialen Arbeit||152|Diesem kurzen Beitrag geht es darum, eine ontologische Perspektive im sozialwissenschaftlichen und sozialpädagogischen Denken mit zwei Argumenten zu verteidigen: Erstens, weil sie wissenschaftstheoretisch richtig und zweitens, weil sie für die Soziale Arbeit - als zugleich wissenschaftlich und politisch-moralisch betriebenes Projekt - notwendig ist.|
1464|Schwerpunkt|2|Sozialpädagogische Theorie zwischen Analyse und Zeitdiagnose||152|Es dürfte Einigkeit darin bestehen, dass Theorien Sozialer Arbeit im Zeitverlauf einem vergleichsweise großen Wandel unterliegen. Überblickt man den historischen Verlauf der Positionen (vgl. etwa Niemeyer 2005; Marburger 1981; Dollinger 2006), so zeigen sich kulturelle und wissenschaftliche Moden, die sich in den Entwürfen niederschlagen - was sich auch für Versuche der Bestimmungen theoretischer Positionen sagen ließe. Anstelle einer kumulativen Wissensanhäufung richten sie sich auf aktuell erscheinende Perspektiven und etablieren Wissen, das eng an jeweils zeitgenössische Problemerfahrungen gebunden ist. Während einige Theorien auf relativ abstrakter Ebene basale Grundstrukturen sozialpädagogischer Theoriebildung herauszuarbeiten suchen und in diesem Sinne reflexiv angelegt sind, weisen andere Entwürfe ein hohes Maß an Zeitdiagnostik und -spezifik auf. Dies ist an sich für sozialwissenschaftliche Theorien nicht verwunderlich. Nach dem cultural turn sind objektivistische Theorien auf einem deutlichen Rückzug (vgl. Sack 2003), auch wenn gerade diese Wendung vor Augen führt, dass die resultierende Frage nach nicht-objektivistischen Theorievarianten ihrerseits einem zeitgebundenen Erkenntnisinteresse folgt. Man kann einer gegenwartsbedingten Perspektivität demnach nicht entkommen. Aber immerhin kann deren Bewusstheit es zulassen, selbstkritische Fragen zu stellen, die einer Aufklärung der Sozialpädagogik über ihre eigenen Wissensbedingungen dienlich sein können. Mit Blick auf die zeitdiagnostischen Anteile theoretischen Wissens soll dies im Folgenden angedacht werden.|
1463|Schwerpunkt|1|Hellsichtige Blindheit|Zur vermeintlichen sozialwissenschaftlichen Wende der sozialpädagogischen Theorie|152|Es ist eine im wissenschaftlichen Feld der Sozialen Arbeit inzwischen gängige Meinung, die eigene Wissensproduktion als 'sozialwissenschaftlich gewendet' zu bezeichnen (vgl. bspw. Gängler 1995, S. 29; Niemeyer 2003, S. 22). Diese Einschätzung soll im Rahmen des vorliegenden Beitrags angezweifelt werden. Wir beziehen uns dabei insbesondere auf den Schauplatz der sozialpädagogischen Theoriebildung. Unsere These lautet: Die aktuelle Theoriediskussion der Sozialen Arbeit zeichnet sich durch einen Modus der Argumentation aus, der sich [em]'ontologisch'[/em] plausibilisiert. Gelingt es, diese These zu untermauern, so stellt dies u. E. entschieden die herrschende Meinung zur Sozialwissenschaftlichkeit der Wissensproduktion in der Sozialen Arbeit in Frage.|
1457|Forum|6|Erziehung und Zwang||151|Die Debatte um Erziehung und Zwang ist wieder einmal eröffnet und löst wie immer die gleichen Assoziationsketten und darauf aufbauend geradezu reflexartige Positionierungen aus. Wie immer gibt es gute Gründe einige Fragen zum jetzigen Zeitpunkt auf keinen Fall zu stellen, Kolleginnen und Kollegen, die die gesellschaftlichen Zusammenhänge durchschauen und solche, die es immer noch nicht gecheckt haben, andere, die sich Denkverboten nicht unterwerfen wollen und so weiter. Gemeinsam haben fast alle Debattenschreiber, dass sie mutige Menschen sind: Die einen weil sie dem repressiven Zeitgeist weiterhin tapfer widerstehen, die anderen weil sie tapfer den Denkverboten der Kollegen trotzen. Ich hingegen möchte ganz gelassen begründen, warum Erziehung ohne Zwang nicht möglich ist, dass der intendierte Einsatz von Zwang aber immer pädagogische Legitimation erfordert - und wie diese hergestellt und kritisch geprüft werden kann - und warum der Einsatz körperlicher Überlegenheit immer heikel ist und trotzdem unter bestimmten Bedingungen entwicklungsfördernd sein kann.|
1456|Schwerpunkt|5|Individuum und Kritik|Von der Wert-Orientierung zur Gebrauchswertorientierung|151|Die Erfahrungen von Prekarisierung sind auf der Seite der Professionellen der Sozialen Arbeit relativ früh und nachhaltig angekommen. Es bleibt eine offene, empirische Frage, ob durch den Kampf um Anerkennung (und Eigenständigkeit) als eine Menschenrechtsprofession und durch Wert-Orientierungen Sozialer Arbeit auch eine Orientierung am Interesse der Leute generiert wird, sich als ein Individuum mit einem eigenen Leben zu erfahren. Mehr Chancen, die Interessen an einem eigenen Leben in verschiedenen gesellschaftlichen Positionen zu verbinden, bietet ein Perspektivenwechsel: von der Wert-Orientierung zur Gebrauchswert-Orientierung.|
1455|Schwerpunkt|4|Kinderrechte und Soziale Arbeit||151|Dieser Beitrag fragt nach dem Verhältnis von Kinderrechten und Sozialer Arbeit. Im Hintergrund verbirgt sich eine Fragestellung, welche - in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgeworfen - bis heute offenkundig die Gemüter nicht besonders erhitzt. Ist Soziale Arbeit eine Menschenrechtsprofession? Ist folglich die Kinder- und Jugendhilfe von den völkerrechtlichen Bestimmungen der Kinderrechtskonvention her zu bestimmen? Menschenrechte sind in diesem Land und für unsere eigene, auch nationale Selbstverständigung nicht eine derartige Herausforderung, als dass sie - obzwar im Allgemeinen für richtig gehalten - die Frage nach dem je eigenen beruflichen Selbstverständnis nachhaltig zu beunruhigen oder gar auszuloten versprechen würden.|
1454|Schwerpunkt|3|Menschenrechte als Bezugsrahmen in der Sozialen Arbeit| Eine kritische Diskussion der ethisch-anthropologischen, fachwissenschaftlichen, sozialpolitischen und sozialphilosophischen Dimensionen|151|Dieser Aufsatz geht folgender These nach: Grundlage der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit. Davon geht die Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit spätestens seit der entsprechenden Proklamation der International Ferderation of Social Workers (IFSW) von 2000 - Principles of human rights and social justice are fundamental to social work - aus (IFSW: Definition of Social Work). Doch um welche Art von Grundlage handelt es sich dabei genau? Und in welchem Verhältnis stehen Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit zueinander?|
1453|Schwerpunkt|2|Den Menschenrechtsdiskurs in der Sozialen Arbeit|vom Kopf auf die Füße stellen|151|Den Diskurs über Soziale Arbeit und Menschenrechte gibt es und angesichts der Geschichte der Sozialen Arbeit in Deutschland muss man sagen: Immerhin und Gott sei Dank - aber er ist eben weithin ein Diskurs geblieben, der seine abstrakte Ebene kaum verlassen hat und an dem viele Kolleginnen und Kollegen in der Alltagspraxis diverser Berufsfelder nicht beteiligt sind. Das belegen auch meine eigenen Beobachtungen, die sich im Laufe der Zeit zu diesem pessimistischen Befund verdichtet haben.|
1452|Schwerpunkt|1|Menschenrechte in ihrer Relevanz für die Soziale Arbeit als Theorie und Praxis|oder: Was haben Menschenrechte überhaupt in der Sozialen Arbeit zu suchen?|151|Hintergrund für diesen Beitrag ist der Masterstudiengang in Sozialer Arbeit Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession (MSW) in Berlin. Dabei lege ich den Schwerpunkt auf folgende Fragestellung: Was ist die Legitimationsgrundlage für einen solchen Studiengang und welche Konsequenzen hat die Einführung der Menschenrechtsthematik in Ausbildung und Praxis Sozialer Arbeit?|
1447|Forum|7|Über Gewissenlosigkeit|Einige Gedanken im Anschluss an den Mord in der Justizvollzugsanstalt Siegburg|149|Das Gewissen ist eine innere Instanz, die unser Handeln mit eigenen und fremden Ansprüchen, Normen und Bedürfnissen abgleicht. Diese Instanz ist in der Moderne – insbesondere durch das Denken von Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud – in Verruf geraten. Doch die Freiheit vom Gewissen, die Gewissenlosigkeit, stellt mitnichten eine Befreiung dar, sondern eine existentielle Bedrohung unseres Zusammenlebens. Der Mord von Siegburg führt uns vor, wozu Menschen fähig sind, wenn das Gewissen nicht mehr funktioniert, er führt uns allerdings auch vor, dass Strafvollzug Gewissenlosigkeit begünstigt wenn nicht gar selbst erzeugt.|
1446|Schwerpunkt|6|Populistische Pädagogik und das Unbehagen in der punitiven Kultur||149|Wer über einen Begriff von Strafe (als Leidzufügung, Unterwerfung, eliminatorische Ausschließung, Demonstration von Überlegenheit, Darstellung von Herrschaft) und einem Begriff von Disziplinierung (in der ganzen Palette ihrer Techniken) verfügt, kann keine Legitimation von Zwang konstruieren. Als Beitrag für eine wissenschaftliche Kontroverse wird eine Aktualisierung des Wissens über Strafe und Disziplinierung gewählt. Dieses Wissen kann nur zur Kontrolle der Benutzung von Zwangsmitteln verwendet werden. Wissen über Strafe und Disziplinierung stellt eine Ressource für die Weiterentwicklung des noch vorhandenen praktischen und theoretischen Unbehagens in der punitiven Kultur dar. Professionalisierung von Zwangselementen ist nicht nur ein logischer Widerspruch: diese Rationalisierung entgrenzt den Zwang und ermächtigt zu seiner Nutzung. |
1445|Schwerpunkt|5|Beziehung durch oder trotz Zwang?|Ambivalente Erfahrungen aus dem pädagogischen Alltag geschlossener Unterbringung von Mädchen|149|Geschlossene Heime oder freiheitsentziehende Maßnahmen sind zwar grundsätzlich eindeutige Zwangsmaßnahmen, eine Betrachtung von Selbstaussagen ehemals geschlossen untergebrachter Mädchen zeigt jedoch die große Komplexität und Ambivalenz auf, mit der pädagogische Beziehungen in einem solchen Kontext zu betrachten sind.|
