Das Recht auf Einkommen - eine systemsprengende Reform?

Durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit 1970 in den USA um 1,4 Prozent starben, ausgelöst durch den mit der gestiegenen Existenzunsicherheit erhöhten Streß nach einem Intervall von 5 Jahren, also 1975 mehr als 50.000 Menschen zusätzlich, die sonst am Leben geblieben wären (1). Ähnliches dürfte für die BRD gelten.

Dieses wenig bekannte Beispiel für die Problemlagen, die durch den kapitalistischen Krisenmechanismus erzeugt werden, verdeutlicht schlaglichtartig, wie dringend notwendig es ist, die Diskussion über konkrete, machbare, systemsprengende Reformen voranzutreiben.

Im folgenden soll eine, in letzter Zeit in zunehmendem Maß diskutierte systemsprengende(?) Reformmaßnahme, die Existenzangst und -Unsicherheit verringern könnte, näher reflektiert werden, das Recht auf Einkommen (RaE), das Recht auf gesicherte finanzielle Existenz unabhängig von der Erwerbstätigkeit.

Eine derartige Forderung wird gegenwärtig in unterschiedlicher Ausgestaltung und in unterschiedlichen Begründungszusammenhängen erhoben: von Theoretikern im Umfeld der grün-alternativen Bewegung (2) und von den Grünen (3) selber, von einigen Sozialpolitikern (4) und von Sozialethikern der evangelischen Kirche (5), von Arbeitsloseninitiativen (6) und ansatzhaft vom DGB (7).

Verschiedene Problemlagen und Begründungszusammenhänge legen durchaus den ungewöhnlichen Gedanken an ein Recht auf Einkommen (RaE) nahe. Das Problem von Armut und Elend in den reichen Industrienationen war selbst zu Zeiten relativ guter Konjunkturlage keineswegs gelöst. In der gegenwärtigen Situation der ökonomischen Krise verschärft es sich immer mehr. Selbst Heiner Geißler sprach bereits 1976 von "bitterer privater Armut" in der Bundesrepublik Deutschland. (8)

Zum zweiten liegt der Gedanke an ein RaE nahe, wenn man sich die gegenwärtigen und vor allem die für die Zukunft geschätzten Arbeitslosenzahlen anschaut. Die Schätzungen reichen bis zu über 8 Millionen Arbeitslose für das Jahr 1990 (9). Offenbar funktioniert der bisherige Tausch "Leistung gegen Geld" als Existenzgrundlage nicht mehr: "Das gute alte Prinzip, daß, wer nicht arbeitet auch nicht essen solle, macht nur so lange Sinn, wie es genug Gelegenheit gibt, Lebensmittel durch Arbeit zu erwerben. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, so müssen die Erträge der Arbeit offenbar anders auf die Bedürfnisse der Bürger verteilt werden als durch den Tausch von Arbeitsleistung gegen Arbeitseinkommen und die diesem Tausch nachgeschalteten System von sozialer Sicherung und Familie." (10) Verfolgt man diesen Gedanken weiter, so könnte sich damit gleichzeitig - bei einem entsprechend attraktiv ausgeschalteten RaE - auf unbürokratische Weise eine gleichmäßigere Verteilung der knapper werdenden Arbeit im Erwerbsbereich ergeben.

Eine derartige Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit ist bisher noch nicht diskutiert worden. Es beständen aufgrund der gesicherten ökonomischen Existenz auf reduziertem Niveau individuell viel mehr freie Wahlmöglichkeiten, entweder erwerbstätig zu sein oder nicht, sich weiterzubilden, Neues auszuprobieren, eine Weile Tätigkeiten nachzugehen, die nicht durch Lohn abgegolten werden etc. Eine Reihe von jetzt Erwerbstätigen würde dieses Angebot möglicherweise eine Zeitlang nutzen und damit Arbeitsplätze für jetzt Erwerbslose frei machen.

Einen dritten Problemkreis, der ebenfalls ein RaE als sinnvoll erscheinen läßt, haben vor allem die neuen sozialen Bewegungen in letzter Zeit thematisiert. Sie haben den Blick auf Arbeiten gelenkt, die gesellschaftlich sinnvoll und notwendig sind, den "Wohlstand der Nation" erhöhen, gleichwohl aber nicht ökonomisch in Lohn und Gehalt abgegolten werden. Solche Arbeiten sind etwa: Hausarbeit, Erziehung der eigenen Kinder, Eigenarbeit, Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliche Tätigkeiten, politisches und gesellschaftliches Engagement, soziale Selbsthilfe etwa zur Lösung psychischer und gesundheitlicher Probleme oder ähnliches. Nach einer französischen Untersuchung entfielen 1975 in Frankreich 43% der gesamten Stundenzahl, die die Bevölkerung mit Arbeit verbringt, auf die berufliche Erwerbstätigkeit - demgegenüber 57% auf die genannten nichtmarktvermittelte Tätigkeiten (11). Wenn diese Arbeiten aber den Wohlstand der Gesellschaft erhöhen, ja für den Bestand der Gesellschaft unumgänglich notwendig sind, so erscheint es nicht mehr als recht und billig, wenn die Gesellschaft diesen "Arbeitern" auch einen Anspruch auf die über den Markt verteilten Güter gewährt. Da eine spezifizierte Bezahlung für bestimmte Tätigkeiten in diesem Bereich schwierig ist (Probleme der genauen Abgrenzbarkeit, der damit verbundenen bürokratischen Aufblähung, bzw. der Möglichkeit behördlicher Willkür etc.) liegt der Gedanke an eine pauschale egalitäre Bezahlung durch die Gesellschaft mit einer Art Grundlohn nahe.

Zum vierten könnten sich mit einem RaE auf angemessen hohem Niveau eine Reihe positive Effekte in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen ergeben, wie etwa die Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Bevölkerung, die Veränderung des Normensystems, die Senkung der Kriminalität, die viel weitergehende Humanisierung der Arbeit etc. Darauf wird weiter unten eingegangen bei der Darstellung der positiven hoffnungsvollen Variante der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung, die sich nach Durchsetzung eines RaE in vernünftiger Ausgestaltung ergeben könnte.

Zum fünften schließlich könnten sich mit einem RaE gesellschaftliche Effekte ergeben, die ein Schritt sind zur Verwirklichung der emanzipatorischen Ansprüche, wie sie in jüngster Zeit vor allem von den neuen sozialen Bewegungen artikuliert worden sind. Solche Ansprüche sind etwa:

  • die Schwerpunktsetzung auf "Leben", auf soziale Beziehungen, auf solidarischen Umgang miteinander
  • das viel persönlichere Politikverständnis und die Ablehnung des traditionellen Machtkalküls innerhalb und zwischen den Parteien, sowie das entsprechende Engagement in den verschiedensten "Ein-Punkt-Bewegungen"
  • die Schwerpunktsetzung auf Selbstverwirklichung in der Arbeit, auf gesellschaftlich sinnvolle Arbeit
  • die Orientierung an einem universalistischen Menschenbild
  • Öffentlichkeit und Gleichheit als Grundprinzipien gesellschaftlichen Umgangs
  • die Überwindung der "Privatheit der Interessen" trotz, vielleicht auch gerade wegen der Zentrierung auf die eigene Person
  • Das "persönlichere" Vergesellschaftsmodell usw.

Diese Ansprüche können alle gefaßt werden - und sind damit gleichzeitig das "innere Band", das Gemeinsame, der Zusammenhalt der heterogenen Bewegung mit den unterschiedlichsten Zielen und der unterschiedlichsten sozialen Zusammensetzung - als "Subjektwerdung" im Sinne von dem Versuch, sich vom unbegriffenen und unbewußten Getriebensein durch ökonomische, soziale, psychische und körperliche Gesetzmäßigkeiten zu befreien, und zwar in einer Art und Weise, die nicht andere und anderes (Natur) herrschaftsmäßig zum Objekt macht.

Diese Tendenz "Subjektwerdung" in den neuen sozialen Bewegungen braucht jedoch, soll sie dauerhaft sein, eine ökonomische Grundlage. Ein allgemeines RaE könnte ein Schritt in diese Richtung sein.

Im folgenden sollen nun einige Überlegungen zu einem RaE, das auf dem Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbsarbeit beruht, vorgetragen werden. Ist es grundsätzlich, und wenn ja in welcher Ausgestaltung unter bestimmten gesellschaftspolitischen Prioritätensetzungen "machbar" und welche Veränderungen der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung wären damit verbunden?

In den ersten beiden Teilen sollen zunächst die bisherigen Diskussionen, die irgendwie in Richtung auf ein RaE zielen, verfolgt werden unter der Fragestellung: wie wird dabei der Tatsache, daß ja irgendjemand den gesellschaftlichen Reichtum produzieren muß, Rechnung getragen? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: in fast allen politischen Zielvorstellungen und theoretischen Konstruktionen - vor allem auch in den neueren, aus dem Umfeld der grün-alternativen Bewegung kommenden Beiträgen - wird dieser Tatsache durch einen in der einen oder anderen Art und Weise eingebauten Zwang zur Arbeit Rechnung getragen.

Ein konkretes, reformpraktisch auch in kleinen Schritten angehbares Modell eines RaE, das wirklich dem Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit Rechnung trägt, sowie Überlegungen zur Finanzierbarkeit und zu den Arbeitsangebotsreaktionen werden dann im dritten und vierten Teil dargestellt.

Erscheint unter den gängigen Einwänden der Finanzierbarkeit und des Arbeitsangebotes ein RaE überraschenderweise durchaus als "machbar", so wird im letzten Teil auf Grundlage eines positiven und eines negativen Scenarios der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung das weite Spektrum der Entwicklungsmöglichkeiten auf Grundlage eines RaE abgesteckt und damit eine aufkommende Reformeuphorie gedämpft.

Zur "älteren" Diskussion um ein "Recht auf Einkommen"

Unter RaE soll hier das Recht aller Mitglieder der Gesellschaft auf eine gesicherte ökonomische Existenz auf reduziertem Niveau unabhängig vom individuellen Beitrag zum gesellschaflichen Wohlstand zu einem bestimmten Zeitpunkt verstanden werden. Die Betonung liegt dabei auf "Recht". RaE ist kein durch bürokratische Logik gefiltertes, erbetteltes Almosen. Arbeit im Erwerbssektor würde dann freiwillig ohne den existentiellen Zwang des ökonomischen Überlebens geleistet werden.

Diese Definition unterscheidet sich erheblich von den bisherigen Vorstellungen, die in Richtung eines RaE weisen, und die im folgenden unter diesem Aspekt diskutiert werden sollen. Der Tatsache, daß irgend jemand den gesellschaftlichen Reichtum produzieren muß, wurde bisher in der realen Entwicklung wie auch theoretisch, im Kapitalismus wie im Sozialismus, durch die Methode des Zwangs - administrativ oder durch den strukturellen Zwang der Verhältnisse - in der einen oder anderen Form Rechnung getragen.

Das Recht auf eine gesicherte ökonomische Existenz ohne den Zwang, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand zu leisten, besaßen in der bisherigen Geschichte immer nur wenige - entweder durch die mit der Geburt verbundene Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie, wie der Adel im Feudalismus, oder durch umfänglichen Kapitalbesitz in der gegenwärtigen Gesellschaft. Und dies war nicht nur das Recht auf ökonomische Existenz, sondern oft das Recht, in großem Luxus zu leben. Voraussetzung dafür war und ist jedoch, daß durch verschiedene ökonomische oder gesellschaftliche Mechanismen andere Teile der Gesellschaft zur Arbeit gezwungen werden - und trotzdem davon häufig kaum leben können.

Im Sozialismus/Kommunismus gibt es theoretisch wie praktisch keine arbeitslosen Einkommen (12). In einer grundsätzlich umgestalteten Wirtschaft soll das Recht auf Arbeit gewährleistet sein, wobei das Recht auf Arbeit eng verbunden ist mit der Pflicht zur Arbeit (13) - wie heute etwa in der DDR (14).

Allerdings findet sich bei Marx konzeptionell eine wichtige Parallele zu der hier vorgetragenen Vorstellung eines RaE (15). Durch die Entwicklung der Produktivkräfte soll es seiner Vorstellung nach nicht nur zur Vermehrung des realen Reichtums für alle kommen, sondern vor allem zur Ausweitung der ,,disposable time", der freien Zeit - die sowohl Mußzeit als Zeit für höhere Tätigkeit ist. Die "disposable time" ist dann "das Maß des Reichtums" einer Nation, und sie macht "die Zeit aller frei für ihre eigene Entwicklung", für "die volle Entwicklung des Individuums". Die freie Zeit verwandelt "ihren Besitzer natürlich in ein anderes Subjekt", und als solches tritt er dann wieder in den unmittelbaren Produktionsprozeß, wirkt als voll entwickeltes Individuum und damit als "größte Produktivkraft" zurück "auf die Produktivkraft der Arbeit" (16).

Eine eher witzige Variante der traditionellen sozialistisch/kommunistischen Strategie der Verkürzung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit - die von einer Luxuskritik ausgehende Diskussion vorwegnehmend - präsentiert Paul Lafargue, der Schwiegersohn von Karl Marx, in seinem "Recht auf Faulheit". Er kritisiert die "Arbeitssucht", die "in den Arbeitern eingewurzelt ist", und will die Arbeiter "zwingen" (also auch hier das Moment des Zwangs), sich täglich mit fünf oder sechs Stunden Arbeit zu begnügen. "Dann werden die Arbeiter nicht mehr miteinander eifersüchteln, sich nicht mehr die Arbeit aus der Hand und das Brot vom Mund wegreißen, dann werden sie, nicht mehr an Leib und Seele erschöpft, anfangen, die Tugenden der Faulheit zu üben." (17)

Eher in Richtung auf ein RaE weisen bestimmte Elemente der Sozialstaatlichkeit im Kapitalismus, wie etwa Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe (18). Diese entfalten allerdings gegenwärtig keineswegs die produktiven Potenzen der "disposable time", und zwar u.a. deshalb nicht, weil Erwerbslosigkeit noch Makel ist und als solcher empfunden wird, weil die Fähigkeiten zur selbsttätigen Entfaltung völlig ungenügend entwickelt und die Normensysteme noch zu sehr dem Bestehenden verhaftet sind.

