Die Intellektuellen und Europa
Abstract
Für Platon war die Demokratie ein großes Unglück und eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Philosophen. Für den modernen Intellektuellen ist die Demokratie die einzige halbwegs verlässliche Existenzvoraussetzung. Die Demokratie unserer Tage unterscheidet sich auch dadurch von ihrem klassischen Vorläufer, dass sie den Intellektuellen die Rolle des moralischen Helden verweigert. Sartre stirbt im Bett, Botho Strauß schreibt im [em]Spiegel[/em], und das 20. Jahrhundert, das Talcott Parsons das amerikanische genannt hat, unterscheidet sich - im Westen - auch darin von dem Achtzehnten, dass man Voltaire nicht mehr verhaftet. Es ist, schreibt Michael Walzer, eine der Entdeckungen der modernen Demokratie - ein Fortschritt, den wir seit den Griechen gemacht haben -, dass wir, wenn wir den Kritiker nicht töten, dadurch das Recht erwerben, ihn nicht zu bewundern (Michael Walzer). Die Demokratie ist eine unheroische Lebensform (Hans Kelsen). Der nachfolgende Text arbeitet diesen wichtigen Unterschied zwischen moderner und klassischer Demokratie, zwischen modernem und klassischem Humanismus heraus, und versucht auf diese Weise die Frage nach der Stellung des Intellektuellen innerhalb eines Europas, dessen Demokratisierung unvollendet ist und in dem bislang ist keine [em]europäische[/em] Demokratiebewegung von unten erkennbar ist, zu beantworten.