1444|Schwerpunkt|4|Pädagogik als Subjekt-Subjekt-Dialektik denken|Eine Antwort auf Mathias Schwabe|149|Wenn Mathias Schwabe daran erinnert, dass pädagogisch motivierte Eingriffe nicht losgelöst von der Erfahrung derjenigen beurteilt werden können, die dadurch erzogen werden sollen, dann rückt er damit etwas ins Bewusstsein, was Konsens in so höchst unterschiedlichen Theorien ist, wie der Psychoanalyse (vgl. z.B. Trescher 1985), der Systemtheorie Luhmannscher Prägung (vgl. z.B. Luhmann/Schorr 1982), den verschiedenen Ansätzen eines (radikalen) Konstruktivismus (vgl. z.B. von Schlippe/Schweitzer 2002 sowie Watzlawick 1992), Ansätzen einer Theorie der Selbstregulierung (vgl. z.B. Negt 1986 sowie May 2004) oder dem theoretischen Versuch, Soziale Arbeit als Produktion Sozialer Dienstleistung zu rekonstruieren (vgl. z.B. Schaarschuch 1996). Sehr viel weniger scheint dies in aktuell populären Konzepten Berücksichtigung zu finden, sei es nun aus dem Bereich der so genannten Konfrontativen Pädagogik (vgl. Weidner/Kilb 2004) oder der pädagogischen Wendung von Strategien des angeblich gewaltfreien Widerstandes (vgl. Ômer/von Schlippe 2002)...|
1443|Schwerpunkt|3|Zwang in der Erziehung und in den Hilfen zur Erziehung||149|Ich bin dankbar darüber in diesem Heft meine Position darstellen zu können und hoffe, dass es nicht bei einem einmaligen Schlagabtausch bleibt, sondern das argumentative Ringen in eine zweite und dritte Runde geht wie das bei der Dienstleistungsdiskussion (1996) oder der Diagnose-Debatte (2005) gelungen ist. Diese Hefte der Widersprüche zählen für mich zu den Höhepunkten sozialpädagogischer Diskussionskultur in Deutschland. Mein Text besteht aus vier Punkten: Zu Beginn versuche ich zu begründen, warum es mir wichtig ist, offen über Zwang als Erziehungsmittel nachzudenken (1). Anschließend schildere ich an einem Beispiel aus der Praxis eine typische Herausforderungssituation für ForscherInnen, aber auch Vertreter von Jugendhilfeverbänden etc. (2). Das dritte Kapitel stellt das theoretische Zentrum meines Aufsatzes dar: hier will ich zeigen, warum einzelne Begegnungen mit Zwang für die Überwindung und Weiterentwicklung von kindlichen Omnipotenzphantasien und Autonomieillusionen bedeutsam sind (3). Zum Abschluss stelle ich einige Überlegungen darüber an, wie ein auch durch fachliche Standards kontrollierter Umgang mit Zwangselementen im Heim aussehen kann (4). Auf die zum Teil sehr detaillierten Untersuchungsergebnisse aus unserem Projekt in Bezug auf Auszeiträume oder zeitweilig verschlossene Türen etc. kann ich hier nicht eingehen (Evers/Schwabe/Vust 2007, S.92-108).|
1442|Schwerpunkt|2|Zum Themenheft Zwang - ein offener Brief||149|Lieber Timm, danke für Deine Einladung zur Beteiligung an der Diskussion über Zwang in der öffentlichen Erziehung. Die Diskussion ist notwendig und es freut mich, dass gerade die Widersprüche Gelegenheit geben, sie offener als bisher zu führen. Dein Brief vom 06.05.2007. ist zwar nicht gerade der des Moderators zwischen unterschiedlichen Positionen. Denn wenn es das Schlimme ist, dass fortschrittliche Protagonisten der Heimerziehung Begleitforschung betreiben um den Einsatz von Zwangsmittel zu rechtfertigen, wer mag da noch widersprechen wollen? Da ich aber weiß, dass Du in einer solchen Diskussion gar kein unparteiischer Moderator sein willst und andererseits Widerspruch wirklich schätzt, was auch für Widersprüche gilt (mehr als für andere bekannte Zeitschriften), so wage ich es trotzdem. Ich muss aber zunächst etwas ausholen...|
1441|Schwerpunkt|1|Zwang in öffentlicher Erziehung|Einladung zur Diskussion|149||
1435|Forum|6|Soziale Arbeit unter postfordistischen Vorzeichen|Ein Beitrag zur Professionalisierungsdebatte|148|Dieser Beitrag beleuchtet die empirische Grundlage von zwei Positionen, die sich in der Fachdiskussion der Sozialen Arbeit gegenüber stehen. Die eine Position geht vom Rückbau des Sozialstaates im Zuge einer sich globalisierenden Wirtschaft aus, während die andere Position ein neues Zeitalter des Sozialstaates anbrechen sieht, bei dem dieser wichtiger denn je wird. Diese beiden Positionen werden mit Länder vergleichenden empirischen Daten konfrontiert. Vor diesem Hintergrund argumentiert der Beitrag, dass beide dieser Positionen wohl in Teilen Recht haben, jedoch die Grund legende Transformation des Sozialstaates nicht vollständig erfassen können. Vier Grundtendenzen werden zweiten Teil des Beitrags ausgemacht, die alle Grund legende gesellschaftliche Integrationsmechanismen, wie sie sich während des Fordismus etabliert haben, zu unterlaufen drohen. Diese Entwicklungen haben direkte Konsequenzen für die Soziale Arbeit, ihre Form, ihren Auftrag, sowie ihr Selbstverständnis. Die neuere Professionalisierungsdiskussion der Sozialen Arbeit hat diese Entwicklung in den Blick zu nehmen, wenn sie nicht einfach nur die bisherigen Privilegien der Sozialen Arbeit verteidigen will.|
1434|Schwerpunkt|5|Die Aktualität des Todestriebes||148|In John Updikes neuem Roman Terrorist soll die schwarze Freizeitprostituierte Joryleen ihren ehemaligen Schulkameraden Ahmed, Sohn einer amerikanischen Irin und eines flüchtigen Ägypters, auf Geheiß seiner Arbeitgeber, fundamentalistischer libanesischer Möbelhändler, verführen. Dabei entspinnt sich folgender Dialog entspinnt: Manchmal so gesteht ihr Ahmed, als sie gemeinsam – er angezogen, jedoch erregt und erigiert, sie nackt – auf der Matratze eines Möbellagers in New Jersey liegen manchmal ist in mir so eine Sehnsucht, mich mit Gott zu vereinigen, um seine Einsamkeit zu lindern..., worauf ihm Joryleen antwortet: Zu sterben meins du? Du machst mir schon wieder Angst, Ahmed, wie geht’s denn dem Steifen da, der mich ständig stupst. Nach seinem ersten Sexualakt habe sich der bis dahin jungfräuliche Ahmed, so der Erzähler, von seiner Ejakulation so müde gefühlt, dass die Vorstellung er könnte zu Bett gehen und nie mehr aufwachen, keinen Schrecken für ihn besitzt.|
1433|Schwerpunkt|4|Scharnier oder Schablone?|Zum Verhältnis gesellschaftlicher und individueller Begriffe bei Herbert Marcuse|148|Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Art, wie Marcuse das Verhältnis von Individuen und Gesellschaft konzipiert und untersucht die Frage, inwieweit Marcuses Intuitionen auch noch heutige Gesellschaftstheorie befruchten können. Dazu beschreibe ich weniger den genauen Aufbau und die Grund legenden Thesen von Marcuses Werk Triebstruktur und Gesellschaft, sondern wende mich allgemeiner der Architektur zu, die in Marcuses Theorie Gesellschaft und Individuen vermittelt. Der Einwand, Marcuse beschreibe Gesellschaft von außen, ohne seine Theorie mit dem subjektiven Sinn der vorhandenen geteilten Lebenspraktiken in Beziehung zu setzen, ist allerdings schwerwiegender. Entsprechend untersuche ich einige weitere Ansätze darauf, ob sie diesem Problem entgehen und gleichzeitig die theoretischen Intentionen Marcuses aufrechterhalten können. Abschließend entwickele ich einige Bedingungen, die eine Aktualisierung von Marcuses Ansatz erfüllen müsste.|
1432|Schwerpunkt|3|Marcuse und die Natur der Gesellschaft|Kritik und Kritik der Kritik aus selbstregulationstheoretischer Perspektive|148|Der Beitrag versucht anhand einer ausführlichen Rekonstruktion von Marcuses Werk Triebstruktur und Gesellschaft nachzuweisen, dass die von Fabian Kessl und Holger Ziegler formulierte Kritik an der Pointe der Marcuseschen Argumentation vorbeigeht. Aufgenommen von dieser Kritik wird, dass Marcuses auf Freud gestützte Argumentation selbst einigen Mystifikationen anheim fällt. Gezeigt werden soll, dass eine selbstregulationstheoretische Reformulierung diese nicht nur zu überwinden, sondern damit zugleich die von Marcuse erhobenen Ansprüche an eine kritische Theorie der Natur der Gesellschaft konsequenter als dieser selbst einzulösen vermag.|
1431|Schwerpunkt|2|Zur politischen Regulation des Begehrens||148|Herbert Marcuses Zeitdiagnose in [em]Triebstruktur und Gesellschaft[/em] scheint 50 Jahre nach deren erstmaligen Publikation stimmiger denn je. Mit Blick auf die heutigen Formationen sozialer Zusammenhänge stellt sich dem Leser bei der Re-Lektüre sogar schnell die Frage, ob Marcuse mit seiner damaligen Analyse nicht seiner Zeit eher noch voraus war: Die von Marcuse 1955 unter triebtheoretischer Perspektive analysierte westliche Kultur, die nicht nur die soziale, sondern auch [die] biologische Existenz des Menschen unterjoche (Marcuse 1955/1965: 17), scheint sich in den fortgeschritten-kapitalistischen und -liberalen Arrangements in einer Weise radikalisiert zu haben, dass man Marcuses Diagnose als nachträglich bestätigt lesen kann. Schließlich steht im Zentrum aktueller neo-liberaler Programmierungen und entsprechender Re-Strukturierungen sozialer Zusammenhänge gerade ein Regieren über die Freiheit der Gesellschaftsmitglieder – eine Regulierungslogik, die Marcuse schon 1955 zu beschreiben scheint, wenn er von einem Kampf der Kultur gegen diese Freiheit spricht (ebd.: 20). Die kulturellen Radikalisierungen der letzten 50 Jahre könnten also mit Marcuse als konsequente Fortführung des Fortschritt[s] der Kultur bestimmt werden – einer Kultur, die, so Marcuse damals im direkten Anschluss an Sigmund Freud, zum Freiwerden zunehmend zerstörerischer Kräfte führt (ebd.: 58).|
1430|Schwerpunkt|1|Das Gesellschaftliche und das Unbewusste||148|Der Beitrag plädiert für den Versuch, einen genuin sozialpsychologischen Zugang im Kontext gesellschaftstheoretischer Fragestellungen erneut zu stärken. Das damit verbundene analytische Potenzial, das von den Vertretern der Frankfurter Schule und einer Kritischen Theorie der Gesellschaft immer schon selbstverständlich in Dienst genommen werden konnte, bleibt heute weit gehend unausgeschöpft. Von dem Ansatz Marcuses ausgehend wird der Blick auf die Konstituierung des Unbewussten versucht. Die Aktualisierung zeigt, dass dabei nicht der ethologische, sondern vielmehr der sozialkonstruktivistische Gehalt des Konstrukts Trieb heute noch Geltung beanspruchen kann. Umso mehr kommt damit in den Blick, wie weit gesellschaftliche Verhältnisse die natürliche Konstitution von Individuen prägen, bis in die Wünsche und Präferenzen hinein. Zentral für eine sozialpsychologische Erweiterung des soziologischen Fokus‘ ist nicht zuletzt deshalb, die Analyse von Triebstrukturen mit der Analyse von Herrschaftsstrukturen zu parallelisieren. Nur dann werden sowohl der antiessentialistische wie auch der herrschaftskritische Impuls der Kritischen Theorie gleichermaßen bewahrt. Als eine Möglichkeit, hier mit neueren Theoriekonzepten anzuschließen, stellen wir die Soziologie Pierre Bourdieus in die hier dargelegte Tradition Kritischer Theorie.|