Das Prinzip der Sozialstaatlichkeit geht u.a. davon aus, daß die ökonomische Entwicklung des Kapitalismus immer wieder zur Arbeitslosigkeit führt, die dem einzelnen Betroffenen nicht angelastet werden kann, er deshalb Anspruch auf Versorgung hat (19). Diesen Anspruch besitzt er jedoch nur solange, wie sich keine Arbeit für ihn findet. Er selbst ist gezwungen, sich permanent für den Arbeitsmarkt verfügbar zu halten bzw. seine Arbeitskraft anzubieten. "Wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten, hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt", heißt es etwa im Bundessozialhilfegesetz (20) - also auch hier das Moment des Zwangs.

Zur Rechtfertigung des Zwangs zur Arbeit wird häufig argumentiert, Arbeit sei wichtig zur Strukturierung und Sinngebung des Lebens, da die Menschen sonst verkommen würden. Man verweist z.B. auf das Speenhamland-System der Armenhilfe zwischen 1795 und 1834 in England, das die Armen angeblich völlig demoralisierte (21). Erst die Abschaffung dieses leistungsunabhängigen, am Brotpreis orientierten Unterstützungssystems und die Schaffung eines freien Arbeitsmarktes hätten die Probleme beseitigt.

Ob die Situation der Arbeiter anschließend im Frühkapitalismus wirklich besser war, sei dahingestellt. (22) Vor allem aber hatte die Demoralisierung und Verkommenheit der damaligen Armen ihre Ursache nicht in dem Unterstützungssystem, das nur versuchte, mit unzureichenden Mitteln die ohnehin vorhandenen Probleme der Armut zu mildern. Die Ursachen dafür sind eher zu suchen in der sozialen Entwurzelung großer Teile der ländlichen Bevölkerung durch die vorhergehende Revolution in der Landwirtschaft, d.h. der Vertreibung der Kleinbauern von ihrem Land, und der "Einfriedung", d.h. der Privatisierung des Gemeindelandes und der Schaffung von Großgrundbesitz. (23)

Ein zentrales Problem wird aber am Beispiel des Speenhamland-Systems deutlich: Ein garantiertes Recht auf Lebensunterhalt allein löst keineswegs alle sozialen Probleme.

In allen theoretischen Konzeptionen und politischen Zielvorstellungen, die einer Diskussion um ein RaE zugerechnet werden können, wird ebenfalls mit dem Mittel des Zwangs - administrativ hergestellt oder strukturell erzeugt - gearbeitet, um die Produktion des gesellschaftlichen Grundbedarfs zu sichern. Der Gedanke, ob derartiges nicht ausgehend vom Prinzip der Freiwilligkeit gewährleistet werden könnte, wird kaum erwogen.

Ein bedürfniskritischer Strang dieser Diskussion unterteilt die gesellschaftliche Produktion - anknüpfend an die Diskussion zu den Kategorien "produktiv" und "unproduktiv" in der Ökonomie (24) - in eine für den täglichen Bedarf oder auch das Existenzminimum und eine zur Herstellung von Luxusgütern. Im Gefolge der wirtschaftsethischen Luxuskritik der Historischen Schule entwickelte Popper-Lynkeus seine Idee der "allgemeinen Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage" (25): Der Staat soll einen volkswirtschaftlichen Sektor für den allgemeinen Grundbedarf organisieren. Alle Mitglieder der Gesellschaft sind gezwungen, nach dem Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht eine bestimmte Anzahl von Jahren in diesem Sektor zu arbeiten. Damit erwerben sie den Anspruch, während ihres gesamten Lebens auf reduziertem Niveau versorgt zu sein. Darüber hinaus kann jeder frei über seine Zeit verfügen, vor allem kann er im weiterexistierenden privat-kapitalistischen Sektor arbeiten und sich damit Ansprüche auf den Erwerb von Luxusgütern verschaffen.

Anhänger dieser Idee gründeten 1918 den Verein "Allgemeine Nährpflicht", dem 1920 über tausend Mitglieder angehörten und der eine beachtliche Aktivität entwickelte, die u.a. bis Australien ausstrahlte. (26)

Vor dem Hintergrund der konsum- und wachstumskritischen Diskussion seit Ende der sechziger Jahre (27) entwickelte Adler-Karlsson eine ähnliche Idee (28). Auch er besteht auf der Arbeitspflicht in einem staatlich organisierten volkswirtschaftlichen Sektor. Je nach Höhe des Grundeinkommens und je nach Länge der täglichen Arbeitszeit in diesem Sektor kommt Adler-Karlsson in einer Alternativrechnung zu einer Lebensarbeitspflicht von zehn bis 16 Jahren. Das Konzept ist allerdings u.a. unter folgenden Aspekten außerordentlich problematisch:

  • Der starke administrative Zug in dem bürokratisch organisierten Grundbedarfssektor erinnert eher an den nationalsozialistischen Arbeitsdienst (29).
  • Das Problem der gesellschaftlich wichtigen und notwendigen Arbeit im informellen Sektor wird nicht thematisiert und gelöst.
  • Das gesamte kapitalistische Wachstums- und Zivilisationsmodell mit allen Folgen etwa in Bezug auf die Ökologie wird nicht in Frage gestellt. Ausgangspunkt der Kritik ist nur der individuelle Überkonsum bzw. die Bedürfnismanipulation in diesem Bereich.

Abgesehen von dieser Kritik setzt die Konstruktion eines derartigen volkswirtschaftlichen Sektors so weitreichende Umstrukturierungen der gesellschaftlichen Produktion und ein derart dirigistisches administratives Eingreifen in den gesamten Wirtschaftsprozeß voraus, daß es letztlich inkompatibel mit der kapitalistischen Wirtschaftsform ist - und von daher in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar erscheint.

Eine umfangreiche Diskussion zu einem RaE wird schließlich unter verschiedenen Begriffen wie Social Credit, Sozialdividende, Teilhabersteuer, Staatsbürgergeld, National Dividend, Negative Einkommenssteuer oder Credit Income Tax im liberalen und konservativen bzw. neo-konservativen Lager geführt. Diese Diskussionen gehen in ihrem Ursprung auf die Vorschläge von Douglas und Hattersley zu Beginn der zwanziger Jahre zurück (30).

Die Probleme der Arbeitslosigkeit, die sie in Überproduktion, Automation und dem Übergang von der Kriegs- zur Friedensproduktion begründet sahen, wollten sie über einen ,,community's credit" für jedermann lösen. Finanziert werden sollte dies offensichtlich durch eine Geldschöpfung der Regierung. Ähnlich wie im Gefolge der Vorschläge von Popper-Lynkeus bildete sich eine Bewegung zur Durchsetzung dieser Vorstellungen, das "Social Credit Movement", das bis nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv war und durchaus einigen politischen Einfluß u.a. in Kanada und Neuseeland erlangte.

An dieser Stelle kann nicht auf die Einzelheiten der verschiedenen Vorschläge eingegangen werden. Grob lassen sich die Nationaldividende (31) und die negative Einkommensteuer unterscheiden. Nach dem Konzept der Nationaldividende bekommt jedes Mitglied der Gesellschaft, unabhängig davon, wie hoch sonst sein Einkommen ist, einen Grundbetrag vom Staat zur Verfügung gestellt, der eine Art Wohlfahrtsbasis garantieren soll (32). Da ihn alle bekommen, wird dies natürlich sehr teuer, obwohl der Grundbetrag in den verschiedenen Modellrechnungen keineswegs zum Leben ausreicht (33). Daß zur Finanzierung alle bisherigen Ausgaben des Sozialstaates herangezogen würden, macht derartige Modelle für Wirtschaftsliberale interessant (34); denn dann gewänne etwa wegen des geringen Grundbetrages die private Vorsorge für Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit etc. wieder an Relevanz (35).

Theoretisch steht hinter dem Konzept der Nationaldividende die Idee der "gleichen Grundausstattung" für alle Marktteilnehmer, die Voraussetzung für das möglichst ungehemmte Wirken der Marktkräfte und dem daraus angeblich folgenden gesamtgesellschaftlich wohlstandsoptimalen Gleichgewicht sei.

Verteilungspolitisch bedeuten derartige Vorschläge eine rigide Umverteilung der Einkommen von unten nach oben. Die unteren Einkommensschichten stünden sich wegen des relativ geringen Betrages der Nationaldividende sehr viel schlechter, da alle bisherigen Ausgaben des Sozialstaates wegfielen. Diese bisherigen Ausgaben würden u.a. dazu verwandt, den oberen Einkommensschichten - entsprechend dem Konzept der gleichen Grundausstattung - einen zusätzlichen Betrag, die Nationaldividende, zukommen zu lassen.

Geht es im Konzept der Nationaldividende nicht einmal dem Anspruch nach um Armutshilfe, so tritt das Konzept der negativen Einkommenssteuer zumindest ideologisch mit diesem Anspruch auf. Ausgangspunkt dabei ist die Kritik an den beträchtlichen Verwaltungskosten des Sozialstaates (36). Milton Friedman etwa meint, daß es in den USA keine Armut mehr gäbe, wenn die staatlichen Kosten des "Krieges gegen die Armut" direkt an die Bedürftigen ausgezahlt würden - z.B. über eine negative Einkommensteuer (37). Die vordergründige Plausibilität dieser Argumentation entlarvt sich jedoch sehr schnell, wenn man sich die Zahlen des Friedman-Plans anschaut. Danach soll eine vierköpfige Familie als Wohlfahrtsbasis 125 Dollar pro Monat erhalten (38), ein Betrag, der weit unter der offiziellen Armutsgrenze liegt.

Dieses Konzept geht zurück auf die Idee einer Social Dividend von Lady Rhys-Williams (1942) (39), einem Mitglied der britischen liberalen Partei. Die Idee wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Amerika begeistert von einem Teil der Ökonomen, insbesondere Milton Friedman, aufgenommen und zum Konzept der Negativen Einkommensteuer weiterentwickelt (40).

Das komplizierte System von sozialstaatlichen Zuwendungen soll durch ein Mindesteinkommen ersetzt werden, das jeder automatisch erhält, der über kein Arbeitseinkommen verfügt (also nicht alle Mitglieder der Gesellschaft wie im Konzept der Nationaldividende). Wird ein geringes Arbeitseinkommen erzielt, verringert sich die staatliche Zuwendung sukzessive, aber so, daß das insgesamt aus Arbeitstätigkeit und negativer Steuer erhaltene verfügbare Einkommen trotzdem steigt, bis man von einer bestimmten Höhe des Arbeitseinkommens an beginnt, positive Steuern nach dem bekannten Prinzip zu bezahlen. Die Verfechter des Konzepts versprechen sich davon u.a. eine sozialpolitische Vereinfachung, einen Freiheitsgewinn für die Betroffenen und eine erhebliche Senkung der Verwaltungskosten (41).

In den USA wurde dieses Konzept im Gefolge der Slumunruhen und der "Krise der Großstädte" gegen Ende der sechziger Jahre als Mittel im "Krieg gegen die Armut" propagiert (42). Über 1000 Ökonomen unterzeichneten 1968 eine in diese Richtung zielende Resolution an den amerikanischen Kongreß, ein entsprechender Vorschlag der Nixon-Administration scheiterte nur knapp (43). In den Jahren 1968 bis 1976 gab es zu dem Konzept vier großangelegte empirische Versuche, um die Wirkung der Negativen Einkommensteuer zu testen (44).

In allen Vorschlägen, theoretischen Modellen und empirischen Versuchen wird aber das Mindesteinkommen so niedrig angesetzt, daß die Armut damit keineswegs beseitigt wäre, ja sich durch den Wegfall der anderen sozial-staatlichen Leistungen eher noch verschärfte. Die Beseitigung der Armut ist aber auch gar nicht das eigentliche Ziel dieser Vorschläge, selbst wenn sie es suggerieren. Das primäre Ziel ist die Schaffung eines strukturellen Zwangs zur Erhöhung des Arbeitsangebotes für die schlecht bezahlten und stark belastenden Tätigkeiten, die selbst im gegenwärtigen System niemand annimmt (45), was aber im Rahmen des neuen Konzepts "ökonomisch" wäre. Gleichzeitig ergäbe sich auf der Grundlage des allgemeinen Mindesteinkommen die Möglichkeit für Lohnsenkungen und damit Kostenentlastungen der Unternehmer (46).

Das RaE, wie es mit den bisherigen Vorschlägen zur Negativen Einkommensteuer angestrebt wird, ist also erheblich mit einem Zwang zur Arbeit verbunden, ja sogar mit einer Steigerung des Zwangs, schlecht bezahlt und unter üblen Bedingungen zu arbeiten.

Insgesamt laufen diese konservativen bzw. neokonservativen Vorschläge zur Schaffung einer Negativen Einkommensteuer darauf hinaus, alle bisherigen sozialstaatlichen Ausgaben - über den "Vermittlungsschritt", die Löhne mit Hinweis auf das RaE leichter senken zu können - den Unternehmern als Subvention zur Verbilligung ihrer Lohn- und Gehaltszahlungen zukommen zu lassen, wobei im blinden Vertrauen auf die Marktgesetze gehofft wird, daß sich dann Vollbeschäftigung einstellt, denn allein von dem Mindestbetrag, der den konservativen Vorschlägen zugrunde liegt, kann niemand überleben.

