Die zentrale Bedeutung von Erwerbarbeit als Hindernis für alternative Formen der Vergemeinschaftung

Abstract

Die zentrale Bedeutung von Erwerbarbeit als Hindernis für alternative Formen der Vergemeinschaftung Erwerbsarbeit ist ganz zweifellos der nach wie vor zentrale Modus gesellschaftlicher Integration. Das Deutungsmuster, nach dem eine vollwertige gesellschaftliche Teilhabe an die Voraussetzung von Erwerbsarbeit geknüpft ist, hat nichts an seiner Hegemonie verloren, im Gegenteil: Die Erwerbsarbeitsnorm wird im öffentlichen Diskurs vielmehr forciert und keineswegs in Frage gestellt. Die aktuelle Hyperarbeitsgesellschaft (Voß/Pongratz 2001), die mehr denn je in allen Bereichen von Erwerbsarbeit geprägt ist, beinhaltet allerdings auch eine enorme Zunahme prekärer und nicht-existenzsichernder Beschäftigung sowie eine anhaltende Erwerbslosigkeit für einen Teil der Bevölkerung. Aus dieser Gleichzeitigkeit zweier widersprüchlicher Entwicklungen resultiert ein offenkundiges Dilemma: Einerseits wird Erwerbsarbeit als Norm, Quelle der Anerkennung und zentraler Modus der Vergesellschaftung seit Jahren von arbeitsmarktpolitischer Seite verstärkt - und andererseits erweist sich Erwerbsarbeit für nicht wenige Menschen zunehmend als unsicher oder sogar obsolet für eine stabile soziale Integration und vollwertige gesellschaftliche Teilhabe. Dies gilt nicht allein für Langzeiterwerbslose, die kaum noch eine Chance auf eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt haben, sondern auch für prekär Beschäftigte bzw. Personen, die in ihrer Biographie mehrfach oder dauerhaft zwischen Erwerbsarbeit und Leistungsbezug wechseln (Grimm/Vogel 2008; Grimm/Vogel 2010). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach möglichen alternativen Orientierungen und Handlungsstrategien, mit denen die Zentralität von Erwerbsarbeit relativiert werden könnte, in besonderer Weise. Wir möchten dieser Frage in unserem Beitrag anhand der subjektiven Sicht und alltäglichen Handlungsstrategien von prekär Beschäftigten und Erwerbslosen nachgehen und herausarbeiten, ob und inwiefern bei ihnen Formen der Vergemeinschaftung und Solidarisierung erkennbar werden, die man als Ansätze für Alternativen zur hegemonialen Vergesellschaftung über Erwerbsarbeit bezeichnen könnte. Lässt sich bei prekär Beschäftigten und Erwerbslosen eine 'innere' Distanz gegenüber dem zentralen Integrationsmodus finden, welche der faktisch schwindenden Integrationskraft von Erwerbsarbeit Rechnung tragen würde?