1427|Magazin|10|Das Gesicht der WIDERSPRÜCHE|Walburga Freitags Fotografien|147||
1422|Forum|5|Neue Lerndienstleistungen|Kritische Gedanken zu einem bildungspolitischen Programm|147|Die folgenden Überlegungen nehmen die Verschränkung zwischen der Veränderung von Sprache und der Umgestaltung des Bildungswesens am Beispiel des Begriffs [em]neue Lerndienstleistung[/em] exemplarisch in den Blick. Zunächst skizzieren wir den bildungspolitischen Kontext, um dann an einem Beispiel nachzuzeichnen, wo und wie ein neuer Begriff entsteht, wie er sich verbreitet bzw. wie er verbreitet wird und welche Denkweisen explizit oder implizit damit vermittelt werden. Anschließend nähern wir uns dem Begriff aus drei Perspektiven, die durch seinen praktischen Gebrauch in unterschiedlichen professionellen Feldern des Bildungswesens geprägt sind. Wir schließen mit einem knappen Kommentar zur Rolle der Erziehungswissenschaft.|
1421|Schwerpunkt|4|Unterschiede machen - Subjektbezogene Erforschung von Differenzproduktion|Einblick in methodische Herangehensweisen|147|Anhand von zwei Herangehensweisen aus der pädagogischen Arbeit - Arbeit mit/an Bildern und Zugehörigkeiten - werden in diesem Beitrag methodische Möglichkeiten und Verfahren der Erforschung von Differenzproduktion unter Einbeziehung der Perspektive, der Erfahrungen und Deutungen der handelnden und differenzproduzierenden Subjekte dargestellt und ihr Potential für subjektbezogene Forschung diskutiert.|
1420|Schwerpunkt|3|Zur (Re-)Produktion sozialer Differenzen auf der Ebene von Kultur und Geschlecht|Grundpfeiler eines theoretischen Bezugsrahmens|147|Um die herrschaftlichen Aspekte sozialer Prozesse der (Re-)Produktion von und des Umgangs mit Differenz besser in den Blick zu bekommen knüpft der Beitrag in kritischer Weise an den methodologischen Überlegungen Bordieus an und versucht darüber hinaus eine Vermittlung zwischen den Konzepten von Hegemonialer Männlichkeit und Whiteness sowie Nancy Frasers Theorie einer Politik der Bedürfnisinterpretation.|
1419|Schwerpunkt|2|Wir sind doch alle ein bisschen diskriminiert!|Diversity-Ansätze in der politischen Bildungsarbeit|147|Die Bezeichnung 'Diversity' ist im Bereich der politischen Bildungsarbeit inzwischen weit verbreitet. Darunter werden sehr verschiedene und durchaus auch sehr heterogene Herangehensweisen gefasst, die von einem diffusen alles so schön bunt hier bis zu dem Versuch reichen, der Komplexität von Machtverhältnissen gerechter zu werden und vielfältige Zugehörigkeiten und Diskriminierungsformen einzubeziehen. In diesem Beitrag soll es um die Frage gehen, welche Chancen dieser Ansatz für eine emanzipatorische Praxis bieten kann und wo Herausforderungen und Knackpunkte liegen.|
1418|Schwerpunkt|1|Rassismus- und Missachtungskritik als regulative Referenz der Migrationsgesellschaft||147|Der allgemeine Diskurs um Themen und Topoi wie Ausländer, Fremde, Migration, Integration, unsere ausländischen Mitbürgerinnen intensiviert sich in Deutschland etwa mit den 1980erJahren Dieser Diskurs wird zunächst - im Sinne einer stichwortartigen Einstimmung - in Erinnerung gerufen. Anschließend geht es darum, dass sich Pädagogik im Zusammenhang von Migration und Integration immer in der Spannung befindet, auf der einen Seite sich nicht allein die Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse zum Maß pädagogischen Handelns und Deutens zu machen, sie aber auf der anderen Seite immer auch die Unumgänglichkeit des Bezugs auf nationalgesellschaftliche Realität berücksichtigen muss. Vor diesem Hintergrund wird universeller regulativer Ansatz in einer negativen Fassung der Kritik angesprochen und in Hinblick auf pädagogische Bezüge erläutert.|
1413|Forum|8|Garantiertes Mindesteinkommen|eine Forderung für alle(s)?|146|Im Folgenden wird für die soziale Weiterentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) zu einem garantierten Mindesteinkommen argumentiert. Ich beginne mit der Diagnose der Arbeitsmarktkrise. Es folgt die Würdigung der Hartz-Initiative, welche Lohnsubventionen neu strukturiert und den Niedriglohnsektor ausdehnt. In einem dritten Schwerpunkt sind die vorläufigen Ergebnisse der Arbeitsmarkt- und Sozialreformen darzustellen. Zahlen sich die harten sozialen Einschnitte letztendlich für das Gemeinwohl aus? Erwerbsarbeit behält ihre Prägekraft für individuelle Lebensentwürfe. Daher sind Brücken zwischen dem Erwerbsleben in allen Lebensphasen offen zu halten. Viertens geht es um die Frage, ob und inwieweit sich aus Hartz IV ein garantiertes Mindesteinkommen mit sozialem Antlitz entwickeln ließe. Dazu braucht es neue Perspektiven und konkrete Umsetzungsschritte.|
1412|Schwerpunkt|7|Substitutionsbehandlung für OpiatkonsumentInnen:|Der lange Weg zum Erfolg!|146|Nach einer langen und kontroversen Debatte wurde die Substitutionsbehandlung für Opiatabhängige (damals v.a. mit Methadon) erstmalig 1987 systematisch in Deutschland eingeführt (Newman 1988; Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen). Zwanzig Jahre später beläuft sich die Zahl der Substituierten auf ca. 65.000, bei einer Gesamtzahl von geschätzten 120-150.000 OpiatkonsumentInnen (Bätzing 2006). Rückblickend lässt sich diese enorme Steigerung in der Zahl der Substitutionsbehandlungen und eine weitgehende Akzeptanz dieser Behandlungsform in Deutschland u.a. durch den Erfolg erklären, die die Akzeptanz sowohl unter Politikern, Fachleuten, Ärzte erhöht haben. Für all diejenigen, welche die Anfänge, d.h. die ‚Glaubenskriege' und Auseinandersetzungen um Methadon erlebt haben, scheint die gegenwärtige Zahl der Substitutionsbehandlungen durchaus ein Erfolg zu sein. Doch selbst angesichts der relativ hohen Zahl der mit dieser Behandlung erreichten OpiatkonsumentInnen ist ihr Potential längst nicht ausgeschöpft - sowohl in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht. Noch immer gibt es eine erhebliche Behandlungslücke zwischen denjenigen, die eine Substitutionsbehandlung erhalten wollen, und der Anzahl der Plätze. Woran liegt das? Sperrt sich das Behandlungssystem noch immer gegen Substitution? Gibt es zu wenige Ärzte? Und wenn ja, warum? Lässt sich kein Geld damit verdienen? Gibt es zu viele rechtliche Unsicherheiten für die Ärzte? Haftet der Suchtmedizin noch immer das Stigma der ‚Schmuddelmedizin' an? Im Folgenden sollen einige ausgewählte Aspekte der Substitutionsbehandlung vorgestellt werden, die verdeutlichen, warum diese erfolgreiche Behandlungsform noch immer gebremst wird, und warum wir noch meilenweit von einer ‚normalen Behandlung' von opiatabhängigen Menschen entfernt sind.|
1411|Schwerpunkt|6|Exkludierende Toleranz oder:|Der halbierte Erfolg der akzeptierenden Drogenarbeit|146|Der Umgang mit illegalisierten Drogen wurde im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts im wesentlichen durch zwei drogenpolitische Ansätze bestimmt: Hatte man bis in die 80er Jahre hinein in DrogenkonsumentInnen vor allem Kriminelle gesehen, die Gesetze übertreten hatten und daher bestraft werden mussten, so trat seit Mitte der 80er und vor allem in den 90er Jahren zunehmend das Bild von DrogenkonsumentInnen als Suchtkranken in der Vordergrund, Menschen also, die behandelt und geheilt werden sollten. Dieser bis heute jedoch nicht umfassend vollzogene Wechsel stand in engem Zusammenhang mit der Erstarkung der akzeptierenden Drogenarbeit, die sich insbesondere für die Interessen der DrogengebraucherInnen stark machen, ihre Selbsthilfe stärken und langfristig eine Liberalisierung der Drogenpolitik erreichen wollte. Aber obgleich die akzeptierende Drogenarbeit mittlerweile als etablierte Form der Drogenhilfe bezeichnet werden muss, darf diese Etablierung allenfalls als halbierter Erfolg gewertet werden.|
1410|Schwerpunkt|5|Was macht Depression zur Volkskrankheit?|Über die Karriere einer Diagnose|146|Kürzlich haben steigende Zahlen auf dem Gebiet der psychischen Krankheiten, insbesondere der Depression für öffentliches Aufsehen gesorgt. Nicht nur einige Krankenkassen begannen nach Belegen für die Verschlechterung der psychischen Gesundheit zu suchen, die Rentenversicherungen, wie auch die Gesundheitsberichterstattung des Bundes belegten einen dramatischen Anstieg der Diagnose ‚Depression' in diesem Land. In mehreren Städten wurden von Medizinern Kompetenznetzwerke zum Thema Depression gegründet, Patienteninitiativen arbeiten seither Hand in Hand mit Psychotherapeutenpraxen an einer Enttabuisierung des Themas. Inzwischen hat sich die erste Aufregung gelegt, die Depression ist aus den Schlagzeilen verschwunden, nicht ohne sie inzwischen zur Volkskrankheit erklärt zu haben. Der Tatbestand wurde in der breiten Öffentlichkeit nicht in Frage gestellt, scheint die Feststellung der Diagnose doch mit der Alltagserfahrung zusammenzustimmen, nach der immer mehr Menschen im eigenen Lebensumfeld niedergeschlagen, einsam und perspektivlos sind. Der Griff zum Psychopharmakon, der Gang zum Therapeuten sind zum überlebensnotwendigen Normalfall geworden. Die Medikalisierung sämtlicher Seelenzustände ist im Gange und hat mit der Propagierung der Depression als Volkskrankheit einen entscheidenden Etappensieg errungen. Was diesen Sieg eher zu einer Gefahr, denn zu einem Segen macht - dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden.|