Ebenfalls in Richtung auf ein RaE weisen Vorschläge zur Lösung der EG-Agrarmisere. Das Dilemma landwirtschaftlicher Überproduktion, der Vernichtung von Lebensmitteln und des sich immer weiter erhöhenden Finanzierungsbedarfs zur Durchführung der Markt- und Preispolitik ist bekannt. Durch die weitgehende Aufgabe der Agrarpreisstützungspolitik und eine Annäherung des Agrarpreisniveaus an das Weltmarktpreisniveau soll der notwendige Agrarstrukturwandel beschleunigt werden. Die damit verbundenen Einkommensverluste landwirtschaftlicher Haushalte sollen durch direkte Transferzahlungen ausgeglichen werden. Nach einer Modellrechnung für die Bundesrepublik 1978 würden "selbst bei pessimistischen Annahmen" bei der Aufgabe der Preisstützung Mittel in Höhe von 3,99 Milliarden DM eingespart, die ausreichen würden, um in der Bundesrepublik Deutschland rund 315000 landwirtschaftlichen Haushalten jährlich nach dem Sozialhilfeprinzip 12660 DM zu zahlen (47).

Ob die gewünschten agrarpolitischen Ziele damit wirklich erreicht würden, sei dahingestellt (48). Ganz sicher allerdings würde damit keineswegs die notwendige Umstrukturierung in Richtung auf eine ökologischere Landwirtschaft gefördert. Die gesellschaftspolitische Zielrichtung derartiger Vorschläge wird aber besonders an folgendem deutlich: "Es wird ... für zumutbar angesehen, daß zunächst eventuell vorhandenes Vermögen zu veräußern bzw. zu beleihen ist, ehe Transferzahlungen gewährt werden" (49). Die Bauern sollen also ihr Land erst beleihen und dann verkaufen. Dieses im Rahmen der EG-Landwirtschaftsdiskussion vorgeschlagene RaE, das zur Abfederung der einkommenspolitischen Konsequenzen des neokonservativen Vertrauens auf das möglichst freie Wirken der Marktgesetze vorgeschlagen wird, ist also eher als "Recht" auf Enteignung und Verarmung eines Teils der Bauern anzusehen.

Zur neuen Diskussion um ein "Recht auf Einkommen"

Dieser Überblick über die bisherige Diskussion zum RaE bliebe unvollständig, ginge man nicht noch kurz auf die neuen, tastenden Argumentationsversuche im Umfeld der Ökologie- und Alternativebewegung ein.

Man sollte es kaum für möglich halten, wie weitgehend identisch bzw. eng verhaftet ein Teil dieser Vorstellungen den neokonservativen Vorstellungen ist. Die ökologische Partei in England schlägt etwa vor, "alle Leistungen zur sozialen Sicherung und alle Steuerfreibeträge durch eine einzige automatische Zahlung an jeden zu ersetzen" (50).

Die vorgeschlagene Höhe dieser Nationaldividende liegt etwa im Bereich des englischen Sozialhilfesatzes (51), der damit - problematisch genug - als ausreichend für ein "menschenwürdiges Leben" angesehen wird. Gleichzeitig fielen jedoch Sozialstaatsleistungen weg wie etwa "Arbeitslosenunterstützung, Leistungen bei Krankheit und Invalidität, Miet- und Gebührenerstattungen (für Strom, Gas, Wasser etc.), freie Schulmahlzeiten. Zuwendungen für Kleidung, Ergänzungen zum Familieneinkommen" etc. (52) "Renten, Pensionen und Kindergeld würden ebenfalls stufenweise abgebaut" (!) (53).

Sehr viele Menschen stünden sich also im Modell der englischen Ökologen sehr viel schlechter als im bestehen englischen System der Sozialstaatlichkeit, während umgekehrt die höheren Einkommensschichten - da ja jeder in der Gesellschaft die Nationaldividende erhielte - einen Zugewinn erhielten. Dieser Umverteilungseffekt von unten nach oben würde noch dadurch verstärkt, daß zur Finanzierung dieses Modells u.a. die indirekten Steuern erhöht werden sollen (54). Die "heimlichen Ziele der konservativen Vorschläge zu einem RaE, nämlich das Arbeitsangebot für schlecht bezahlte und stark belastende Tätigkeiten zu erhöhen und einen Großteil der bisherigen sozial-staatlichen Ausgaben den Unternehmern faktisch als Subvention zur Verbilligung ihrer Lohn- und Gehaltszahlungen zukommen zu lassen, sprechen die englischen Ökologen offen aus: Die Nationaldividende würde den Arbeitsanreiz wieder einführen, "den der Wohlfahrtsstaat beseitigt hat". Und "Unternehmer könnten mehr Arbeiter bei gleichen Lohnkosten einstellen. Geringe Bezahlung würde weniger unakzeptabel sein, weil es besser sein würde, seine Nationaldividende mit einem geringen Lohn zu erhöhen, als sie mit gar keinem Lohn zu erhöhen". (55) Damit soll die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Wie jedoch z.B. ein alleinstehender Erwachsener von 80 Pfund pro Monat plus etwa 11 Pfund Mietkostenzuschuß (= 364 DM) leben soll, wenn er trotzdem keine Arbeit findet, reflektieren die englischen Ökologen nicht. Im übrigen dürfte ein derartiger Vorschlag die Unternehmen kaum zu einem ökologisch verantwortungsvolleren Handeln anhalten.

Sozialpolitisch ähnlich katastrophale Vorstellungen wie bei den englischen Ökologen sind auch in der neueren bundesdeutschen Diskussion zu finden. So wird eine Sozialdividende in Höhe von 500 DM monatlich für jeden Deutschen über 14 Jahre gefordert (56). Dies ist weniger als etwa Heiner Geißler bereits 1976 als Armutsgrenze für einen EinPersonen-Haushalt annahm (57). Finanziert werden könnten die entsprechenden Kosten in Höhe von 300 Mrd. DM im wesentlichen "aus der bereits über den Staat umverteilten Masse" (58). Hier gilt die gleiche Kritik wie sie bereits gegenüber den englischen Grünen geäußert wurde.

Diese Kritik gilt grundsätzlich auch für etwas großzügigere Vorstellungen einer Sozialdividende (59), bei denen bezeichnenderweise Überlegungen zur Finanzierbarkeit fehlen. "Machbar" wären solche Vorschläge - wegen der immensen Kosten des RaE in dieser Ausgestaltung - nur bei einer sehr viel geringeren Sozialdividende (unterhalb gegenwärtiger Sozialhilfeansprüche), die sich vermutlich im Prozeß der politischen Durchsetzung dann auch ergeben würde.

Gleiches gilt im Prinzip - wenn auch nicht ganz so ausgeprägt - für das RaE nach dem Prinzip der oben kurz dargestellten Negativen Einkommenssteuer (60). Auch hier wird vorgeschlagen den Grundbetrag u.a. durch eine Umverteilung von Kindergeld, Wohngeld, Arbeitslosenhilfe etc. zu finanzieren, wobei sich Viele schlechter stehen als im bisherigen System von Sozialstaatlichkeit. (61)

Grundsätzlich ist das Prinzip der Negativen Einkommenssteuer strukturell so angelegt, daß der Grundbetrag auch kaum höher sein kann als die gegenwärtigen Sozialhilfeansprüche. Gerhardt/Weber kommen bereits in einer Modellrechnung (62), bei der 8 Millionen Empfänger (wieso eigentlich nur so wenig?) durchschnittlich 7500 DM jährlich, also 625 DM im Monat erhalten, auf zusätzliche Kosten für den Staat in Höhe von 74 Mrd. DM, wobei die eben angesprochenen sehr problematischen Einsparungen schon vorher verrechnet wurden. Anscheinend gehen sie davon aus, daß diese 8 Millionen Empfänger gelegentlich noch arbeiten. Sie schlagen gleichzeitig ein monatliches Mindesteinkommen von 800 DM pro Person vor, über das "sich politisch verhandeln ließe" (d.h. also, daß es nach dem Prozeß der politischen Durchsetzung auch etwas niedriger sein dürfte).

Zu fragen bleibt bei all diesen Modellen von Sozialdividende und Negativer Einkommenssteuer: warum eigentlich der ganze Aufwand, wenn dabei nicht mehr herauskommt als in etwa Ansprüche im gegenwärtigen System von Sozialstaatlichkeit bestehen. So hat etwa eine Familie mit zwei Kindern bei einer Miete von 505 DM nach den gegenwärtigen Regelungen Anspruch auf Sozialhilfe in Höhe von l783 DM (63). Ansonsten sind derartige Modelle nur mit unerwünschten Umverteilungseffekten und der Gefahr verbunden, daß im Prozeß der politischen Durchsetzung das Mindesteinkommen geringer wird als selbst gegenwärtige Sozialhilfeansprüche.

Das Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit, die freie Wahl "zwischen Schornstein und Surfbrett" (Gretschmann) wäre damit kaum mehr eingelöst als gegenwärtig, wenn man die Arbeitsdienstpraxis einiger Sozialämter abschafft.

Faktisch weisen ein Teil der aus dem Umfeld der Ökologie- und Alternativbewegung kommenden Vorschläge zu einem RaE, soweit sie konkretere Gestaltung angenommen haben, in die Richtung der gegenwärtig in der CDU und der FDP diskutierten Strategie einer "Deckelung" des Sozialsystems. Danach soll nur noch die "Grundversorgung", das "sozialkulturelle Existenzminimum" sozial-staatlich gewährleistet werden, weitergehende Ansprüche sollen nur durch Eigeninitiative, d.h. durch private Vorsorge erworben werden können. (64)

Will man den aufgezeigten Gefahren, die in den bisherigen Modellen des RaE stecken, entgehen und RaE installieren, das wirklich das Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit gewährleistet und das gleichzeitig von der Finanzierungsseite her als "machbar" erscheint, so wäre das am ehesten durch eine Strategie der "Sockelung" bisheriger Sozialstaatlichkeit zu erreichen. Eine derartige "Sockelung" wird ansatzweise bereits von Hofmann/Leibfried (65) oder etwa der Redaktion der Zeitschrift "Widersprüche" als "Soziale Garantie" gefordert (66), aber die Autoren kommen defensiv, in Abwehr gegenwärtiger Entwicklungen, zu ihren Forderungen. Ihnen fehlt die offensiv gewandte utopische Dimension, die den bisherigen Vorschlägen eines RaE eine so große Resonanz verschafft, auch wenn sie in der konkreten Ausgestaltung - wie aufgezeigt - ihre Utopie gerade nicht einlösen. Ohne utopische Idee wird es aber keine soziale Bewegung geben, die eine "Sockelung" bisheriger Sozialstaatlichkeit durchsetzen könnte. Die offensive Propagierung des Prinzips der "Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit" könnte diese utopische Dimension erschließen, die es dann - als Gegenpol zu der immer mehr in den Blickpunkt geratenden Idee eines Arbeitsdienstes - ermöglichen würde, konkrete Schritte zur "Sockelung" des Sozialsystems durchzusetzen.

Welchen weitergehenden gesellschaftspolitischen Sinn soll nun ein RaE, das wirklich dem Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit Rechnung trägt, haben? Offe und Berger (67) geht es um eine "partielle Abkoppelung der Lebensführung von Arbeits- und Warenmärkten"; u.a. mit Hilfe eines garantierten Mindesteinkommens soll "eine Umkehr jener Entwicklung" eingeleitet werden, "die faktisch zur Abhängigkeit der Mehrheit der Bevölkerung vom Arbeitsmarktgeschehen geführt hat". Implizit steckt in diesem Modell ein partieller Zwang zur Eigenarbeit zwecks Selbstversorgung, der wenig mit "Befreiung" und viel mit neuer Armut und Dualisierung der Gesellschaft zu tun hat.

Gorz' (68) Perspektive ist etwas anders. Im formellen Sektor soll jeder Bürger das "nicht weiter reduzierbare Quantum an gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit" erbringen - 20000 Stunden pro Leben; ansonsten lebt er auf Grundlage des RaE im Reich der Freiheit: im informellen Sektor. Abgesehen davon, daß unklar bleibt, nach welchem Prinzip die 20000 Stunden Lebensarbeitszeit verteilt werden sollen, ob das mit der einen oder anderen Form von Zwang geschehen soll oder auf der Grundlage von Freiwilligkeit, wie sich hie und da andeutet (69), wird vor allem nicht die Notwendigkeit der Arbeit für bestimmte Produkte des formellen Sektors infrage gestellt. Hier im formellen Sektor wird nicht nur gesellschaftlicher Reichtum, der bei anderer Verteilung für alle nutzbar ist, hergestellt, sondern hier wird vor allem die Entwicklung hin zu einem industrialistisch-kapitalistischen Zukunftsmodell vorangetrieben, das in etwa einer Mischung aus Orwells "1984" und Huxleyes "Brave new world" entspricht.

