Intersektionalitätsanalytischer Ansatz im Kontext von Jugendhilfe
Abstract
Eine Frage, die mich im Kontext meiner Praxiserfahrungen sowie meiner Auseinandersetzungen in empirischer Forschung schon länger beschäftigt ist, inwiefern werden Deutungsmuster sozialer Praxen (vgl. Bourdieu 1998) im Rahmen Sozialer Arbeit und daraus abgeleitete Interaktionen dem Feld oder dem Fall in seiner gesamten Komplexität gerecht? Alltags-, lebenslagen-, lebensbewältigungs- und lebensweltorientierte (vgl. May 2008) Ansätze sind heute mit die am weitesten ausformulierten analytischen sowie theoretischen Konzepte der Sozialen Arbeit, die sich versuchen der Forderung einer angemessenen Erfassung sozialer Konfliktlagen mit Einbezug der Stimme der AdressatInnen (vgl. Hamburger/Müller 2006) zu stellen. Lebensweltorientierung soll die Analyse von spezifischen Lebensverhältnissen mit pädagogischen Konsequenzen verbinden. Lebensweltorientierung hält am Ziel fest, gerechtere Lebensverhältnisse, Demokratisierung und Emanzipation und professionstheoretisch gesehen Chancen rechtlich abgesicherter, fachlich verantwortbarer Arbeit zu entwickeln (vgl. Thiersch/Grunwald/Köngeter 2005: 165). Gefordert wird in der Analyse der Lebenswelt, auch dahinterliegende gesellschaftliche Konflikte zu berücksichtigen (vgl. ebd.: 172). Damit verbindet sich im Prinzip auch ein politischer Anspruch. Und dennoch verlieren diese analytischen Modelle in Forschungskontexten sowie im berufspraktischen Alltag in aller Regel an Schärfe. Problematisch in der Umsetzung sowie in der Wahrnehmung bzw. Analyse der Lebenswelt erscheint die unzureichende Berücksichtigung gesellschaftlicher Ungleichheits- und Herrschaftsstrukturen (vgl. Schimpf/Stehr 2012: 107). In aller Regel verstricken sich die professionellen Deutungsmuster auf der Interaktionsebene und laufen dann schnell Gefahr, Konflikte im Kontext Sozialer Arbeit zu individualisieren. Die enge Verstrickung Sozialer Arbeit mit dem Widerspruch von Hilfe und Kontrolle bietet sicherlich eine Teilantwort auf diese Prozesse. So schwingt häufig im Rahmen des breit geführten öffentlichen Diskurses von Förderung und Fordern bei der Analyse von Konfliktlagen, die Menschen bewältigen, in der Regel die Verantwortungsfrage mit. Inwiefern ist der Mensch selbst für den Konflikt verantwortlich oder welche übergeordnet wirksamen Prozesse, sind für die Lage oder Situation verantwortlich?