1409|Schwerpunkt|4|Institutioneller Einschluss ist keine Antwort auf sozialen Ausschluss|Wider die murale Entsorgung sozialer Probleme in Deutschland. Kritische Anmerkungen zum 1. Heimbericht der Bundesregierung|146|Obwohl der Grundsatz ambulant vor stationär bereits 1984 als explizite Rechtsnorm ins Sozialhilferecht und später auch in andere einschlägigen Rechtsvorschriften aufgenommen wurde, reagiert das deutsche Sozialwesen bis heute auf das Risiko gesellschaftlichen Ausschlusses durch soziale Probleme, wie Behinderung, Alter, Pflegebedürftigkeit etc., in den weitaus meisten Fällen nicht durch Hilfen, die geeignet sind, sozialen Ausschluss zu vermeiden oder zu überwinden, sondern durch institutionellen Einschluss in stationären Einrichtungen mit der Konsequenz der institutionellen Verfestigung und Verstetigung des Ausschlusses. Um in diesen Einrichtungen wenigstens gewisse Mindeststandards bundeseinheitlich abzusichern, verabschiedete der Bundesgesetzgeber 1974 das Heimgesetz. Seit 2002 schreibt dieses Gesetz außerdem vor, dass das zuständige Fachministerium den gesetzgebenden Organen alle vier Jahre einen Heimbericht vorlegt, den ersten im Jahr 2004. Dieser liegt nun seit dem 23. Oktober 2006 mit zweijähriger Verspätung der Öffentlichkeit vor. |
1408|Schwerpunkt|3|Psychotherapie für Erwerbslose - Hilfe oder Illusion?||146|Die Zusammenhänge zwischen Erwerbslosigkeit und schlechter psychischer Befindlichkeit bei den Betroffenen sind seit längerer Zeit belegt und finden seit Neuerem auch Eingang in die Gesundheitsreporte der Krankenkassen. Ist also Psychotherapie für Erwerbslose die adäquate Antwort auf dieses Problem? Der Artikel zeigt zunächst die Hürden auf, die beim Zugang zu dieser Versorgungsleistung überwunden werden müssen, um dann zu begründen, inwiefern auch die strukturellen Merkmale von Psychotherapie diese nicht zu einem geeigneten Unterstützungsangebot machen. Zum Abschluss wird auf die gewandelte Funktionalität von Psychotherapie im Rahmen der postfordistischen gesellschaftlichen Restrukturierung eingegangen.|
1407|Schwerpunkt|2|Gesundheit in der entsicherten Arbeits(losen)gesellschaft||146|Die Deutschen fehlen so selten wegen Krankheit am Arbeitsplatz wie nie zuvor und sind damit die gesündesten Europäer meldet die Süddeutsche Zeitung am 19.04.2006 und beruft sich dabei auf die Zahlen des jährlichen BKK Gesundheitsreports, der einen neuen historischen Tiefstand seit Beginn der BKK Statistik (1976) (BKK Bundesverband 2005, S. 8) konstatiert. Die Lohn(nebenkosten) zahlenden Unternehmen deuten diese Entwicklung ex-post als empirische Bestätigung ihres Verdachts, dass auf Kosten des solidarischen Gesundheitssystems - gemeint sind damit die Unternehmen selbst - immer schon zu viel Blau gemacht wurde. Dagegen lehnen Gesundheitsforscher die nahe liegende Schlussfolgerung ab, aus diesem Rekord im Durchhalten (Schiegl 2006, S. 22) einen Indikator dafür zu machen, dass die Arbeitsbevölkerung tatsächlich insgesamt auch weniger krank bzw. gesünder ist. Im Gegenteil, denn viele können sich krankheitsbedingte Ausfälle vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsmarktlage offenbar nicht (mehr) leisten und arbeiten auch in einer körperlichen Verfassung, mit der sie früher eher einen Arzt aufgesucht hätten.|
1401|Forum|7|Gefährliche Pädagogik|Kritische Bildung in neoliberalen Zeiten|144|So früh wie kaum ein anderer hat sich der italienische Marxist und Sozialphilosoph Antonio Gramsci in seinen Gefängnisheften der Frage gewidmet, wie Bildung das Alltagsbewusstsein der Subjekte prägt und einen überindividuellen Gesellschaftscharakter schafft. Unter kritischer Bezugnahme auf Antonio Gramsci hinterfragt dieser Beitrag den aktuell vorherrschenden Bildungs- und Subjektdiskurs. Er diskutiert den Zusammenhang von Subjektivität, Bildung und Gesellschaft und untersucht, was kritische Bildung vor dem Hintergrund einer neoliberal affizierten Gesellschaft noch bedeuten kann.|
1400|Schwerpunkt|6|Die Neuen Arbeitnehmer und der neue industrielle Konflikt|Herausforderungen für die gewerkschaftlichen Strategien|144|Seit den neunziger Jahren verlieren die großen Gewerkschaften vor allem in moderneren Branchen an Mitgliedern. Dies hängt nicht zuletzt mit dem erheblichen Strukturwandel zusammen, der sich bei den Beschäftigten vollzieht. Un- und angelernte Arbeitskräfte, die meist zur gut organisierten StamDer folgende Text gibt im Sinne eines ausführlichen Editorials eine Einführung in das Heft. Die unter verschiedenen Überschriften debattierten aktuellen sozialen Fragen im Kontext von Arbeiten, Einkommen und Existenzsicherung werden vorgestellt. Die Betrachtung der jüngeren Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen bildet dabei den Schwerpunkt. Vor diesem Hintergrund wird die Diskussion der Redaktion der WIDERSPRÜCHE zu diesem Thema seit den 1980er Jahren rekapituliert. Abschließend werden Fragen zur weiterführenden Debatte und Maßstäbe für politische Einmischungen formuliert.mklientel der IG Metall gehören, nehmen immer mehr ab, während der Angestelltenbereich mit gut qualifizierten Fachkräften, die zunehmend auch über akademische Berufsabschlüsse verfügen, stark angewachsen ist. Hier konnte die IG Metall bislang nicht in ausreichendem Maße Mitglieder gewinnen. Im Metall- und Elektrosektor sind die Angestellten auf mehr als die Hälfte der Beschäftigten gewachsen, ihre Mitgliedschaft in der IG Metall stagniert aber um die 17 %. In den schrumpfenden Bereichen der taylorisierten Massenarbeit sind mehr als 40 %, in den wachsenden moderneren Facharbeitermilieus um die 26 % gewerkschaftlich organisiert. Diese Zahlen liegen im internationalen Vergleich zwar eher in der Mitte. Aber warum nehmen die Mitglieder gerade in modernen Branchen ab, wo die Arbeit qualifizierter und eigenverantwortlicher wird? Schwächt sich im Zuge einer Individualisierungstendenz der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit ab? Oder nimmt dieser Gegensatz durch die doppelte Umstrukturierung (Höherqualifizierung und globale Konkurrenz) nur eine neue Form an? Bzw. sind die Gewerkschaften in ihrem Kommunikationsstil und ihren Tarifstrategien noch zu sehr der alten, gering qualifizierten Arbeiterschaft verhaftet, die ihre Identität in der körperlichen Arbeit und der kollektiven Kampfkraft suchte? |
1399|Schwerpunkt|5|Kombilohn - Niedriglohn - Mindestlohn||144|16. August 2002, 11:00 Uhr, Berlin, Französischer Dom - mit einem beispiellosen Brimborium überreicht der Vorsitzende der nach ihm benannten Kommission, Dr. Peter Hartz, Bundeskanzler Schröder vor einer Schar geladener Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das Gutachten Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Bei einer eins zu eins Umsetzung der 13 Module des Gutachtens, so hieß es seinerzeit, ließe sich die registrierte Arbeitslosigkeit binnen drei Jahren bis Ende 2005 um rd. zwei Millionen Personen reduzieren. Da so gut wie alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen in die Arbeit der Kommission einbezogen worden waren und am Ende ein konsensuales Ergebnis vorgelegt wurde, fanden Stimmen, die den Kaiser nackt wähnten, kaum öffentlich Gehör. Aus dem gewerkschaftlichen Umfeld wurde gar die beruhigende Botschaft verbreitet, man habe mit der erfolgreichen Einflussnahme auf die Ausrichtung der gutachterlichen Ergebnisse weiteren Sozialabbau verhindert.|
1398|Schwerpunkt|4|Familienbande als Rettungsring!?||144|Der Bundestag hat am 17. Februar 2006 Änderungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), der gesetzlichen Grundlage für das Arbeitslosengeld II, beschlossen, die erwachsene, unter 25-jährige Erwerbslose auf den Haushalt der Eltern verweisen und den ihnen zugestandenen Bedarf auf 276 Euro im Monat reduzieren. Was aber bedeuten die gesetzlichen Neuregelungen für die betroffenen jungen Menschen und ihre Familien?|
1397|Schwerpunkt|3|Nichtdiskriminierung in der Besteuerung und Verteilung des gemeinsamen Reichtums in einer Nation||144|Grundgedanken von Leroy Pelton - Anstelle eines Abstracts: Der folgende Artikel ist eine leicht überarbeitete Fassung eines Kapitels aus dem kürzlich erschienenen Buch von Leroy Pelton: Frames of Justice. Implications for Social Policy (New Brunswick, New Jersey: Transaction Publishers, 2005). In dieser Arbeit identifiziert Pelton drei grundlegende, historische Rahmen, in denen sich jeweils ein spezifischer Gerechtigkeitssinn entwickelt hat. Als empirische Basis dienen ihm die großen Schriften der monotheistischen Religionen, die Thora, das Neue Testament und der Koran. In dieser Analyse macht Pelton deutlich, dass diese Überlieferungen nicht nur für den „Alltagsverstand“ von Bedeutung sind, sondern ebenso für die wissenschaftlichen und politischen Zugänge für alle Fragen der Sozialpolitik.|
1396|Schwerpunkt|2|Exklusivität und Moralanforderungen|Das Realisationsdilemma der Grundeinkommensidee|144|In der neuen Grundeinkommensdiskussion, die in den letzten Jahren intensiv und breit geführt wird, sind viele der Argumente, die schon in den 80er Jahren für ein Grundeinkommen vorgetragen worden waren, wieder aufgegriffen, modifiziert und weiter entwickelt worden. Im Unterscheid zu der älteren Diskussion weist die gegenwärtige aber eindeutige Schwerpunkte der Argumentation auf: Die Hauptargumente laufen darauf hinaus, dass die traditionelle Vollbeschäftigung ein für alle Mal vorbei sei und dass man den damit verbundenen Verarmungs- und Exklusionsgefahren einzig mit einem Grundeinkommen begegnen könne. Im Folgenden greife ich diese Diskurskonstellation auf. Ich rufe die wichtigsten der Argumente der Diskussion, der älteren und aktuellen, kurz in Erinnerung und sortiere sie nach dem folgenden Kriterium: Ist für das Ziel, das jeweils argumentativ anvisiert wird, exklusiv nur mit dem Grundeinkommen realisierbar, oder wäre es auch mit alternativen Instrumenten zu erreichen? Zugleich frage ich danach, welche Anforderungen an die Moralausstattung in der Gesellschaft die unterschiedlichen Argumentationen voraussetzen müssen, um die Realisation der Grundeinkommensidee plausibel erscheinen zu lassen. Ich beginne mit Argumenten, die zwar im Zusammenhang der Grundeinkommensdiskussion vorgetragen werden, aber keineswegs eindeutig für ein Grundeinkommen sprechen und gehe dann zu Argumenten über, die immer exklusiver für ein Grundeinkommen sprechen.|