Sollen sich an der Arbeit im formellen Sektor für dieses Ziel nach Gorz auch noch alle beteiligen, so ist die gesellschaftspolitische Perspektive von Schmid/Gerhardt/Weber u.a. noch etwas anders. Glotz hat es richtig erkannt (70). Ihre Art des RaE wäre eine ökonomische Grundlage bestenfalls für die etwa 100000 Menschen der alternativen Szene. Es ist praktisch ein Angebot dieser Szene an das System, gebt uns 800 DM, eventuell wären wir auch mit etwas weniger zufrieden, dann "sind wir bereit, Euch und Eurem ganzen gräßlichen Arbeits- und Wirtschaftssystem den Rücken zu kehren und Euch in Frieden zu lassen." (71) Wir machen Euch sogar weiterhin das Angebot - so könnte man ergänzen - das ganze nicht durch eine Umverteilung der Produktivgewinne, sondern zumindest zum Teil aus einer Umverteilung von Arbeitseinkommen zu finanzieren. Und vielleicht springt für Euch die "Herausbildung eines neuen alternativen Unternehmertums" (72) ab, von dem wir zwar meinen, es würde "die nicht technologiefeindliche Überwindung der fordistischen Produktionsweise" praktizieren (73), wobei aber ein "gesamtwirtschaftlicher Nutzen... (Silicon-Valley)" (74) auch Eurem industrialistisch-kapitalistischen Zukunftsmodell zugute kommt.

Gegenüber derartigen gesellschaftspolitischen Perspektiven in die ein RaE eingebettet sein kann - und die hier zugegebenermaßen überspitzt polemisch formuliert sind - wäre folgendes vernünftiger: Die starre Trennung des Rechts auf Einkommen vom Recht auf Arbeit ist aufzulösen. Das RaE ist sinnvollerweise, anknüpfend an Stephan Leibfried (75), als "Recht auf angemessene selbst definierte Arbeit" und zwar im formellen, wie im informellen Sektor zu interpretieren. Mit dem RaE muß, anknüpfend an Peter Townsend (76), eine verstärkte Teilhabe an Gesellschaftlichkeit verbunden sein. Und das RaE muß in den unterschiedlichsten Bereichen gesellschaftliche Prozesse fördern, die ihren Stellenwert haben im Rahmen der Umstrukturierung des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozesses unter Öko-sozialistischen Kriterien, weg vom industrialistisch-kapitalistischen Zukunftsmodell, mehr einem sozialen als einem technischen Ideal folgend.

Derartige Prozesse sind weiter unten im hoffnungsvollen, positiven Scenario näher beschrieben. Unter einer solchen gesellschaftlichen Zielperspektive hätten Einwände gegen ein RaE weniger Gewicht, die davon ausgehen: es gibt genügend Arbeit, wir brauchen kein RaE, sondern ein Recht auf sozial nützliche Produktion.

Zunächst aber soll weiter beschrieben werden, wie eigentlich ein RaE, das nicht in die neokonservativen Fallen von Sozialdividende und Negativer Einkommenssteuer gerät, das mit der Strategie einer "Sockelung" vorhandener Sozialstaatlichkeit wirklich dem Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbsarbeit Rechnung trägt, ausgestaltet sein könnte. Aber auch wenn dieses Problem gelöst ist, das sei hier vorweggenommen, ist damit nicht gesagt, daß die gewünschte damit verbundene gesellschaftspolitische Entwicklung auch tatsächlich eintritt.

Zur Ausgestaltung und Finanzierung eines "Rechtes auf Einkommen"

Wie könnte nun solch eine "Sockelung" des vorhandenen Sozialsystems, die in die Richtung der "Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit" weist, aussehen. Es können an dieser Stelle natürlich nur einige Grundprinzipien benannt werden.

Zunächst müßte bei der Ausgestaltung des RaE die Betonung auf "Recht" liegen. Zwar wurde als wesentliches Fortschrittselement gegenüber der traditionellen Armenfürsorge 1961 im Bundessozialhilfegesetz der Rechtsanspruch auf Hilfeleistung verankert. Dieses Recht wird jedoch durch gesetzliche und verwaltungsrechtliche Ausführungsvorschriften und die bürokratische Praxis der Sozialhilfegewährung erheblich abgeschwächt (77). Es wären also Schritte in Richtung einer Routinisierung der Vergabe von Leistungen zu ergreifen - mit dem Ziel, daß der Erhalt des Grundeinkommens automatisch erfolgt, an keinerlei Bedingungen geknüpft werden darf und somit langfristig auch keine Antragspflicht mehr existiert.

Damit würde zum einen die unwürdige Praxis vieler Sozialämter gegenüber den Sozialhilfeberechtigten rigide beendet. Zum zweiten würde der Handlungsspielraum der Bürokratie (etwa nach anderen Kriterien als den offen ausgewiesenen) stark eingeschränkt (78). Zum dritten würde verhindert, daß Administration und Politiker die Bedingungen so ausgestalten, wie es ihren jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Zielen gerade entspricht (79). Und schließlich: Wäre der Erhalt des RaE an bestimmte Bedingungen geknüpft, so wäre es kein gleiches Recht mehr für alle.

Andererseits wird auch in den hier vorgetragenen Überlegungen, ein RaE auf der Grundlage des Prinzips der Freiwilligkeit zur Arbeit nur insofern für vernünftig gehalten, als es bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen fördert, es u.a. auf gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeiten hin orientiert. Die Form von Kontrolle, welche die gewünschte Entwicklung durch die Drohung mit dem Entzug der Existenzgrundlage durchsetzt, wird aber immer mit Herrschaft bzw. Unterdrückung verbunden sein. Hier wären besser neue Wege der Sozialpolitik zu beschreiten, solche die hilfreich, aber nicht beherrschend sind (80).

Diesem Ziel entspräche z.B. die Abschaffung des Arbeitszwanges, wie ihn die Sozialämter in zunehmendem Ausmaß praktizieren. Die ILO hat diese Praxis in der Bundesrepublik jüngst als Zwangsarbeit und mit ihren Statuten nicht vereinbar kritisiert. Vernünftiger wäre die Schaffung von Angeboten gesellschaftlich sinnvoller Arbeiten, die aber freiwillig wahrgenommen werden.

Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Abschaffung der finanziellen Verantwortlichkeit zwischen den Generationen, bevor Arbeitslosen- oder Sozialhilfe gezahlt wird. Viele Rentner z.B. leben lieber unterhalb des Sozialhilfeniveaus, als daß sie ihren Kindern zur Last fallen wollen.

Zentral für eine "Sockelung" des vorhandenen Sozialsystems wäre natürlich die Heraufsetzung des Sozialhilfesatzes. Die bisherigen Warenkorbberechnungen, die als Grundlage dafür dienen, sind keinesfalls akzeptabel (81). Noch weniger zu akzeptieren ist allerdings die in den letzten Jahren sukzessive vollzogene Kürzung der Sozialhilfe noch weit unter die Regelsätze, die sich nach dem Warenkorbprinzip ergeben würden (82).

Ausgangspunkt zur Heraufsetzung des Sozialhilfesatzes könnte aber durchaus das Prinzip der Warenkorbberechnung für das Existenzminimum sein, denn aus der damit verbundenen gebrauchswertorientierten realgüterwirtschaftlichen Sichtweise ergibt sich eine leichtere Politisierbarkeit des Gegenstandes (Leibfried). Reichen wirklich sechs Busfahrkarten pro Monat, um ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten?

Diese wenigen Punkte mögen hier genügen um anzudeuten, welche Schritte der "Sockelung" des vorhandenen Sozialsystems unternommen werden könnten, um langfristig ein RaE zu installieren, das dem Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit Rechnung trägt.

Wieviel würde nun eine derartige "Sockelung" kosten und wie könnte sie finanziert werden? In den aktuelleren Vorstellungen zu einem RaE ist vor allem an die Umlenkung und Effektivierung bisheriger Sozialstaatsausgaben gedacht. Will man demgegenüber die aufgezeigten unkalkulierbaren Risiken (83) vermeiden, so gilt es, die durchaus zu diskutierende Effektivierung der Sozialstaatlichkeit getrennt von der Diskussion um ein RaE zu erörtern. Ausgangspunkt der Berechnung der Kosten eines RaE ist deshalb sinnvollerweise die Tabelle der Einkommensverteilung der privaten Haushalte nach allen bisherigen Umverteilungsmaßnahmen (84).

Beispielhaft, nur um Größenordnungen und den entsprechenden Finanzierungsbedarf aufzuzeigen, sei einmal von folgendem Modell (85) ausgegangen: für die erste erwachsene Person im Haushalt 1000 DM pro Monat, für jede weitere 750 DM und pro Kind 300 DM. Liegt das verfügbare Einkommen unterhalb des Mindesteinkommens des jeweiligen Haushalts (86), so stockt der Staat es entsprechend auf. Um noch gewisse materielle Anreize zur Arbeit beizubehalten und Übergänge nicht so abrupt zu gestalten, erhöht sich bei Erwerbstätigkeit das Mindesteinkommen - wenn Lohn oder Gehalt unter der Schwelle des jeweiligen Mindesteinkommens liegen - um 20% (87) des erzielten Erwerbseinkommens. Sobald das erzielte verfügbare Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen höher wird als das Mindesteinkommen für den jeweiligen Haushalt plus 20% des erzielten verfügbaren Einkommens, enden die Zahlungen des Staates und es wird Einkommen wie bisher erzielt.

Auf der Grundlage der Zahlen in diesem sehr einfachen Modell ergäben sich nach einer groben Überschlagsrechnung (88) zusätzliche Kosten für den staatlichen Haushalt der Bundesrepublik in Höhe von knapp 50 Mrd. DM.

Kann ein solcher Betrag in Anbetracht der gegenwärtigen Finanzprobleme und der "Spareuphorie", deren angeblicher Sachzwang mittlerweile von fast der gesamten Bevölkerung akzeptiert ist, überhaupt aufgebracht werden? Die Frage ist mit einem eindeutigen "Ja" zu beantworten. Es ist nur eine Frage der bewußten politischen Prioritätensetzungen - und zwar ohne daß damit verbunden die Systemfrage gestellt würde.

Allein die jüngsten Steuerreformpläne der Bundesregierung sehen vor, Steuererleichterungen in Höhe von 25 Mrd. DM zu gewähren (89). Entsprechend umgelenkt wären das bereits die Hälfte der Kosten des RaE im obigen Modell.

Durchaus vernünftige Finanzierungsvorschläge, die von mehr traditionell linker Seite zur Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gemacht werden (90), erschließen ebenfalls Finanzierungspotentiale in der Größenordnung von 25 Mrd. DM.

Einsparungen auf der staatlichen Ausgabenseite - und das ist bisher viel zu wenig diskutiert worden - ergäben sich beim Wegfall von Projekten, die selbst nach kapitalistisch-industrialistisch immanenten Kriterien unsinnig oder zumindest umstritten sind. Beispiele dafür wären etwa der Rhein-Main-Donau-Kanal, den der ehemalige Bundesminister Hauff als "das dümmste Projekt seit dem Turmbau von Babel" charakterisierte, oder die neue Schnellbahn-Trasse Hannover-Würzburg, deren Kosten allein mit 11,7 Mrd. DM veranschlagt sind (91).

Wenn man sich darüber hinaus vor Augen hält, daß ein großer Teil der gegenwärtigen Staatsausgaben die Entwicklung hin zu einem industrialistisch-kapitalistischen Zukunftsmodell der Gesellschaft gezielt fördert, so ergeben sich - wenn man mehr einem sozialen als einem technischen Ideal folgt - Einsparungen in erheblichem Ausmaß, die u.a. für ein RaE verwendet werden könnten. Die Finanzierung eines RaE in der Größenordnung des obigen Modells wäre also durchaus nicht völlig außerhalb des gegenwärtig Möglichen.

"Wer arbeitet dann noch?" - Die Reaktion auf dem Arbeitsmarkt

Neben der Frage der Finanzierbarkeit ist der zweite zentrale Einwand, der gegen ein RaE erhoben wird: "dann arbeitet niemand mehr!"

Zunächst einmal ist festzuhalten: Wenn das RaE tatsächlich dazu führen würde, daß ein Großteil der Erwerbstätigen die Arbeit einstellen und sich mit dem Mindestnotwendigen begnügen würde, hieße das nichts anderes, als daß wir gegenwärtig in einem System von Zwangsarbeit leben und keineswegs in einem "freiheitlichen System".

Weiterhin sollte sich jeder Kritiker des RaE zunächst einmal fragen, ob er selber aufhören würde zu arbeiten, bzw. auf welche Art und Weise sich sein eigenes Arbeitsangebot verändern würde.

Um das Argument, bei einem RaE arbeitet niemand mehr, zu widerlegen, wird häufig auf die Ergebnisse amerikanischer empirischer Versuche mit der negativen Einkommensteuer verwiesen (92). Hier sei das Arbeitsangebot bei einem garantierten Mindesteinkommen nur relativ gering, insgesamt in der Größenordnung von etwa 5% zurückgegangen (93).

Mit diesen Versuchen kann jedoch nicht argumentiert werden, weil die verschiedenen Existenzminima in den Versuchsgruppen - gegenüber dem Niveau des Minimums im oben dargelegten Modell - viel zu niedrig angesetzt wurden (94), somit hier heftigere Arbeitsangebotsreaktionen zu erwarten sind. Zudem waren die Ergebnisse dieser methodisch insgesamt sehr problematischen Versuche nicht eindeutig. Es kam z.B. bei schwarzen Haushalten zu einer Erhöhung des Arbeitsplatzangebotes (95). Im New-Jersey-Pennsylvania-Experiment kam es insgesamt bei 53% der Familien zu einer Steigerung und nur bei 29% zu einer Verringerung der Arbeitseinkommen (96). Teilweise gingen die Haushalte mit geringem Einkommen "zu den bereits bestehenden konventionellen bundesstaatlichen Unterstützungsprogrammen über" (97).

