Eine Abwehr von Kindeswohlgefährdung ist noch keine Herstellung des guten Lebens

Abstract

Der Begriff des Kindeswohls wird in diesem Beitrag dem Konzept des Wohlergehens gegenübergestellt, das in der Ethik des guten Lebens verortet ist. Während die Herstellung des Kindeswohls auf die Abwehr von Gefährdungen reduziert ist, evaluiert die Konzeption des guten Lebens, wie sie hier im Anschluss an den Capabilities Approach vorgeschlagen wird, die Institutionen der Jugendhilfe als potenzielle Quellen von Freiheit und Wohlergehen junger Menschen. Das Kernproblem der Gefährdungsrationalität liegt demgegenüber darin begründet, dass die Definition des anzustrebenden Zustandes sich in der Abwesenheit bestimmter Problemdimensionen erschöpft, die als gefährdend klassifiziert werden. Es mangelt der Debatte um Kindeswohl jedoch an Kriterien angemessener Mittel für die Herstellung von etwas, das undefiniert bleibt. Das forschungsmethodologische Pendant zu dem gesetzlich verankerten Konzept von Kindeswohl ist die gegenwärtige Wirkungsforschung. Der Abbau von personalen Defiziten oder die Herstellung personaler Ressourcen wird in diesem Zusammenhang als Erfolg der Jugendhilfe gewertet, während ein positiver Begriff von Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten junger Menschen bislang nur sehr eingeschränkt als evaluativer Endpunkt für die Heimerziehung oder die Maßnahmen der Jugendhilfe insgesamt in den Blick genommen werden. Ebenso gibt die gegenwärtige Wirkungsforschung nur eingeschränkt Aufschluss über die Angemessenheit pädagogischer Maßnahmen. Vor dem Hintergrund dieser Kritik stellt der Artikel forschungsmethodologische Überlegungen an, die an Demokratietheorien sowie an die Ethik des guten Lebens anschließen.