1395|Schwerpunkt|1|Soziale Fragen|Arbeit - (Grund)einkommen - Auskommen|144|Der folgende Text gibt im Sinne eines ausführlichen Editorials eine Einführung in das Heft. Die unter verschiedenen Überschriften debattierten aktuellen sozialen Fragen im Kontext von Arbeiten, Einkommen und Existenzsicherung werden vorgestellt. Die Betrachtung der jüngeren Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen bildet dabei den Schwerpunkt. Vor diesem Hintergrund wird die Diskussion der Redaktion der WIDERSPRÜCHE zu diesem Thema seit den 1980er Jahren rekapituliert. Abschließend werden Fragen zur weiterführenden Debatte und Maßstäbe für politische Einmischungen formuliert.|
1390|Forum|10|Das andere Gesicht der USA|Ungehörte Stimmen: Engagierte Opposition gegen den Irak Krieg|143||
1389|Schwerpunkt|9|Schläge im Namen des Herren|Das verdrängte Schicksal der Heimkinder in der Bundesrepublik. Erste Reaktionen auf ein Spiegel-Buch|143||
1388|Schwerpunkt|8|Soziale Arbeit als Arena hegemonialer Kämpfe|Ein Blick auf die Geschichte der Jugendfürsorge am Vorabend des Nazismus|143|Der Beitrag fokussiert die Soziale Arbeit als ein auf politische und kulturelle Hegemonie zielendes pädagogisches Komplement zu den auf Gewalt und Kommando aufruhenden repressiven Herrschaftsfunktionen. Als institutionelle Manifestation des Herrschaftszusammenhangs des bürgerlich-kapitalistischen Staates handelt es sich dabei allerdings gerade nicht um eine unhintergehbare, lineare Herrschaftsbeziehung, aus der es kein Entkommen gibt. Vielmehr ist Soziale Arbeit durch ihre Verortung im politischen Raum als umkämpftes Terrain zu verstehen, auf dem Hegemonie gleichermaßen konstituiert wie angefochten werden kann. Am Beispiel der Fürsorgeerziehung am Vorabend des Nazismus wird die Jugendfürsorge als Gegenstand und Ort hegemonialer Auseinandersetzungen in den Blick genommen. Dabei zeigt sich, dass die AkteurInnen ihre Handlungsspielräume in der historischen Umbruchsituation der Weimarer Republik weder zu einer konsequenten Absage an eugenische/rassenhygienische Positionen noch für eine engagierten Parteinahme zu Gunsten der Betroffenen genutzt haben, sondern auf fürsorgepolitischer wie alltagspraktischer Ebene den Boden für die Nazis bestellten. In einer langfristigen Perspektive reiht sich dies ein in eine bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts reichende Berufsgeschichte, in der sich die Soziale Arbeit allzu oft unkritisch für die Aufrechterhaltung von Herrschaft in Dienst nehmen lassen hat.|
1387|Schwerpunkt|7|Sich Altes vor Augen führen um Neues zu verstehen und zu gestalten||143|Muss sich die Profession der Sozialen Arbeit mit alten Sachen beschäftigen? Gibt es nicht genügend Probleme und Themen im Hier und Jetzt und erst recht in der Zukunft? Sicherlich, doch mir ist es im Laufe meiner Berufstätigkeit als Sozialarbeiterin und Diplom-Pädagogin immer wichtiger geworden, auch an den Wurzeln unserer Berufsgeschichte zu graben, um begreifen zu können, was unsere beruflichen Vorfahren in ihrer Zeit schaffen wollten, welche Innovationen schon früher einmal eingebracht wurden, was mit ihnen geschehen ist und welche Sicht wir heute auf sie haben. Und so ist es kein Zufall, dass ich heute für eine Einrichtung arbeite, das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen/DZI in Berlin, die mit ihrer eigenen Geschichte und ihrem gegenwärtigen Wirken einen Beitrag zur Historie sozialer Berufe geleistet hat und immer noch leistet.|
1386|Schwerpunkt|6|Von Widersprüchen|Quellenstudien zum Alice-Salomon-Archiv der ASFH Berlin|143|Die Geschichte des Alice-Salomon-Archivs fällt nicht mit der der Alice-Salomon-Schule und der ihrer Gründerin zusammen. Der Beitrag zeigt die historischen Einschnitte, Distanzen und kritischen Vorbehalte auf, die die Etablierung des Archivs bestimmt haben. Neue Lesarten der historischen Texte werden erläutert und es wird auf die Bedeutung hingewiesen, die diese für die Entwicklung einer beruflichen Identität der Sozialarbeiter/innen haben können.|
1385|Schwerpunkt|4|Soziale Arbeit als Offenes Archiv gesellschaftlicher Konflikte|Für eine selbstkritische Historiographie|143|Vor dem Hintergrund der Überlegungen, dass Geschichtsschreibung dann einschlägig ist, wenn die Adressaten von ihr betroffenen und provoziert werden, weil ihnen ihre eigene Gewordenheit zum Skandal wird, und dies wiederum dazu führt, dass sie diese/ihre Geschichte selbst weiterschreiben, und Geschichte also auf diese Weise als (potentiell) transformatives, als (potentiell) demokratisches Projekt erscheint, - vor diesem Hintergrund möchte ich im folgenden kennzeichnen, in welcher Weise eine selbstkritische Historiographie Sozialer Arbeit meines Erachtens gedacht werden kann. Eine solche Perspektive der Geschichte der Problematisierungen sieht sich dabei einer solchen Aufmerksamkeit verpflichtet, wie sie insbesondere von Michel Foucault im Medium historischer Diskursanalyse verfolgt wurde, aber auch einer Thematisierbarkeit der Probleme in zeitgenössischen Macht- und Kräftefeldern.|
1384|Schwerpunkt|3|Geschichte wird gemacht - auch Professionsgeschichte||143|Zur Erforschung und Aneignung der Berufsgeschichte Sozialer Arbeit können die Hochschulen einen wichtigen Beitrag leisten. Denn erstens gehört Praxisforschung zu ihrem Ausbildungsauftrag; zweitens verfügen sie über interdisziplinäre Perspektiven und Zugänge, die für berufsgeschichtliche Forschungen hilfreich sind; und drittens bieten sie gute Voraussetzungen, um die unterschiedlichen Akteure (Studierende, Lehrende, Praktiker, Träger und Klienten) in solche Projekte zu versammeln. Im folgenden Text werden zwei berufsgeschichtliche Projekte der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Hamburg samt ihren jeweiligen politischen, thematischen und professionsrelevanten Bezügen dargestellt. In beiden Projekten steht die historische Praxis eines konfessionellen Trägers sozial-diakonischer Arbeit zur Debatte. Während sich das erste Projekt mit den Haltungen und Handlungen des Trägers in den Anfängen des Nationalsozialismus befasst, geht es im zweiten Projekt um die Erforschung der Erziehungspraxen in der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre.|
1383|Schwerpunkt|2|Methodengeschichte als Geschichte des Handwerks in unserem Beruf||143|In diesem Beitrag reflektiert der Autor seine jahrzehntelange Beschäftigung mit der Geschichte der Methoden der Sozialen Arbeit, die ihn mitten in die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts führte. Seine Auseinandersetzung mit der Methodengeschichte, mit ihren gesellschaftlichen und politischen Kontexten sei das Ergebnis einer zeitgeschichtlichen Rekonstruktion der experimentellen Tätigkeit sozialer Bewegungen auf dem Wege zu einer neuen Praxis gewesen.|
1382|Schwerpunkt|1|Über den Zusammenhang von Biographie/Individualität und Zeitgeschichte||143|Im Editorial zu diesem Heft heißt es: Die Geschichte der Sozialen Arbeit ist Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts und die sie schreiben, sind ohne Ausnahme in diesem Jahrhundert geboren und herangewachsen [...]. Diese Generationen- und Epochenbezüge spiegeln sich in den Beiträgen und geben dem Heft seine besondere Prägung. Der Beziehung zwischen der Lebensgeschichte des Einzelnen in seiner Zeit und über diese Zeit zu den ihr vorangegangenen geschichtlichen Zeiten wird in diesem Beitrag, immer wieder angebunden an die Geschichte der Sozialen Arbeit, verallgemeinernd nachgegangen.|
1380|Schwerpunkt|21|Aus Anlass des Heftes 100|Ein Blick auf einige methodologische und theoretische Widersprüche in der Redaktion|142||
1379|Texte zur Selbstverständigung über die Identität der Profession|20|Kritische Soziale Arbeit - Widerständig konstruktiv||142||
1378|Texte zur Selbstverständigung über die Identität der Profession|19|Kritik als Bewegung und Horizont|Oder: Was kann das Projekt einer Kritischen Sozialen Arbeit vom Feminismus lernen?|142||
1377|Texte zur Selbstverständigung über die Identität der Profession|18|Jenseits einer kritischen Sozialen Arbeit in fortgeschritten liberalen Gesellschaften||142||
1376|Texte zur Selbstverständigung über die Identität der Profession|17|Annäherungen an Kritikbegriffe einer kritischen Sozialen Arbeit||142||
1374|Texte zur Selbstverständigung über die Identität der Profession|16|Soziale Arbeit, Erziehung und Politik|Zur Problematik an den Schnittflächen|142||
1373|Texte zur Selbstverständigung über die Identität der Profession|15|Professionelle Nähe - auf Distanz zum Status quo||142||
1372|Texte zur Selbstverständigung über die Identität der Profession|14|Anregung - Provokation - Utopie?|Ein Gespräch über David G. Gils Buch Gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung - Konzepte und Strategien für Sozialarbeiter|142||
1371|Texte zur Ökonomisierung der Institutionen|13|Der Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V.|Hilfe zum Recht - Hilfe zu Recht|142||
1370|Texte zur Ökonomisierung der Institutionen|12|Anti-Oppressive Social Work als kritische Soziale Arbeit||142||
1369|Texte zur Ökonomisierung der Institutionen|11|Auf Basis systematischer Vergewisserung aus dem Mainstream heraus|Ein Gespräch mit Hans-Uwe Otto|142||
1368|Texte zur Regierung durch Aktivierung und Eigenverantwortung|10|Kritik der Kritik oder der Dativ ist dem Genitiv sein Tod||142||
1367|Texte zur Regierung durch Aktivierung und Eigenverantwortung|9|Die beiden Sozialpädagogen|Habermas, der Geburtshelfer und Foucault, der Narr|142||
1366|Texte zur Regierung durch Aktivierung und Eigenverantwortung|8|Gratwanderungen der Jugendsozialarbeit in schwierigen Zeiten||142||