Wie würde sich nun bei einem RaE auf kulturell angemessenem Niveau das Arbeitsangebot verändern? Im folgenden sollen verschiedene Effekte benannt und gleichzeitig argumentiert werden, daß diese Effekte unter bestimmten gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen auch durchaus wünschenswert sind. Das Arbeitsangebot für die schlecht bezahlten, unqualifizierten, gesundheitsschädlichen und belastenden Tätigkeiten ginge bei einem RaE stark zurück. Niemand wäre mehr gezwungen, Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, "von denen man vorab ziemlich genau abschätzen kann, daß sie zu irreparablen Schädigungen für die intellektuelle Potenz, die körperliche und/oder psychische Verfassung der Arbeitenden führen werden" (98).

Durch den Rückgang des Arbeitsangebots für derartige Tätigkeiten werden vermutlich die Löhne in diesem Bereich steigen. Dieser Effekt kann verteilungspolitisch durchaus als erstrebenswert angesehen werden, wenn man berücksichtigt, daß andere gesellschaftlich notwendige Arbeiten, die ein hohes Maß an Selbstverwirklichung gewährleisten, nicht gesundheitsschädlich sind etc., gegenwärtig trotzdem viel höher bezahlt werden. Durch die gestiegenen Löhne für derartige Tätigkeiten wird ein Druck auf das Rationalisierungsverhalten der Unternehmen ausgeübt, der den quantitativen Umfang derartiger Tätigkeiten vermindern dürfte. Vermutlich würde insgesamt damit eine viel weitergehende Humanisierung der Arbeit erreicht, als mit allen bisherigen Programmen.

Zum Zweiten ginge vermutlich das Arbeitsangebot zurück, das allein auf dem Geldanreiz beruht und das gleichgültig ist gegenüber Inhalt und Ziel der ausgeübten Tätigkeit. Die damit verbundene Verringerung sekundär-motivierter Arbeit, die ohne direktes und primäres Interesse am Inhalt der Tätigkeit und ihrer vernünftigen Verrichtung verausgabt wird, ist ebenfalls als gesellschaftspolitisch durchaus wünschenswert anzusehen. Insgesamt käme dieser Effekt nur der Qualität der zu verrichtenden Arbeiten zugute. Beruf hätte dann etwas mehr mit "Berufung" zu tun.

Zum dritten ginge vermutlich das Arbeitsangebot für die Produktion von Gütern zurück, die von vielen als gesellschaftlich nicht sinnvoll, unwürdig oder schädlich eingeschätzt werden - also etwa für die Produktion von bestimmten Giften, deren Einsatz in der Landwirtschaft der Industrieländer verboten ist, die aber in die Dritte Welt exportiert werden.

Zum vierten ginge vermutlich das Arbeitsangebot zurück, weil sich mehr Menschen nach der Maxime verhielten: "Es ist das Leben, das wichtig ist, nicht die Arbeit. Die Arbeit kann knapp sein, aber das Leben ist noch knapper." (99) Es käme zu einer zeitweiligen Schwerpunktsetzung auf andere Lebensbereiche - wobei jedoch keineswegs davon auszugehen ist, daß größere Gruppen gar nicht mehr arbeiten. Arbeit wird trotz Wertewandel nach wie vor von den meisten Menschen als zur Selbstverwirklichung gehörend angesehen. Hier würde vermutlich ein sehr produktiver Effekt auf die dann verrichteten Tätigkeiten wirksam. Die durch die zeitweise Schwerpunktsetzung der eigenen Lebensperspektive auf andere Bereiche entwickelten Fähigkeiten, wie etwa die Kultivierung von sozialen Beziehungen, von solidarischem zwischenmenschlichen Umgang etc. würden z.B. in erheblichem Ausmaß dem Arbeitsklima zugute kommen.

Zum fünften schließlich käme es vermutlich zu einer Verringerung des Arbeitsangebotes durch die Möglichkeit, aus der Erwerbstätigkeit auszusteigen, sich auf RaE zurückziehen, gleichzeitig aber durch Schwarzarbeit sein Einkommen aufzubessern. Diesen keineswegs wünschenswerten Effekt gälte es einerseits administrativ, andererseits aber vor allem durch den Versuch zu bekämpfen, eine gesellschaftliche Normenänderung zu erreichen, die derartiges nicht mehr augenzwinkernd toleriert.

Die hier grob umrissenen Effekte der Verringerung des Arbeitsangebotes durch ein RaE dürften quantitativ nicht das Ausmaß erreichen - von dieser These soll heuristisch erst einmal ausgegangen werden -, als daß sie nicht durch das Arbeitsangebot der gegenwärtig Erwerbslosen kompensiert werden könnte. Es ist sicher bei der zu erwartenden qualitativen Umstrukturierung des Arbeitsangebotes - die zum größten Teil als gesellschaftspolitisch durchaus wünschenswert anzusehen ist - mit Friktionen zu rechnen. Grundsätzlich dürfte es aber möglich sein, das Prinzip der Freiwilligkeit in die Erwerbstätigkeit einzuführen, ohne daß die Gesellschaft zusammenbricht und niemand mehr arbeitet. Damit wäre das RaE gleichzeitig ein unbürokratischer Weg zur gesellschaftlichen Umverteilung von Arbeit, die heute zur Lösung der Krise breit diskutiert wird.

"Recht auf Einkommen" - eine sinnvolle Reformperspektive

Welche gesellschaftlichen Veränderungen und Möglichkeiten der Entwicklung würden sich mit einem vernünftig ausgestalteten allgemeinen RaE ergeben? Bei dem RaE handelt es sich nicht um eine normale sozialpolitische Maßnahme, sondern um einen weitreichenden gesellschaftlichen Reformansatz zur Lösung der aktuellen Krise, der Veränderungen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen bewirken würde. Untrennbarer Bestandteil einer Reflexion zum RaE muß deshalb eine Thematisierung dieser Veränderungen sein, um auf diesem Hintergrund zu einer fundierten Beurteilung der Sinnhaftigkeit oder auch der Unsinnigkeit des RaE zu gelangen.

Diese Veränderungen sollen im folgenden auf der Grundlage eines positiven hoffnungsvollen und eines negativen Scenarios thesenartig diskutiert werden, um damit die Bandbreite möglicher Entwicklungen aufzuzeigen. Beginnen wir zunächst hoffnungsvoll mit der positiven Entwicklungsmöglichkeit.

Das hoffnungsvolle Scenario

Grundlage ist bei dieser Variante die These, daß es mit einem allgemeinen RaE zu einer erheblichen Verminderung der individuellen Existenzangst und zu einer Erhöhung der gesellschaftlichen Konfliktfähigkeit kommt. Ersteres dürfte unumstritten sein, wenn man nicht gerade so weit geht, zu behaupten, mit einem RaE würde ein umfassendes Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erzeugt, das etwa auch Geborgenheit, Selbstsicherheit etc. umfaßt. Es wird allerdings davon ausgegangen, daß ein RaE weitreichende Wirkungen in diese Richtung entfaltet. (100)

Die zweite Voraussetzung, die Erhöhung der gesellschaftlichen Konfliktfähigkeit, ist eng mit der Praxis der neuen sozialen Bewegung verbunden. Der Begriff ist hier sehr weit gefaßt, unter Einbezug etwa auch der linksgewerkschaftlichen Konversionsgruppen zu verstehen. Eine durch ein RaE im weitesten Sinne verbesserte Arbeitsmöglichkeit für derartige Gruppierungen, eine insgesamt gesellschaftlich gestiegene Konfliktfähigkeit geht teils explizit, teils implizit in die Argumentation mit ein.

Zunächst einmal ist von einem allgemeinen RaE durch die damit verbundene Verringerung des Existenzdrucks, ganz allgemein der Streßsituation - interpersonell und nach sozialen Gruppen sicher unterschiedlich, aber im gesellschaftlichen Durchschnitt vermutlich eindeutig - eine erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung zu erwarten. Anfangs wurde bereits darauf hingewiesen, daß der durch das allgemeine wirtschaftliche Klima in der Krise "provozierte Streß" Menschen häufiger früher sterben läßt.

Weiterhin wird mit der durch das RaE gegebenen Existenzsicherung es den Menschen möglich sein, sie überlastende Arbeitssituationen zu vermeiden. "Nach einer Hochrechnung der Bundesanstalt für Arbeit über 'Ursachen des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben bis 1990' werden von 2,8 Mio. männlichen Arbeitern und Angestellten 33% vor Erreichen des Rentenalters sterben, 31% wegen chronisch schwerer Erkrankungen (Frühinvalidität) vorzeitig und nur 30% wegen Erreichens der Altersgrenze ausscheiden. Das Verschleißrisiko ist bei Arbeitern höher als bei Angestellten. Unter Arbeitern wiederum je nach Berufsgruppen sehr unterschiedlich." (101)

Die Menschen wären bei gegebener Existenzsicherung nicht mehr strukturell gezwungen, systematisch Symptome zu verdrängen. Sie könnten beginnen, die "Sprache des Körpers" verstehen zu lernen, seine Reaktionen auf arbeitsprozeßliche und soziale Verhaltenszumutungen erkennen und in einer "versuchenden Praxis" durch Veränderungen des Arbeitsprozesses und der sozialen Strukturen im Betrieb den gewonnen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Derartiges versuchen etwa, eine Reihe von Arbeitergruppen zusammen mit Ärzten vor allem in Italien (102), - um nur ein Beispiel aus dem breiten Feld medizinischer Selbsthilfegruppen zu nennen. (103) Auch in den deutschen Gewerkschaften gibt es erste Ansätze (104) dazu. Mit einem RaE ist zu erwarten, daß sich die Sensibilisierung für die eigene Gesundheit erhöht, und deshalb die Aktivitäten solcher Gruppen und ihre Durchsetzungsfähigkeit gegenüber etwa den Betriebsleitungen zunehmen. Zusammen mit einer sich vermutlich verringernden Intensität der Arbeit (s. unten) wird dies insgesamt zu einem erheblichen besseren Gesundheitszustand der Bevölkerung führen.

Es wird mit der Verminderung der Existenzangst durch ein RaE vermutlich zu einer Veränderung des gesellschaftlichen Normensystems und damit zusammenhängend des politischen Bewußtseins kommen.

Aus dem Zwang des eigenen Überlebens in krisenhaften gesellschaftlichen Situationen folgt üblicherweise die Verminderung der Fähigkeit zu solidarischem Verhalten. So antworten etwa auf die Interviewfrage: "Der Staat garantiert jedem eine ausreichende Sicherung. Die Kosten dafür werden in Form von Steuern und Beiträgen durch alle Bürger entsprechend der Höhe ihres Einkommens aufgebracht", 1978 74% der wahlfähigen Bürger zustimmend. 1963, zu einem Zeitpunkt gesicherter ökonomischer Gesamtsituation betrug die Zustimmung allerdings noch 91%. (105)

Die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen, mitzuleiden und sich hilfreich zu verhalten - eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten, die ihn vom Tier unterscheidet - geht unter dem Druck der stärker werdenden Konkurrenz immer mehr verloren. Die Mentalität des "jeder ist sich selbst der Nächste" prägt sich weiter aus, je größer die Existenzunsicherheit wird. Umgekehrt, je stärker sich diese Mentalität ausbreitet, desto leichter wird etwa der Abbau von Sozialleistungen und damit die Vergrößerung der Existenzunsicherheit - ein Teufelskreis, der zu immer größerer Aggresssivität und zu einem immer stärkeren Gefühl diffusen Bedrohtseins führt.

Es gibt anscheinend einen Mechanismus, sich gegen eine diffuse Bedrohung militärisch schützen zu wollen, womit man gerade immer weniger ein Gefühl von Geborgenheit erzeugt. Diesem Mechanismus ist die friedenspolitische Diskussion bisher viel zu wenig nachgegangen. Diffuse Bedrohung und Existenzangst dürften weiterhin den "Ruf nach dem starken Mann" und ein "Sündenbockdenken" fördern, das sich gegenwärtig immer bedrohlicher gegen Ausländer richtet. Ein RaE würde solchen politisch äußerst gefährlichen Entwicklungen entgegensteuern.

Auch im alltäglichen zwischenmenschlichen Umgang würde sich das Normengefüge vermutlich verändern. Nicht mehr vor allem der starke, konkurrenz- und durchsetzungsfähige, der ökonomisch und karrieremäßig erfolgreiche Mensch wäre das Ideal und erhielte entsprechende soziale Anerkennung. (Jüngstes erschreckendes Beispiel: ein sehr hoher Prozentsatz der Fernsehzuschauer identifiziert sich in der Fernsehserie "Dallas" mit dem charakterlich miesen, aber erfolgreichen J. R.) Mit dem Wegfall des individuellen Zwangs zum ökonomischen Überleben könnten ganz andere menschliche Fähigkeiten, wie etwa soziale Sensibilität, Solidarität, gesellschaftlich verantwortliches Verhalten etc. in den Vordergrund treten, die bisher beim ökonomischen und beruflichen Erfolg eher hinderlich sind.

Mit der durch ein RaE gegebenen Existenzsicherheit ergäben sich auch im politischen Bereich vermutlich erhebliche Veränderungen. Grundsätzlich dürfte das politische Engagement, quantitativ und qualitativ steigen, da mehr Menschen in der Lage wären, politisch in der einen oder anderen Form tätig zu sein, ohne daß sich die Frage nach der eigenen ökonomischen Existenz stellt. Hauptberuflich politische Tätigkeit wäre kein Privileg der Leute mehr, die von ihrer physischen Konstitution in der Lage sind, 12 Stunden oder mehr täglich, an Abenden und an Wochenenden in managerartiger Weise tätig zu sein. Es ist überhaupt fraglich, ob dies ein vernünftiges Kriterium zur Auswahl der Personen ist, die die gesellschaftlich relevanten Entscheidungen fällen.