1365|Texte zur Regierung durch Aktivierung und Eigenverantwortung|7|Die Arbeitsverwaltung als omnipotente Sozialarbeiterin oder der Bock als Gärtner|Zur Korrumpierung sozialarbeiterischer Begriffe und Konzepte durch das Sozialgesetzbuch II|142||
1364|Texte zur Regierung durch Aktivierung und Eigenverantwortung|6|Im Gegebenen das Mögliche suchen|Ein Gespräch mit Hans Thiersch zur Frage: Was ist kritische Soziale Arbeit?|142||
1363|Texte zu den ökonomisch-gesellschaftlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen|5|Sozial-Nachrichten von den südlichen Hilfsvölkern (Arno Schmidt)||142|Wenn Soziale Arbeit als Arbeit mit den sozialen Problemen von so genannten Randgruppen definiert ist, dann impliziert Randgruppe immer ökonomische Benachteiligung: Also, Ausschluss aus Arbeit und ausreichendem Einkommen. Nicht-Arbeit reicht demnach aus, dass Ausschluss, Sanktion, Einsperren oder Erziehung drohen, in jedem Fall aber Armut. Zur ökonomischen Benachteiligung kommt, wie zum Schaden der Spott, die moralische Verurteilung hinzu, Armut heißt Faulheit, Armut ist Versagen und Armut bedeutet Schuld. Da Soziale Arbeit irgendwo zwischen ökonomischer Benachteiligung und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Ausgrenzungen und Zuschreibungen agiert, bestehen sehr unterschiedliche Auffassungen von den eigentlichen Zielen und Aufgaben dieser Zunft. Diese spezifische Mittlerposition scheint auch dafür verantwortlich zu sein, dass Sozialarbeit neben ihrem eigentlichen pädagogischen Veränderungs- und Kontrollauftrag immer wieder mit politischen oder gar revolutionären Veränderungen in Zusammenhang gebracht wird. Ein Missverständnis. Je klarer die Sicht auf die Möglichkeiten und Grenzen sozialarbeiterischen Handelns und je (selbst-)kritischer die Einschätzung der Funktionalität der eigenen (Sozial-)Arbeit für die herrschenden Zustände, desto weniger braucht es Mythologisierungen und desto mehr Spielräume gibt's für tatsächliche Einmischungen. Ausgehend von der kurzen Beschreibung einer privaten Sozialeinrichtung der Wohnungslosenhilfe in Innsbruck, soll im folgenden Text genau dieses Spannungsfeld von sich verschlechternden Rahmenbedingungen in den zentralen Bereichen Arbeit, Einkommen und Wohnen und den verbleibenden Interventionsmöglichkeiten zur Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Menschen beschrieben werden.|
1362|Texte zu den ökonomisch-gesellschaftlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen|4|Jenseits von Individualisierung und Geschlechtsblindheit|Kritische Soziale Arbeit am Beispiel der Gemeinwesenarbeit|142|Der Sozialen Arbeit wurde vor allem in den 1970er Jahren häufig vorgeworfen, vorrangig im Dienst der Reproduktion bestehender Verhältnisse zu stehen, d.h. zur Normalisierung, zur Minimierung von sozialen Reibungsverlusten und damit Kosten beizutragen. Bis heute spricht theoretisch und empirisch viel für diese Sichtweise. Dabei läge ein anderes Verständnis Sozialer Arbeit ebenso nahe, nämlich ihre grundlegende Bestimmung als theoretische und praktische Kritik am Bestehenden. Dies einfach und allein schon deshalb, weil dessen Verfasstheit erst dazu führt, dass Soziale Arbeit überhaupt einen Gegenstand hat. Darauf zu beharren wäre eine gute Ausgangsbasis.|
1361|Texte zu den ökonomisch-gesellschaftlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen|3|Was ist kritische Soziale Arbeit und was nicht||142|Vor dem Hintergrund wachsender Empörung über gesellschaftliche Restriktionen im Zeichen des Neoliberalismus und zunehmender Resignation über den Rückzug allzu vieler Menschen in dumpfe Anpassung... Vor dem Hintergrund, dass das Soziale immer mehr deformiert wird und uns allgemeine Isolation als Tugend einer Autonomie verkauft wird, die uns immer einsamer werden lässt - auch weil dies von vielen Menschen geglaubt wird... Vor dem Hintergrund, dass die um sich greifende Schwäche des Subjekts von vielen Profis dafür genutzt wird, sich noch schwächere Menschen zu suchen, um sich auf diese Weise mit dem Kopf über Wasser halten zu können... Vor dem Hintergrund, dass gerade SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen zu einer Berufsgruppe zählen, deren Berufsethik - wenn überhaupt bewusst erkannt - auf diesem brüchigen Über- und Unterordnungsverhältnis beruht.....|
1360|Texte zu den ökonomisch-gesellschaftlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen|2|Liebe Widersprüche-Redaktion||142|Ich will Eurer Anfrage nach einem Beitrag zum Thema was ist kritische Sozialarbeit und was sie nicht ist ist gerne nachkommen, wenngleich ich die Frage gewiss nicht einfach zu beantworten finde. Zunächst zu der Perspektive, aus der ich mich der Frage zuwende. Ich schreibe als jemand, der jetzt insgesamt 15 Jahre als Sozialarbeiter im Bereich der sozialen Einzelfallhilfe gearbeitet hat, davon die längste Zeit und aktuell in einer niedrigschwelligen Einrichtung der Drogenhilfe oder Suchtkrankenhilfe, wie es neuerdings heißt. Ich schreibe weiterhin als jemand, der durch die Teilnahme am Aufbaustudiengang Kriminologie an der Universität Hamburg einen anderen Blick auch auf die eigene Tätigkeit gewonnen hat, also gewissermaßen als ein theoretisierender Praktiker.|
1359|Schwerpunkt|1|Was ist kritische Sozialarbeit und was nicht?||142|Heft 100 im Laufe der Jahrzehnte ist selbstredend eine stolze Leistung, daher beginne ich damit, Euch im Namen der AG SPAK hierzu herzlich zu gratulieren: Sehr hoffe ich, dass die WIDERSPRÜCHE auch noch das Heft 200 erleben werden. Das Thema ist in den vergangenen 25 Jahren keineswegs einfacher geworden. Um es nahezu schon paradox zu formulieren: Nichts von dem, was die WIDERSPRÜCHE seit ihrer Gründung konstituiert haben, ist ungültig geworden - nur haben sich die Rahmenbedingungen hierfür erheblich verschlechtert. Und dies fortlaufend: der Ordnungswandel (so nennen es die Ungarn) in Mittel- und Osteuropa, der ungebremste Akkumulationsprozess weltweiten Kapitals, die weiterhin besinnungslose Anpassung der Staatsapparate an diesen, die diesen Regelkreis unterstützenden Einsparungen auf der Ebene jeglicher Gebietskörperschaften, entsprechend die Individualisierungen so gut wie aller denkbaren Problemlösungen (nach dem Motto: Jeder für sich und der Weltmarkt gegen alle), und die achselzuckende Akzeptanz der massenweisen Existenz von Verlieren, haben sich auch für die Konstituierung kritischer Sozialarbeit ungünstig ausgewirkt. Der bekannte Marxsche Satz, die Ideen hätten sich noch immer blamiert, wo das Interesse ein von diesen verschiedenes gewesen sei, scheint auch den großen Teil kritischer Sozialarbeit ereilt zu haben.|
1353|Forum|5|Kinder des Widerstands im Nationalsozialismus|Familiale und politische Sozialisationsprozesse|141||
1352|Schwerpunkt|4|Not macht erfinderisch|Zu der Schwierigkeit aus der Moral der alltäglichen Kämpfe um Teilhabe etwas über die Umrisse einer Politik des Sozialen zu lernen|141|Die niederen Klassen und arme Leute von moralisierenden Klassifikationen zu befreien hat sich als ein strukturell blockiertes Unterfangen erwiesen. Von der Diskussion um die Lösung der Sozialen Frage bis zur Debatte über Underclass und Neue Unterschicht und Überflüssige sind die meisten Modelle der Kritik des Zusammengehens von ökonomischer, politischer und symbolischer Ausschließung zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt: der Identifikation einer Kategorie von Personen, deren Ausschließung wie Selbstausschließung aussieht. Eine Möglichkeit um durch die und in der Diskussion um Moralische Ökonomie nicht zu einer impliziten benevolenten sozialen Degradierung der Leute beizutragen, sehe ich in einem genaueren Blick auf die verschiedenen Prinzipien (und Moralen), auf die sich Praktiken der Gegenwehr gegen das Prinzip der Warenförmigkeit und der Bürokratiefähigkeit berufen haben.|
1351|Schwerpunkt|3|Gottes Ökonomie der Gaben||141|Seit der Frankfurter Friedenspreisrede von Jürgen Habermas, in der er als religiös Unmusikalischer in der Gentechnologie-Debatte an das unaufgebbare, den Menschen begrenzende Gegenüber von Schöpfer und Geschöpf erinnerte, darf auch in kritischen Kreisen wieder über den rettenden Gehalt theologischer Einsichten nachgedacht werden. Ohne nun sogleich soweit wie weiland Joseph Kardinal Ratzinger, nunmehr Benedikt XVI gehen zu wollen und die Eucharistie als letztes Geheimnis des Seins und die göttliche Liebe als Erfüllung aller menschlichen Liebesbestrebungen zu deuten, soll im folgenden eine Erinnerung an Gottes Ökonomie, verstanden im ursprünglichen Sinn einer guten Haushaltsführung, erfolgen. Dabei ist zu bedenken, dass neuzeitliche Theologie nach Kant, Feuerbach und Nietzsche sich des metaphorischen Gehalts theologischer Rede bewusst ist. Hier gilt sowohl Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht (D.Bonhoeffer) wie: in der naturwissenschaftlich-technischen Welt müssen wir leben, als wenn es Gott nicht gäbe. Gott ist mitten im Leben jenseitig, der jeweils gegebene Nächste ist das Transzendente.|
1350|Schwerpunkt|2|Alternative professionelle Aktionsmuster Sozialer Arbeit||141|In Hamburg haben die Kinder- und Familienhilfezentren (KiFaZ) Arbeitsprinzipien entwickelt, die auf Verständigung und Kooperation basieren und sich an der Lebenswelt sowie an den sozialen Räumen ihrer Adressaten orientieren. Der Beitrag reflektiert Evaluationsergebnisse der Hamburger Kinder- und Familienhilfezentren (Langhanky et al. 2003, 2004) aus der Perspektive moralischer Ökonomien, mit denen Edward P. Thompson die Kämpfe der englischen Unterschichten im 18. Jahrhundert beschreibt. Es werden Merkmale moralischer Ökonomien dargestellt und in Bezug zu gegenwärtigen sozialstaatlichen Transformationsprozessen und zur Sozialen Arbeit diskutiert. In einer Reflexion von KiFaZ-Arbeitsweisen in Anbetracht moralischer Ökonomien werden alternative professionelle Aktionsmuster vorgestellt, die den Gebrauchswert der Zentren im Alltag der NutzerInnen und deren Rolle als MitgestalterInnen des Sozialen Raumes begründen sowie die Fallarbeit aus einer Feld-Perspektive ermöglichen. |