Umgekehrt wären die politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen von Leuten, die sich primär über eine politische Tätigkeit ökonomisch reproduzieren, nicht mehr so stark beeinflußt von der Notwendigkeit, diese ökonomische Existenzgrundlage nicht zu verlieren - etwa dadurch, daß man sich bei einflußreichen Teilen der eigenen Partei unbeliebt macht. Gewissensfreiheit und Eigenständigkeit politischen Denkens und Handelns würden davon nur profitieren.

Beide durch ein RaE hervorgerufene Effekte, die zu erwartende quantitative Ausweitung eines Engagements in den Parteien und die größere Unabhängigkeit bei der politischen Meinungs- und Mehrheitsbildung und bei den entsprechenden Entscheidungen - würden eine Reihe von Problemen gegenwärtig parteien-staatlicher Verfaßtheit wenn auch nicht lösen, dazu ist das Verursachungsgefüge zu komplex, so doch in erheblichem Maß zu ihrer Lösung beitragen.

Es gehört zu den besten durch empirische Untersuchungen abgesicherten Tatsachen, daß die inneren Strukturen der "demokratischen Parteien" eben gerade nicht demokratisch sind (106) - etwa infolge des Prinzips der Kooptation bei der Regeneration politischer Führungsgremien statt wirklich freier Wahlen; etwa durch das Verbiegen, Verändern, Verfälschen politischer Inhalte, des politischen Wollens der Mitglieder im Prozeß der parteienstaatlichen Institutionalisierung (107) oder etwa durch die soziale Selektivität, d.h. um überhaupt Politik betreiben zu können, müssen bestimmte sozialisationsbedingte Qualifikationen vorliegen, die regelmäßig nur von bestimmten Schichten erbracht werden können (108) usw.

Weiterhin übersteigt die aktuelle Entwicklung der politischen Steuerungsprobleme (Arbeitslosigkeit, Waldsterben etc.) bei weitem die Handlungsmöglichkeiten der Parteien in ihrer gegenwärtigen Verfassung. Sie sind nicht innovativ, und es ist ein sekundärmotiviertes Problemlösungsverhalten festzustellen, d.h. als Kriterium des Denkens und Handelns steht an erster Stelle zunächst die Sicherung von Macht, Einfluß etc. individuell oder gruppenmäßig innerhalb der Parteien und natürlich gegenüber den Konkurrenzparteien. Verbunden ist dies mit einer hohen Bereitschaft, sogenannte Sachzwänge zu akzeptieren.

Zur Lösung all dieser Probleme würde, wie gesagt, ein RaE beitragen - vor allem aber nicht nur durch Veränderung der innerparteilichen Mechanismen, sondern vermutlich durch den Schub, der von der mit dem RaE zu erwartenden Ausweitung einer politischen Betätigung im weiteren Sinne außerhalb des traditionellen Parteiengefüges ausgeht - und hier dürfte die zentrale Veränderung im Bereich der Politik zu erwarten sein. Die Menschen hätten viel mehr die Möglichkeit, sich um die täglichen Probleme in ihrem unmittelbaren Lebenszusammenhang zu kümmern, etwa von der Verkehrsberuhigung über den Kinderspielplatz bis hin zu ihrem Sportverein usw. Und sie hätten die Möglichkeit - den Kopf frei von der permanenten Sorge um das eigene ökonomische Überleben - ausgehend von grundsätzlicheren Überlegungen über den Hunger in der Dritten Welt, die Problematik der Atomenergie, das militärische Sicherheitskonzept, das traditionelle Geschlechterverhältnis usw., sich etwa in Bürgerinitiativen und ähnlichem zu engagieren.

Es käme zu einem Demokratisierungsschub auf allen Ebenen der Gesellschaft, der u.a. die administrativen Entscheidungskompetenzen staatlich-bürokratischer, aber auch privater Großorganisationen erheblich eindämmen würde. In der Sprache der Systemtheorie wird das "politisch dysfunktionale Interpretation der Publikumsrolle" (109) genannt. Die Erosion der Rollentrennung von "Entscheidenden" und "Entscheidungsabnehmern" gefährdet die interne Rollendifferenzierung; die Bedingungen der Implementation, d.h. der gesellschaftlichen Durchsetzung politischer Entscheidungen, sind nicht mehr voll im Griff der Politik. Damit ergäbe sich eine Gegentendenz zur "funktional differenzierten Gesellschaft", die als höchste Form und sogar als Endpunkt gesellschaftlicher Entwicklung angesehen wird. Nach konservativer und technokratischer Auffassung geht Demokratisierung stets auf Kosten der Rationalität der Entscheidung und Effektivität der Durchführung.

Diese Auffassung ist insofern falsch, als die Implikationen der Objektrolle, in die die "Entscheidungsabnehmer" gedrängt werden, wie Passivität, Apathie, verdeckter Widerstand usw., selbst unter immanenten Kriterien den Anspruch an Rationalität und Effektivität konterkarieren - von grundsätzlichen Überlegungen zu solch staatlich-autoritären Auffassungen ganz abgesehen.

Im Bereich der Ökonomie sind von einem RaE eine Reihe von Veränderungen zu erwarten. Wie schon weiter oben ausgeführt, wird sich das Arbeitsangebot qualitativ verschieben. Durch die damit verbundenen gestiegenen Löhne für die besonders belasteten und unzumutbaren Tätigkeiten wird es vermutlich zu einem Rationalisierungsschub, zu einer Technologieentwicklung unter veränderten Kriterien kommen, der in Richtung Humanisierung der Arbeit wirkt - und zwar in einem Ausmaß, wie ihn alle bisherigen Humanisierungsprogramme nicht erreicht haben. Dieses Moment, bewirkt durch eine Verschiebung in der Kostenstruktur der Unternehmen, dürfte sich durch eine zu erwartende Verhaltensänderung der von derartig belastenden Arbeitsbedingungen Betroffenen weiter verstärken. So etwa durch eine Ausweitung der Aktivitäten, wie sie bei den gesundheitlichen Veränderungen durch ein RaE zum Komplex der Arbeitermedizin angedeutet wurden.

Insgesamt haben die Beschäftigten durch die Wegnahme des ökonomischen Existenzdrucks den Kopf in viel stärkerem Maße frei, um sich grundsätzlichere Gedanken zu machen, und zwar sowohl über den Arbeitsprozeß selber, wie auch über das zu produzierende Produkt.

In den neuen sozialen Bewegungen wird zum ersten Mal in quantitativ relevantem Ausmaß die Frage nach "gesellschaftlich sinnvoller Arbeit", nach "sozial nützlicher Produktion" gestellt. Dazu gibt es vor allem auch im Bereich industrieller Produktion interessante Ansätze, wie etwa in England bei Lucas Aerospace oder in einer Reihe von deutschen Betrieben. Mit einem RaE ist zu erwarten, daß sich immer breitere Teile der Erwerbstätigen diese grundsätzliche Frage nach der gesellschaftlichen Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit stellen, und vor allem, daß daraus folgende Erkenntnisse handlungsrelevant werden. So könnten sich beispielsweise die Beschäftigten der Pharmaindustrie fragen, ob es sinnvoll ist, Produkte herzustellen, die unwirksam oder gar schädlich sind, ob man mit derartiger Arbeit sein Leben nicht vergeudet. Nach neuesten Untersuchungen sind 60% aller in der BRD verkauften Medikamente, die 80% der 16 Mrd. DM Umsatz der Pharmaindustrie ausmachen, unwirksam oder gar schädlich. (110)

Analytisch bedeutet ein Engagement der Erwerbstätigen für eine gesellschaftlich sinnvolle und sozial nützliche Produktion die Überwindung der "Privatheit der Interessen". Die "Privatheit der Interessen", wenn sie sich auch in unterschiedlicher Art und Weise artikulieren und durchsetzen, ist konstitutiv sowohl für das Wirtschaftssystem des Kapitalismus, wie für das des realen Sozialismus. Und diese "Privatheit der Interessen" führt zu den mit den jeweiligen Systemen verbundenen, sicher unterschiedlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Hier könnte sich mit der Einführung eines RaE, wenn es mit derartigen Aktivitäten der Beschäftigten verbunden ist, eine neue Art von "Drittem Weg" zwischen "kapitalistischer Problematik" und "realsozialistischem Dilemma" am Horizont abzeichnen.

Dieser "Dritte Weg" wäre durch ein permanentes Mit-Planen eines Großteils der im formellen Sektor Tätigen, durch eine Berücksichtigung der realgüterwirtschaftlichen Sichtweise mit einer politischen Bewertung der Nützlichkeit eines Produktes und eine Überwindung der "Privatheit der Interessen" charakterisiert. Dazu käme durch ein RaE die Verbesserung der Möglichkeiten, im informellen Sektor tätig zu sein.

Mit diesen hier angedeuteten Veränderungen im Bereich der Ökonomie ergäbe sich eine Tendenz zu einem prinzipiell anderen Vergesellschaftungsmodell als dem des Kapitalismus wie auch dem des realen Sozialismus. Zunehmende Vergesellschaftung heißt zunächst die Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit, des wechselseitigen Aufeinanderangewiesenseins der Mitglieder einer Gesellschaft in einem immer mehr arbeitsteilig organisierten Produktionsprozeß (111). Die Art und Weise, wie die wechselseitige Abhängigkeit organisiert ist, unterscheidet die Vergesellschaftungsmodelle des Kapitalismus und des realen Sozialismus. Im Kapitalismus wird der gesellschaftliche Zusammenhang im wesentlichen über unbewußt wirkende Gesetzmäßigkeiten, die sich hinter dem Rücken der arbeitsteilig Agierenden durchsetzen, hergestellt, im realen Sozialismus im wesentlichen durch direkten politisch-administrativen Akt.

Das in den angedeuteten Veränderungen aufscheinende neue Vergesellschaftungsmodell entspräche in etwa dem, das implizit heute in der Praxis von großen Teilen der neuen sozialen Bewegungen enthalten ist. Zunächst entspräche die Ausweitung der Tätigkeiten im informellen Sektor der Infragestellung der Sinnhaftigkeit von immer weiterer Vergesellschaftung aller Tätigkeiten, vor allem etwa im Dienstleistungsbereich. Ein auf die Spitze getriebenes Expertentum enteignet vorhandene Kompetenzen und wirkt kontraproduktiv.

Zum zweiten entspräche die Tendenz zur basisdemokratischen Überwindung der "Privatheit der Interessen" und zu einer realgüterwirtschaftlichen Sichtweise dem Versuch, sich sowohl von den unbewußten Vergesellschaftungsmechanismen des Kapitalismus, wie von dem stellvertretenden politisch-administrativen Handeln im realen Sozialismus zu befreien. Es wäre die Tendenz zu einem persönlicheren, nicht anonym-unbegriffenen und nicht administrativen Vergesellschaftungsmodell, die durch die aufgezeigten eventuellen Folgen eines RaE gefördert würde.

Mit einem RaE in der hier diskutierten Ausgestaltung käme es weiterhin zu einer partiellen Verschiebung in der Ausgestaltung und den Zielen der Sozialstaatlichkeit, die aber keineswegs damit grundsätzlich infrage gestellt ist, wie in neokonservativen Argumentationen zum RaE (s. oben).

Auf die Aufhebung des mit dem gegenwärtigen Prinzips der Sozialstaatlichkeit verbundenen Arbeitszwanges wurde bereits hingewiesen. Mit der durch ein RaE gegebenen Unabhängigkeit würden sich die Möglichkeiten der mit dem Sozialstaatsprinzip verbundenen staatlichen Kontrolle und Überwachung, des administrativen Eingriffs in die private Sphäre erheblich verringern. Die Mitglieder der Gesellschaft würden zusätzlich das Prinzip der Sozialstaatlichkeit, das mit dem RaE m.E. erst vernünftig verwirklicht wäre, in höherem Ausmaß als wirklich solidarisch erfahren. Gegenwärtig ist das Prinzip der Solidarität in der Sozialstaatlichkeit den Einzelnen entfremdet, in den Himmel der Institutionen gewandert (112). Der Einzelne muß sich bei der Inanspruchnahme von bestimmten Leistungen oft einem erniedrigenden, unwürdigen Verfahren aussetzen, ist abhängig von Bürokraten, die meistens den Ermessenspielraum, der in jeder Verwaltungstätigkeit steckt, zugunsten "des Staates", d.h. u.a. zugunsten des Sparens ausnutzen und nicht im Interesse des Betroffenen. Mit der Betonung auf 'Recht' bei dem RaE und der Automatik der Anspruchsberechtigung würde der Sozialstaat und damit letztlich die Gesellschaft als sehr viel solidarischer erfahren - mit vermutlich einer Reihe von positiven Rückwirkungen auf das eigene gesellschaftlich verantwortungsvolle Verhalten.

Zusätzlich käme es vermutlich durch die mit dem RaE gewonnene Unabhängigkeit insgesamt zu einem "Mehr" an "aufrechtem Gang" auf den Ämtern und gegenüber der Bürokratie. Als produktive Folge der damit zu erwartenden täglichen Auseinandersetzung im kleinen könnte sich in der Administration eventuell mehr das Bewußtsein ausbreiten, daß sie ja von der Gesellschaft, also auch von jedem Einzelnen mit seinem jeweiligen Anliegen engagiert ist, um die allgemeinen Angelegenheiten zu regeln, daß sie also für den Einzelnen und nicht umgekehrt der Einzelne als bürokratisches Gestaltungsobjekt für sie da ist.

Neben solch "grundsätzlichen" Veränderungen dürften sich mit einem RaE in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Problemlagen überraschende Veränderungen und Lösungen ergeben, auf die hier im einzelnen nicht weiter eingegangen werden kann.

Ein RaE hätte sicher seinen Stellenwert bei der Auflösung der traditionellen geschlechtsspezifischen Rollenfixierung, bei der Ausweitung von Gegen-Öffentlichkeit und Vergrößerung der Durchsichtigkeit der Gesellschaft, bei der Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten im gesamten Bereich Bildung, Wissenschaft und Kultur und vieles andere mehr.

Mit der durch ein RaE gegebenen grundsätzlichen ökonomischen Existenzsicherung ergäben sich schließlich - um die weitreichendste Perspektive zu nennen - ganz andere Möglichkeiten der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung, wie sie von der philosophischen Antropologie thematisiert werden. Marx etwa interpretierte Geschichte als Verwirklichung einer dem Menschen aufgegebenen Norm, als "Werden des Menschen im ganzen Reichtum seines Wesens". (113) Die Entwicklung des Wesens des Menschen in seinem ganzen Reichtum ist gegenwärtig entscheidend restringiert durch die - durch den Zwang der Ökonomie erzeugte - entscheidende Privilegierung der Entwicklung bestimmter Eigenschaften des Wesens des Menschen, wie der des Eigennutzes, der Konkurrenzfähigkeit, der Arbeitsfähigkeit usw. Bei der Entwicklung des Kapitalismus wurden derartige "Wesenszüge" des Menschen, die sich im Bild des egoistisch kalkulierenden homo oeconomicus zusammenfassen lassen, anthropologisch überhöht und für das Wesen des Menschen schlechthin erklärt, obwohl gegenüber früheren Gesellschaften dieses Menschenbild, dieser sich so verhaltende Mensch in seiner Funktionalität für die Logik des Systems erst in einem lang ausdauernden Prozeß "geschaffen" werden mußte. (114) Durch die mit dem RaE gegebene Abschaffung des Zwangs, derartige Eigenschaften zu "kultivieren", will man nicht untergehen, könnten - wie gesagt - ganz andere Eigenschaften des Menschen kultiviert werden, könnte sich der Mensch in ganz anderer Art und Weise selber "schaffen".

Soweit also die positive hoffnungsvolle Variante der gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeit auf Grundlage eines RaE. Sie ist sicher in dieser euphorischen Eindeutigkeit unrealistisch. Sie beschreibt jedoch genauer die utopischen Assoziationen, die viele mit dem Begriff eines RaE verbinden und die in ihrer politischen Zielsetzung m.E. auch zu begrüßen sind. Diese utopischen Assoziationen führen jedoch dazu, in einem RaE den reformpolitischen Hebel schlechthin zur Behebung aller Übel der Gesellschaft zu sehen - ohne zu bedenken, daß zur Verwirklichung der genannten Ziele noch eine Menge mehr geschehen muß, was sich nicht im Selbstlauf auf Grundlage eins RaE vollzieht.

Umgekehrt, es wäre auch denkbar - und damit bin ich bei der negativen Variante als anderem extremen Pol der gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeit auf Grundlage eines RaE - daß ein RaE die Verwirklichung dieser Zeile eher behindert.

Das Scenario der Probleme

Wenn der oben angedeutete Rotationseffekt nicht eintritt, daß nämlich Viele quer durch die Gesellschaft, zeitweise das Angebot des RaE nutzen und damit letztlich allgemein der Zugang zur Erwerbstätigkeit erleichtert wird, so würde das RaE. die gegenwärtig feststellbare Tendenz der Spaltung der Gesellschaft in einen Kern- und einen marginalisierten Randbereich eher verstärken. Unter Hinweis auf das RaE wäre es noch leichter als bisher, etwa Problemgruppen des Arbeitsmarktes (Frauen, ältere Arbeitnehmer, Behinderte etc.) dauerhaft auszugrenzen; dieser Zustand wäre zugleich politisch nicht mehr so brisant.

Erwerbsarbeit dient aber auch der Strukturierung und Sinngebung des Lebens, ist zentral für das Selbstwertgefühl. Werden die Zugangsmöglichkeiten für Teile der Gesellschaft systematisch erschwert, so führt das bei den Betroffenen trotz RaE zu Gefühlen der Minderwertigkeit, zu Apathie etc. Betätigungen im informellen Sektor, für die das RaE als eine Art Bezahlung angesehen werden kann, können gegenwärtig m.E. nur dann einen Ausgleich bieten und die produktive Potenz, die sich Vertreter des Konzepts der Dualwirtschaft erhoffen, voll entfalten, wenn sie als Ergebnis eines bewußten, freien Entschlusses gegen die Erwerbstätigkeit aufgenommen werden, wenn jeder jederzeit wieder die Möglichkeit hat, in den Erwerbssektor zurückzukehren. Die von Offe und Berger (115) optimistisch gesehene Perspektive einer "partiellen Abkoppelung der Lebensführung von Arbeits- u. Warenmärkten" dürfte ohne diese Möglichkeit für Teile der Gesellschaft nur zu einer Marginalisierung führen.

Das RaE könnte also die Tendenz zur Spaltung der Gesellschaft unterstützen, indem es sie erträglicher macht und zugleich die in der gegenwärtigen Entwicklung feststellbare fortschreitende Auflösung gewachsener sozialer Zusammenhänge und immer stärkere Unverbindlichkeit sozialer Kontakte fördern. Der Einzelne wird immer mehr der "vereinzelte Einzelne". Dies sind Elemente eines Wandels der Form der Herstellung des gesellschaftlichen Zusammenhangs; Hirsch bezeichnet ihn als "fordistische Vergesellschaftung" und erklärt daraus das Entstehen der neuen sozialen Bewegungen. (116) Weil das RaE die Tendenz zur Unverbindlichkeit verstärken könnte, lehnten z.B. einige Alternativprojekte dieses ab, da es sie bei der Lösung der täglichen Probleme ihrer Praxis eher behindern würde. (117)

Würde nun ein sich minderwertig fühlender, durch immer stärkere Unverbindlichkeit der sozialen Beziehungen charakterisierter Teil der Gesellschaft sich nicht eher der Berieselung durch die neuen Massenmedien hingeben und apathisch gesellschaftliche Entwicklung noch weniger als bisher als Produkt eigenen Handels begreifen? Könnte nicht mit einem RaE als Beruhigungs- und Befriedungsinstrument ein gewisser "Brave-New-Effekt" eintreten, der den Kapitalismus und das gegenwärtig auf Grundlage der Ausbeutung der Dritten Welt gezielt angestrebte kapitalistisch-industrialistische Zukunftsmodell entgültig ideologisch unschlagbar macht? Die dazu notwendige Produktivität hat der Kapitalismus, wie die Überlegungen zur Finanzierbarkeit eines RaE zeigen, erreicht. Es wäre nur eine Frage der Lernprozesse der herrschenden Systemmanager, ob sie diese Zugeständnisse in der Verteilungsfrage machen, um langfristig das System in ihrem Sinne zu stabilisieren - und zwar auf der Grundlage von "Brot und Spiele" oder realistischer "Schnaps und Video" für einen ausgegrenzten Teil der Gesellschaft.

Würden auf dieser Grundlage die Lösung von aktuell lebensbedrohlichen Fragen etwa in den Bereichen Ökologie oder Rüstung, die ein gesellschaftlich verantwortungsvolles Verhalten voraussetzen, nicht eher behindert? Welchem Begriff von Gesellschaftlichkeit würde überhaupt mit dem RaE Vorschub geleistet? Würden auf dem Hintergrund einer derartigen Entwicklungsperspektive - da bestimmte menschliche Bedürfnisse (nach sozialem Eingebundensein, nach Anerkennung, nach sinnvoller Tätigkeit etc.) nicht erfüllt werden - nicht umgekehrt autoritäre Lösungen wie die Idee eines Arbeitsdienstes, die diesen Bedürfnissen in entfremdeter Form Rechnung trägt, neuen Auftrieb erhalten? Das RaE könnte sich also auch als ein gewaltiger Schuß nach hinten entpuppen

Ausblick

Wie wäre nun angesichts der aufgezeigten Probleme politisch vernünftig mit dem RaE umzugehen?

Strikt abzulehnen sind m.E. wegen der oben aufgezeigten Gefahren alle neokonservativen Modelle von Nationaldividende und negativer Einkommenssteuer - auch wenn sie im grün-alternativen Gewände auftreten. Die einzig sinnvolle Ausgestaltung eines RaE, die diese Gefahren vermeidet und wirklich das Prinzip der Freiwilligkeit zur Erwerbstätigkeit gewährleistet, ist die einer "Sockelung" des bisherigen Systems von Sozialstaatlichkeit, verbunden mit dem Abbau der bisherigen Herrschafts- und Kontrollfunktionen des Sozialstaates. Wie dargelegt, ist ein derartiges Modell selbst auf relativ großzügigem Niveau durchaus finanzierbar. Es erscheint auch unter dem Aspekt der zu erwartenden Arbeitsangebotsreaktionen als machbar.

Trotzdem verbietet sich eine, bei diesem Stand der Argumentation naheliegende Reformeuphorie, denn jetzt fangen die Probleme einer politischen Beurteilung einer solchen Reformmaßnahme erst an. Es gibt eine weite Bandbreite möglicher gesellschaftlicher Entwicklungen auf Grundlage des RaE, deren extreme Pole zum positiven und negativen hin in den beiden Scenarien beschrieben wurden. Wie wäre nun die reale gesellschaftliche Entwicklung auf Grundlage einer Strategie des RaE, die vermutlich eine Mischform der beiden Scenarien sein dürfte, zu beurteilen und gegebenenfalls zu korrigieren? Hier eröffnet sich ein weites Feld von noch gar nicht überschaubaren Problemlagen und politisch kontroverser Beurteilung. Das spricht alles für ein vorsichtiges und schrittweises, durch andere Reformmaßnahmen ergänztes Vorgehen - wie es ja strukturell auch in den Vorschlag eines stufenweisen Ausbaus bisheriger Sozialstaatlichkeit in Richtung "Sockelung" angelegt ist.

Festzuhalten ist jedoch schon jetzt: Die Ergebnisse einer derartigen Reformmaßnahme hängen eng mit der Art und Weise ihrer Durchsetzung zusammen. Würde das RaE heute als sozialstaatliches Geschenk von oben eingeführt, so wäre die Gefahr relativ groß, daß in der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung das zweite Scenario überwiegt.

Das RaE wird seine produktiv-emanzipatorischen Potenzen nur entfalten, wenn es als Produkt der Aktivitäten einer breiten sozialen Bewegung begriffen und durchgesetzt wird, einer Bewegung, die insgesamt einen ,,drastic cultural change" initiiert, den bereits Erich Fromm als notwendig eng verbunden mit einem RaE gesehen hat. (118)

Der weite und noch sehr heterogene Bereich der Initiativen und Gruppen der Kritiker des gegenwärtig gezielt angestrebten industrialistisch-kapitalistischen Zukunftsmodells, aus dem heraus auch die neueren Forderungen nach einem RaE kommen, könnte durchaus sozialer Träger einer Bewegung zur Durchsetzung des RaE sein.

Damit die gesellschaftliche Entwicklung mit einem RaE nicht die angedeutete problematische Richtung einschlägt, ist es entscheidend, daß die in diesen Bewegungen vorhandenen Tendenzen einer Orientierung auf gesellschaftlich verantwortliches Verhalten und auf gesellschaftlich sinnvolle Arbeit dominant werden. Sozial zu verorten sind diese Tendenzen besonders zum einen bei Teilen der Alternativbewegung, zum anderen in den links-gewerkschaftlichen Initiativen zur sozial nützlichen Produktion. (119) Hier deutet sich eine höhere Form von Gesellschaftlichkeit an, von bewußtem und verantwortlichem Sich-Beziehen auf andere Teile der Gesellschaft.

Die soziale Basis zur Durchsetzung eines RaE und für eine vernünftige Gestaltung der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung auf dieser Grundlage könnte sich noch verbreitern, wenn es gelänge, das RaE in die Kontinuität der verschütteten egalitären Tradition der Arbeiterbewegung zu stellen. Zentral für diese Tradition ist die Ablehnung aller Strukturen und Mechanismen, die Konkurrenz und Wettbewerb untereinander fördern, die auf die Herausstellung und Privilegierung einzelner hinauslaufen, wie es im kapitalistischen Leistungsprinzip angelegt ist und die das Solidaritätsgefühl untergraben.

Theoretisch wäre es interessant, einmal intensiver das mit einem RaE implizit ganz anders gefaßte Gleichheitsprinzip zu reflektieren. Diejenigen, die lautstark immer gegen die "Gleichmacherei" zu Felde ziehen, fördern faktisch gegenwärtig eine gesellschaftliche Entwicklung in Richtung gleichmacherischer Normierung der Gesellschaft durch die Massenproduktion, die Massenmedien etc. Und sie haben den Gleichheitsbegriff hegemonial besetzt unter den Schlagworten Leistungsgesellschaft und Chancengleichheit.

Durch die stärkere ökonomische "Gleichmacherei" mit einem RaE könnten demgegenüber die Menschen ihre ungleichen Fähigkeiten ganz anders und besser entwickeln, da diese Fähigkeiten nicht mehr unbedingt gleichzeitig funktional für den Gelderwerb sein müssen.

Wenn nun insgesamt die noch sehr heterogenen neuen sozialen Bewegungen und die in der angesprochenen Tradition stehenden Teile der Arbeiterbewegung das RaE als Chance der Verbesserung ihrer Aktionsmöglichkeiten begreifen und sich gleichzeitig durch die Thematisierung gesellschaftlich sinnvoller Produktion bei der Finanzierungsproblematik des RaE (d.h. etwa dem Streichen aller staatlichen Ausgaben, die gezielt auf eine Förderung des industrialistisch-kapitalistischen Zukunftsmodells hinauslaufen) weiter ausbreiten, so würde zum einen das RaE eventuell durchsetzbar, zum zweiten aber im Prozeß der Durchsetzung eine Art Kulturrevolution initiiert, die die angedeutete problematische Entwicklungsperspektive vermeidet.