1349|Schwerpunkt|1|MARKT MACHT MORAL|Zur moralischen Ökonomie der Sozialen Arbeit|141|[p]Markt macht Moral - Auf diesen Nenner lässt sich die hegemoniale Botschaft bringen, die uns aus allen Medien entgegenschallt und auf die Durchkapitalisierung aller Lebensbereiche zielt. Verpackt in die griffige Botschaft vom Fördern und Fordern beziehungsweise Fordern und Fördern wird darin deutlich, dass nicht nur für die unterdrückten Gruppierungen einer Gesellschaft Ökonomie etwas mit Moral zu tun hat sondern auch für den herrschenden Block an der Macht (Gramsci). Von Beginn an war die politische Ökonomie als Wissenschaft auch immer Moralwissenschaft (Adam Smith hatte einen Lehrstuhl für Moralphilosophie inne). Wie Edward P. Thompson (1980) für die Entstehung und Michael Vester (1970) für die Bildungs-Zyklen der Arbeiterklasse herausgearbeitet haben, bilden Markt, Macht und Moral Kampfarenen in diesen Prozessen. Der Markt steht für die neue, von Menschen gemachte Ordnung; Macht wird ab jetzt nicht mehr verliehen, sondern entsteht in und aus sozialen Bewegungen; und Moral gibt es ab jetzt im Plural: Jede Lebensweise bildet ihre eigene heraus. Die Beziehung dieser drei Arenen untereinander lässt sich mit E.P.Thompson als moralische Ökonomie (1980) fassen.[/p] [p]In diesen grundlegenden gesellschaftlichen Prozessen spielt die Soziale Arbeit weder systematisch noch historisch eine gestaltende oder Initiative ergreifende Rolle. Allerdings - so lässt sich die Geschichte der letzten 150 Jahre zusammenfassen - hat sich die Soziale Arbeit aus dem Souterrain der großen Disziplinarprofessionen Medizin, Justiz und Theologie herausgearbeitet und nimmt zusammen mit den pflegenden Berufen mittlerweile eine Spitzenstellung in den hoch entwickelten kapitalistischen Gesellschaften an, jedenfalls was ihre Anzahl angeht.[/p] [p]Um den Zusammenhang von moralischer Ökonomie und Sozialer Arbeit herauszuarbeiten, soll zunächst kurz auf die aktuelle Rahmung diese Prozesses eingegangen werden, um dann die jeweils besondere Position der Sozialen Arbeit in den drei Kampfarenen Markt, Macht und Moral zu untersuchen. Die abschließende Zusammenfassung kann nicht mehr als ein Hinweis auf die Perspektive einer kritischen Sozialen Arbeit in diesem Kontext sein.[/p]|
1344|Forum|6|Politische Bildung und soziale Kompetenzentwicklung|Ein ambivalentes Verhältnis|139|Soziale Kompetenzentwicklung ist in aller Munde. Politische Bildung hingegen befindet sich seit Jahren in der Defensive. Dabei könnte gerade politische Bildung zu einer Subjektbildung beitragen, die den Fallstricken und Verkürzungen gegenwärtiger Kompetenztrainings entgeht. Dazu müsste politische Bildung jedoch ihr humanistisches Subjektverständnis hinterfragen und die Probleme reflektieren, die heute mit diesem Subjektmodell verbunden sind. Weder das Konzept lebenslangen Kompetenzlernens, das an einem neoliberalen Subjektmodell anknüpft, noch eine politische Bildung, die auf ein universelles autonomes Subjekt zurückgreift, sind geeignet, einen Ausweg aus fremdbestimmter und verwertungsorientierter Bildung aufzuzeigen. Demgegenüber wird für eine politische Bildung plädiert, die sich aktiv in die Kompetenzentwicklung des Subjekts einmischt, um das Ineinandergreifen von individueller Selbst- und politischer Fremdführung sichtbar, erfahrbar und bearbeitbar zu machen. Wie soziale Kompetenzen als ein widersprüchliches Verhältnis in der politischen Bildungspraxis zum Thema werden kann, darauf wird in einem abschließenden Praxisbericht ein Blick geworfen.|
1343|Forum|5|Maieutisch statt klinisch.|Plädoyer für eine nicht-klinische Sozialarbeit|139|Wir wissen, dass Katzen zum Gebären ungestört sein müssen, an einem dunklen, einsamen Ort, vielleicht vorbereitet mit einer weich ausgeschlagenen Schachtel. Und alle, die Katzen kennen, wissen auch, dass man eine Katze beim Gebären oder ihr Neugeborenes nie stören darf, sonst hören die Wehen auf oder sie nimmt ihre Jungen nicht an. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass vor langer Zeit eine Gruppe von gut meinenden Wissenschaftlern sich vorgenommen hat das Gebärverhalten von Katzen zu untersuchen. Sie haben angefangen, Katzen beim Gebären zu beobachten im hell erleuchteten, lauten, modernen Labor. Sie schlossen sie an viele Monitore und Sonden an, umgaben sie mit fremden Technikern, die ständig raus und rein gingen um alles zu dokumentieren. Die Studien an den gebärenden Katzen in den hell erleuchteten Kabinen gingen über viele Jahre. Es zeigte sich, dass die Geburtsarbeit unkoordiniert wurde, länger dauerte oder mittendrin aufhörte. Die Katzen waren zunehmend gestresst, ihr Stöhnen und ihre Schreie waren schrecklich. Die Jungen hatten Sauerstoffnot, kamen deprimiert zur Welt und brauchten Reanimation. Da kamen die Wissenschaftler zum Schluss: Es scheint, dass Katzen nicht gut gebären können.|

Sie erfanden Maschinen um das Gebären zu verbessern und den Sauerstoffgehalt im Blut der Jungen zu überwachen; sie erfanden Schmerzmittel und Tranquilizer, Wehenmittel und Wehenhemmer und entwickelten Notfalloperationen. In wissenschaftlichen Papieren berichteten die Wissenschaftler über die Schwierigkeiten der Katzen beim Gebären und gleichzeitig über ihre eigene hoch entwickelte, effiziente Geburtstechnologie. Die Medien streuten diese Erkenntnisse und bald brachten alle ihre Katzen zum Gebären ins Labor. Das muss für Katzen der sicherste Platz zum Gebären sein.

Jahre gingen ins Land, die Arbeit in den Labors nahm zu, immer neues Personal wurde eingestellt, langsam wurden die ersten alt und gingen in Ruhestand. Leider wusste die zweite Generation nicht mehr, dass das Ganze als Versuch begonnen hatte. Sie hatten noch nie erlebt wie Katzen an einem einsamen Platz in einer weich ausgeschlagenen Schachtel ihre Jungen gebären. Wieso auch - was für eine gefährliche Idee! Sie waren absolut überzeugt, dass Katzen ohne die Hilfe von viel Technologie nicht gebären können. Sie dachten an die vielen wissenschaftlichen Ergebnisse, die sie in den letzten Jahren gesammelt hatten und waren sehr zufrieden mit sich selbst, ihrer klugen und guten Arbeit und den vielen Katzen und Jungen, die sie gerettet hatten. (Weiß 2004)

Wer auf welchem Wege auch immer mit der Geburtshilfe in Berührung kommt, kommt kaum an der Beobachtung vorbei, dass zwischen Hebammenkunst (Maieutik) und medizinischer Geburtshilfe eine unübersehbare Rivalität besteht, die so alt ist wie die medizinische Geburtshilfe selbst. Die oben aufgeführte Parabel aus einem Vortrag auf einem Hebammenkongress zeigt den Hintergrund dieses Streites auf anschauliche Weise auf. Auf Hebammenseite gründet die Kritik an der Medizin auf einem spezifischen medizinischen Selbstverständnis und der daraus sich ergebenden Haltung im konkreten Handeln.

Dieses klinisch-medizinische Selbstverständnis ist natürlich bewusst einseitig und überzogen dargestellt, verdeutlicht aber gerade aufgrund dieser Einseitigkeit bestimmte Aspekte des medizinischen Modells, die sich vom maieutischen Selbstverständnis abheben. Dieser klinisch-medizinische Typus gründet auf einem spezifischen Könnensbewusstsein, einem Bewusstsein, Gegenstände des eigenen Handelns unter Ausschluss störender Faktoren analysieren und damit diagnostizieren zu können und gleichzeitig unter Zuhilfenahme und Entwicklung technischer Instrumente methodisch behandeln zu können. Das eigene Könnensbewusstsein gepaart mit einem spezifischen Forscherdrang stiftet ein eigentümliches professionelles Selbstbewusstsein. Die mit diesem Professionalitätsbewusstsein in Berührung gekommenen Akteure richten sich eine eigene Umwelt zu: das klinische Labor, das streng von der Umwelt des Nichtklinischen getrennt und ganz auf das spezifisch technisierte Handeln zugeschnitten ist, um damit eine größtmögliche Kontrolle der Professionellen über das Geschehen zu erreichen (Foucault : 173ff.; 1976). Die Professionellen werden zu souveränen Meistern der zu untersuchenden und methodisch-technisch handhabbaren Situation. Es entsteht konsequenterweise ein Gefälle zwischen dem professionellen Experten und den sich an diese und ihr Wissen und ihre Kompetenz anlehnenden Klienten. Damit verbunden ist ein Ausfall von Selbstreflexivität zugunsten einer funktionalistischen Denkweise (Dörner 2003: 218). Schwierigkeiten, die im Laufe der professionalisierten Intervention auftreten, können nicht auf das eigene - als wissensbasiert und methodisch korrekt definierte - Handeln zurückgeführt werden, sondern müssen den Adressaten des eigenen Handelns zugeschrieben werden. Die Gebärschwierigkeiten müssen gemäß der Parabel der Katze zugeschrieben werden, dem als hilfreich konzipierten Labor kann gemäß dieses Rationalitätstypus' keine Verantwortung für die Verursachung zugeschrieben werden.

Doch damit nicht genug. Die Bedeutung der eigenen Interventionsfähigkeit steigert sich mit der Größe des dem Experten begegnenden Problems, das es zu lösen gilt. Je problematischer, defizitärer und pathologischer die Adressaten gesehen werden, desto stärker tritt das Können des Professionellen in den Vordergrund. Der Experte braucht die pathologische Zuschreibung des Patienten, um an ihm seine spezifische Kompetenz beweisen zu können. Gerade weil sich die Katze im Labor mit dem Gebären schwer tut, kann der hilfreiche Experte all sein bewundernswertes Können entfalten, um diese Defizite zu überwinden. Die klinisch-medizinische Professionalität dieses Typs steigert ihr Selbstbewusstsein nicht nur durch die Lösung selbstgeschaffener Probleme, sondern auch durch die Dramatisierung dieser Probleme, die nur mit hochprofessionalisierter Hilfe und technischem Höchstaufwand überhaupt lösbar werden. Es entsteht eine radikalisierte Zuschreibungstrennung: hier die hilflosen, destruktiven, leidenden Patienten, dort die fast omnipotenten, wissenden und allseits hilfreichen professionellen Retter.

Gleichzeitig verlieren die Klienten in diesem Schauspiel ihren Subjektstatus, insofern sich Subjektivität per definitionem der Kontrollierbarkeit entzieht. Die Person wird reduziert auf einen pathologischen Befund, und dieser Befund bestimmt die darauf folgende klinische Intervention. Dort, wo die Mitarbeit des Klienten erforderlich bleibt, steht die Professionalität vor dem Problem, dass sich ihre Klienten an die klinische Umwelt anpassen müssen, gleichzeitig aber handlungsfähig bleiben müssen. Wo sie sich dieser Verwandlung verweigern, wird ihnen bald mangelnde Kooperationsbereitschaft - non-compliance - unterstellt. Eigentlich müssten schließlich auch die Wissenschaftler der Parabel zum Schluss den schwer gebärenden Katzen eine solche mangelnde Compliance unterstellen, weil sie auf das klinische Setting mit einem Aufhören der Wehen oder gar einer Verweigerung der Sorge für die eigenen - mühsam geretteten - Jungen reagieren. Aus klinischer Sicht ein Skandal!

Die Parabel zeigt in ihrer Verkürzung auf bestimmte Aspekte einer spezifischen klinisch-medizinischen Rationalität eine bestimmte - in der Regel nicht-intendierte - professionelle Falle auf. Dass diese Falle keineswegs als realitätsfremd anzusehen ist, zeigt ein Blick in die dreihundertjährige Geschichte der Geburtsmedizin. Hier begegnet historisch gesichert dieser Professionalitätstypus und die damit verbundene Abwertung sowohl der gebärenden Frauen als auch der - nicht-klinischen - Arbeit von Hebammen. Vor allem wirkt ein Blick auf die Entwicklung klassischer Instrumente der Geburtsmedizin wie ein Blick in ein Gruselkabinett. Es ist heute allgemein vergessen, dass an der nichtindizierten, sondern am Forscherinteresse orientierten Anwendung der Geburtszange in den Anfängen der Geburtsmedizin jedes vierte Kind und jede sechzehnte Mutter starb (Schmidt/Vackinger 1999: 52f.; Gengnagel/Hasse 1999: 35). Beim ebenfalls immer wieder - auch rein zu Forschungszwecken angewandten - Kaiserschnitt überlebte nur in den seltensten Fällen überhaupt eine/r von beiden (Metz-Becker 1999: 38f.; Schmidt/Vackinger 1999: 54ff.). Gebärende waren gut beraten, sich in den von Ärzten aufgebauten Kliniken - den sogenannten Accouchiranstalten - vor deren entwürdigenden Interventionen zu retten und die einsetzenden Wehen zu verbergen, um auf diese Weise ihre Würde sowie das eigene Überleben und das ihres Kindes zu sichern (Metz-Becker 1999: 39f.).

Doch es wäre die falsche Reaktion, angesichts dieser Tatbestände die damaligen - durchweg männlichen - Mediziner als Sadisten und skrupellose Mörder zu verurteilen. Zu schnell könnten wir uns mit unserer heutigen humanen Medizin besser fühlen und unter einem tiefen Seufzer uns glücklich schätzen, dass diese alten Zeiten vorbei sind. Die Mortalitätsrate von Frauen und Kindern unter der Geburt zu Beginn der medizinischen Geburtshilfe hat nichts mit Sadismus zu tun, auch wenn dies unter medizingeschichtlicher Perspektive manchmal den Anschein haben mag; sie steht vielmehr im Kontext eines spezifischen wissenschaftlich fundierten Professionalisierungsbewusstseins und dessen Folgen für das zwischenmenschliche Handeln. Erst wenn wir die Problematik dieses spezifischen medizinischen Professionalitätsverständnisses mit seinen nicht-intendierten Folgen erkennen, stoßen wir auf das Kernphänomen und damit auf den Grund, warum heutige Hebammen eine solche medizinkritische Parabel auf einem Kongress zum Besten geben. Der Konflikt zwischen Maieutik und Medizin besteht letztlich in einem Konflikt um das Verständnis der je eigenen Professionalität und der damit verbundenen Haltung im konkreten Handeln.

Klinisch-medizinische Professionalitätsmodelle in der Sozialarbeitsdebatte

Damit können wir den medizinischen Kontext verlassen und uns der Sozialen Arbeit zuwenden, in der seit Jahren ein immer neu variierender Streit um deren Professionalisierung entbrennt, der auch in der Diskussion um die klinische Sozialarbeit seinen Niederschlag findet in deutlicher Orientierung an Momenten des medizinischen Handlungsmodells (Mühlum 2002; Pauls 2004: 16). Dieses medizinische Modell ist seit den Anfängen der sozialarbeiterischen Theoriebildung in den Arbeiten von Alice Salomon (1923) und Mary Richmond (1917) präsent und durchzieht im Besonderen die soziale Einzelfallhilfe. Sie ist bereits in den 70er Jahren ausgiebig kritisiert worden (zusammenfassend Kunstreich 1998: I 164f.; II 101), um in den letzten Jahren unter dem Namen Klinische Sozialarbeit ihr Comeback zu feiern, lediglich mehr oder weniger stark fokussiert auf Praxisfelder der Sozialen Arbeit in der Gesundheitshilfe (Feinbier 1997: 19ff.; Mühlum 2002: 21.35f.; Pauls 2004: 14ff.).

Insgesamt zeigen sich in der Debatte Momente eines Professionalitätsverständnisses, die denen des beschriebenen problematischen klinisch-medizinischen Selbstverständnisses nicht unähnlich sind. Auch hier geht es zunächst um eine Statusverbesserung der sozialpädagogischen Professionellen. Gleichzeitig wird ein eindeutiges Aufgabengebiet - soziale Probleme (Engelke 310ff.; Puhl/Burmeister/Löcherbach 1996: 167ff.) bzw. abweichendes Verhalten (Feinbier 1997) - definiert gepaart zwar nicht mit einer technologischen, wohl aber mit einer spezifischen methodischen Rationalität, die in ihrer unübersehbaren Betonung objektiver diagnostischer Kompetenzen Anleihen beim medizinischen Handlungsmodell nimmt (Pauls 2004: 206f.). Zwar wird gleichzeitig ein nicht-entmündigender moralischer Anspruch vertreten (Pauls 2004: 13), der jedoch neben dem medizinischen Selbstverständnis formuliert wird (Pauls 2004: 12f.; 197ff.), ohne sich kritisch mit diesem auseinanderzusetzen. Auffällig ist dabei auch die oberflächliche Unterscheidung zwischen kontrollierender und therapierender Orientierung in der Sozialen Arbeit (Pauls 2004: 18). Dass gerade über therapeutische Interventionen kontrollierend regulativ mit Adressaten umgegangen werden kann (Sturzenhecker 1998; Arnstein 1969), ist dabei gar nicht im Blick. Man kann in diesem Zusammenhang von einer Tendenz zur Neodiagnostik in der Sozialen Arbeit sprechen (Kunstreich 2004) als Kennzeichen dafür, dass lange überholte Phänomene der Diskussion um die Soziale Arbeit wieder zu neuem Leben erwachen.

Es fragt sich also, inwiefern die klinische Sozialarbeit den Gefahren entgeht, die im Zusammenhang mit dem klinisch-medizinischen Modell beschrieben werden. Dazu werden im Kontext der klinischen Sozialarbeit verschiedene Begriffe eingeführt. Die Diskussion um die klinische Sozialarbeit reproduziert nicht einfach die Einzelfallhilfe der Anfangszeit der Sozialarbeit, sondern es ist ihr ein besonderes Anliegen, die Schwierigkeiten des medizinischen Modells auf eigentümliche Weise zu entschärfen. Dazu zählt insbesondere das Paradigma der Ganzheitlichkeit statt der Reduktion von Adressaten auf einmal diagnostizierte objektive Merkmale (Mühlum 2002: 25). Ganzheitlichkeit meint eine möglichst umfassende professionelle Einbeziehung der Personalität des Gegenübers in den Interventionsprozess. Allerdings erhöht das Paradigma der Ganzheitlichkeit nur die Gefahren, die der klinisch-medizinischen, professionalisierten Intervention innewohnen. Diese spezifische Professionalität hängt eng mit größtmöglicher - eben klinischer - Kontrolle über den Interventionsprozess zusammen. Gerade die umfassende Kontrolle über eventuelle Störfaktoren kennzeichnet das beschriebene klinisch-medizinische Setting. Unter diesem Blickwinkel radikalisiert der ganzheitliche Blick sogar noch dieses medizinische Interventionsmodell. Während der Mediziner sich damit begnügt, ein bestimmtes Organ bzw. ein Körperteil am Menschen zu behandeln, maßt sich der ganzheitlich arbeitende klinische Sozialarbeiter an, den ganzen Menschen seiner kontrollierenden Interventionstätigkeit zu unterwerfen. Ganzheitlichkeit lässt sich dann gleichsetzen mit totalitär (Dörner 2003: 231). Nichts bleibt dem analytisch-diagnostischen Blick des klinischen Sozialarbeiters verborgen. Der Adressat gerät in die Gefahr, auf totale Weise gläsern zu werden. Die vielschichtigen Ebenen der Diagnostik im Kontext der klinischen Sozialarbeit mit physischer, psychischer und sozialer (oft zusammengefasst zu biopsychosozial, Pauls 2004: 35ff.) Ebene zeigen sehr deutlich diese Gefahr auf.

Eng mit der Ganzheitlichkeit verbunden ist der Begriff der Ressourcen (Pauls 2004: 19; Mühlum 2002: 24). Statt Klienten auf ihre Defizite zu reduzieren, um diese dann professionell gesteuert zu behandeln, rekurriert klinische Sozialarbeit auf positive Ressourcen, über die jeder Mensch im Umgang mit seiner jeweiligen Situation verfügt. Allerdings bleiben diese positiven Handlungsmöglichkeiten einem Objektstatus verhaftet. Der Begriff der Ressource entstammt dem ökonomischen Bereich. Mit ihm wird dasjenige bereitliegende Material benannt, das dem Produktionsprozess unter dem Primat der Nutzenmaximierung zugeführt werden kann. Er wird in diesem Sinne auch auf den immateriellen Verfügungsbereich erweitert, wobei das objektivierende Verfügbarmachen bisher unverfügbarer Güter und die dadurch erreichte Erhöhung der Kontrolle über die Natur in und um den Menschen die handlungsleitende Perspektive auch auf die immaterielle Form von humanen Ressourcen bleibt. Das bisher Unverfügbare soll der professionellen Verfügung zugeführt werden, um für die professionellen Ziele genutzt, wenn nicht gar verbraucht zu werden. Dass diese Unverfügbarkeit vielleicht einen Wert in sich trägt und an der Verfügbarmachung Schaden nehmen könnte, bleibt dabei kaum im Blick. Stattdessen wird Beteiligung und Ressourcenorientierung fast gleichgesetzt. Wer die ureigensten Fähigkeiten von Menschen nutzbar macht, beteiligt sie fast automatisch am Geschehen, auch wenn diese Beteiligung wenig zu tun hat mit der Selbstbestimmung, die das Ziel echter Partizipation darstellt. Es ist der problematische Kontext der beschriebenen Form medizinischen P