Axel Bust-Bartels, Dr. rer. pol., Jg. 1947, Diplom-Volkswirt, wiss. Angestellter am soziologischen Seminar der Universität Göttingen; Adresse: Henri-Dunant-Str. 47, 3400 Göttingen

Anmerkungen

  1. Diese Studie von dem Havard-Professor Harvey Brenner und andere Studien zu diesem Problem sind heftig - gerade wegen des statistisch-methodischen Vorgehens - auf zwei internationalen Tagungen diskutiert und weitgehend anerkannt worden. Vgl. dazu u.a.: Frankfurter Rundschau 8.2.1982, S. 14
  2. J. Berger: Alternativen zum Arbeitsmarkt, in: Mitteilungen aus Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1/1984; C. Offe: Wer keine Arbeit findet, soll trotzdem essen dürfen, in: Frankfurter Rundschau 23.8.1983; A. Gorz: Wege ins Paradies, Berlin 1983, S. 66 ff; K.-U. Gerhardt/A. Weber: Garantiertes Mindesteinkommen, in: Alemantschen. Materialien für radikale Ökologie, Bd. 3, Maintal 1983; T. Schmid (Hg.): Befreiung von falscher Arbeit. Thesen zum garantierten Mindesteinkommen, Berlin 1984; G. Adler-Karlsson: Gedanken zur Vollbeschäftigung, in: Mitteilungen aus Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 4/1979; G. Vobruba: Die Entkoppelung von Arbeit und Einkommen, in: Widersprüche Nr. 12, 1984; E. Fromm: Gesamtausgabe, Bd. IV: Gesellschaftstheorie, Stuttgart 1980, S. 234 ff; ders.: Haben oder Sein München 1979, S. 181 f
  3. Landesvorstand der Grünen NRW (Hg.): Sozialhilfe, Grüne Vorstellungen über die Abschaffung der Armut, o.O. 1984, S. 6 ff; M. Opielka: Das garantierte Mindesteinkommen - ein sozialstaatliches Paradoxon? in: T. Schmid (Hg.): a.a.O; The Ecology Party (England): Working for a Future. An Ecological Approach to Employment, London o.J. (1980)
  4. A. Hoffmann/S. Leibfried, Historische Regelmäßigkeiten bei Regelsätzen - 100 Jahre Tradition des Deutschen Vereins?, in: Neue Praxis, (1980) 3; S. Leibfried "Sterbehilfe" oder ein "Recht auf Leben", in: Vorgänge 62/63, Heft 2/3 1983; sehr viel vorsichtiger dazu: H. Hartmann, Standort und Perspektive der Sozialhilfe im System sozialer Sicherung, in: WSl-Mitteilungen, (1979) 12.
  5. Y. Spiegel: Evangelische Sozialethik und garantiertes Mindesteinkommen, in: T. Schmid (Hg.) a.a.O.
  6. Vgl. u.a.: Arbeitslosengruppen diskutieren Existenzgeld. Ein neuer "Gesellschaftsvertrag" gegen die Isolation, in: TAZ 19.10.1984.
  7. Soziale Sicherung statt Ausgrenzung und Armut, in: Frankfurter Rundschau 6. und 7.8.1984.
  8. Vgl. H. Geißler, Die neue soziale Frage, Freiburg 1976, S. 27; die Schätzungen des Anteils der Armutspopulation an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik reichen von 9,2 % bei Geißler bis zu 26 % bei J. Roth (Armut in der BRD, Hamburg 1979, S. 35). Zu den verschiedenen Studien vgl.: B. Schulte/P. Trenk-Hinterberger, Sozialhilfe, Königstein/Ts. 1982, S. 18.
  9. Vgl. u.a.: Der Gewerkschaftler, (1983) 7, S. 15.
  10. C. Offe a.a.O., S. 10.
  11. Zitiert nach: J. Huber, Wer soll das alles ändern?, Berlin 1981, S. 38.
  12. Abgesehen von der Altersversorgung etc.
  13. Im Stalinismus wurde die Pflicht zur Arbeit während der Phase der Industrialisierung in terroristischer Weise durchgesetzt. Die Situation der Arbeiter der Sowjetunion war in den dreißiger Jahren von ähnlichem Leid und Elend gekennzeichnet wie in der frühen Phase des Kapitalismus. Vgl. dazu S.S. Schwarz, Arbeiterklasse und Arbeiterpolitik in der Sowjetunion, Hamburg 1953; W. Hofmann, Die Arbeitsverfassung der Sowjetunion, Berlin 1956.
  14. Vgl. Gesetzbuch der Arbeit (der DDR).
  15. Vgl. zum folgenden K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 592 ff. Es muß allerdings betont werden, daß es für Marx nie allein um die Aufhebung der Distribution ging, sondern immer um die Veränderung der Produktionsweise. Vgl. u.a. ebd., S. 599.
  16. Im Realen Sozialismus gibt es keinerlei Anzeichen, daß die Entwicklung von ..disposable time" angegangen wird.
  17. Vgl. P. Lafargue, Das Recht auf Faulheit, Frankfurt/M. 1966, S. 41.
  18. Zur Geschichte vgl. etwa: S. Leibfried, Sozialpolitik und Existenzminimum, in: Arbeitspapiere des Forschungsschwerpunktes Reproduktionsrisiken, soziale Bewegungen und Sozialpolitik, Universität Bremen, Nr. 42, 1983. Auf das weitreichende System der Sozialstaatlichkeit in den skandinavischen Ländern kann hier nicht eingegangen werden.
  19. Entweder nach dem Versicherungsprinzip oder dem Prinzip der Bedürftigkeit, in Form von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe.
  20. § 25 BSHG. In der Praxis einiger Sozialämter läuft das auf eine Art Zwangsarbeit bei minimaler Bezahlung hinaus.
  21. Vgl. dazu K. Polanyi, The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Frankfurt/M. 1978, S. 113 ff.
  22. Vgl. dazu F. Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, Berlin 1952.
  23. Vgl. u.a.K. Polanyi, a.a.O., S. 132 f.; K. Marx, Das Kapital, Bd. l, MEW 23, 24. Kapitel: Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation, S. 741 ff., Berlin 1971.
  24. Vgl. dazu K.G. Zinn, Die Kategorien "produktiv" und "unproduktiv" in der Ökonomie. Über lebensnützliche und lebensschädliche Bedürfnisse, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 17/80. Diese Diskussion darf nicht mit der neueren Diskussion über die marxistischen Kategorien produktiv und unproduktiv verwechselt werden.
  25. Vgl. J. Popper-Lynkeus, Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage, Dresden 1912. In ähnlicher Richtung weisen die frühen Ideen der englischen Fabier. Vgl. dazu: K. Gretschmann, Zum Verhältnis von einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Allokation und Distribution in der rationalistischen Gemeinwohlkonzeption der Fabier, in: Archiv für öffentliche und freigemeinwirtschaftliche Unternehmen, Bd. 13, 1981.
  26. Vgl. dazu I. Belke, Die sozialreformerischen Ideen von Josef Popper-Lynkeus (1838-1921), Tübingen 1978.
  27. Vgl. dazu u.a. H. Marcuse, Der eindimensionale Mensch, Berlin/Neuwied 1967; E. Fromm, Haben oder Sein, Stuttgart 1979.
  28. Vgl. G. Adler-Karlsson, Gedanken zur Vollbeschäftigung, in: Mitteillungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, (1979) 4.
  29. Einigen Nationalsozialisten war die "jüdische" Herkunft der Idee des Arbeitsdienstes - Popper-Lynkeus war Jude - durchaus bewußt und peinlich. Trotzdem empfahlen sie z.B. 1924 seine Lektüre, da er die Idee des Arbeitsdienste "erweitert und vertieft durchdacht" habe; vgl. I. Belke, a.a.O., S. 237.
  30. Vgl. dazu K. Roberts, Automation, Unemployment and the Distribution of Income, European Centre of Work and Society. Maastricht 1982, S. 62 ff. und die dort angegebene Literatur.
  31. Die Nationaldividende ist im strengen Sinne ebenfalls eine negative Einkommensteuer, wenn man alle staatlichen Transferzahlungen als negativen Ast des Steuersystems auffaßt.
  32. Vgl. dazu u.a. B. Molitor, "Negative Einkommensteuer" als allgemeine Fürsorgeleistung?, in: N. Preußner (Hrsg.), Armut und Sozialstaat, Bd. l, München 1981.
  33. Vgl. W. Engels u.a. Staatsbürgersteuer. Karl Bräuer Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 26, Bad Wörrishofen 1974. Die Autoren gehen etwa für die Bundesrepublik 1970 etwas gestaffelt ungefähr von einem monatlichen Betrag von 300 DM für jeden ab 14 Jahre aus, dessen Finanzierung den Staat 190 Mrd. DM kosten würden (S. 25 u. S. 67).
  34. Vgl. K. Schmidt, Steuerpolitik im Umbruch?, in: H. Haller/H. C. Recktenwald, Finanz- und Geldpolitik im Umbruch, Mainz 1969, S. 180 f.
  35. Wie "gut" derartige Modelle funktionieren, kann man gegenwärtig an der gewaltigen Zunahme von Armut und Elend in den USA ablesen.
  36. Vgl. u.a. W. Engels, Die organisierte Verschwendung. Warum der Staat zuviel Geld verbraucht, in: Die Zeit vom 20.3.1981.
  37. Zitiert nach ebd.
  38. Vgl. zu den verschiedenen Reformvorschlägen M. Pfaff, Garantiertes Einkommen oder garantierte Arbeit, in: Wirtschaftswoche, (1972) 13, S. 34.
  39. Vgl. J. Ryhs-Williams, Something to Look Forward To, London 1942; Teilabdruck in: dies., Taxation and Incentive, London 1953. Die Lady machte übrigens auch Arbeitsbereitschaft zur Voraussetzung des Empfangs der Sozialdividende.
  40. Vgl. K. Roberts, a.a.O., S. 62 f.
  41. Vgl. u.a. B. Molitor, a.a.O., S. 313.
  42. Zu den verschiedenen Vorschlägen, die in der Diskussion waren, vgl. u.a. M. Pfaff, a.a.O.
  43. Vgl. dazu u.a. B. Badura, Perspektiven amerikanischer Sozialpolitik, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (1973), S. 814 ff.
  44. Vgl. dazu u.a. D.L. Bawden/W.S. Harrar (Eds.), Rural Income Maintenance Experiment, Final Report, Madison 1976; D. Kershaw/J. Fair (Eds.), The New Jersey Income-Maintenance Experiment, Volume I: Operations. Surveys and Administration, New York - San Francisco - London 1976; P.K. Robins et al (Eds.), A Guaranteed Annual Ancome Evidence from a Social Experiment. Seattle Income Maintenance Experiment, New York u.a. 1980; H. Watts/A. Rees (Eds.), The New Jersey Income Maintenance Experiment, Volume II: Labor-Supply Responsens, New York - San Francisco - London 1977. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Experimente geben K.-U. Gerhardt/A. Weber, a.a.O., S. 91 ff. J.V. Almsiek, Die negative Einkommensteuer, Berlin 1980, S. 195 ff.; A. Otten, Die negative Einkommensteuer als sozialpolitische Alternative, Frankfurt/M. u.a. 1977, S. 80 ff.
  45. Mit der negativen Einkommensteuer sollen die arbeitsfähigen Armen gezwungen werden, "die marginalen, saisonabhängigen, unregelmäßigen und niedrig bezahlten Arbeiten anzunehmen, die viele von ihnen angesichts der augenblicklichen Fürsorgeleistungen in der letzten Zeit verschmähen können". (F.F. Piven/R.A. Cloward, Regulierung der Armut. Die Politik der öffentlichen Wohlfahrt, Frankfurt/M. 1977, S. 401.)
  46. Vgl. u.a. K. Roberts, a.a.O., S. 36 f.
  47. H. von Witzke, Grundzüge einer Mindesteinkommenssicherung für die Landwirtschaft der EG, in: Agrarwirtschaft (1980), S. 181; vgl. weiter zu der Diskussion H. Schrader, Mindesteinkommenssicherung - eine agrarpolitische Alternative, in: Agrarwirtschaft (1981), S. 347 ff.; H. von Witzke, Alternative Einkommenspolitiken Preisstützung vs. Mindesteinkommenssicherung, in: Agrarwirtschaft (1980), S. 349 f.; G. Schmitt, EG-einheitliche Preise und nationale Einkommensbeihilfen?, in: Agrarwirtschaft 1980, S. 215 ff.; ders., Vor einer Wende in der Agrarpolitik, in: Agrarwirtschaft (1980), S. 97 ff.; M. Martin, Formen, Möglichkeiten und Wirkungen direkter Einkommensübertragungen an die Landwirtschaft, Göttingen 1974; M. Köster/S. Tangermann, Alternative der Agrarpolitik, Münster-Hiltrup 1976; B. Knerr, Mindesteinkommenssicherung und Sozialhilfe für die landwirtschaftliche Bevölkerung, Kiel 1981.
  48. Vgl. u.a. H. Schrader, a.a.O.
  49. H. von Witzke: Grundzüge..., a.a.O., S. 178. Zeitlich befristet soll es allerdings einige Sonderbestimmungen geben, daß nur ein Teil des Vermögens der Landwirte in Anrechnung kommt.
  50. The Ecology Party, a.a.O., S. 30. Das Buch wurde von Mitgliedern des "Political Committee of the Ecology Party National Council, which is responsible for presenting Party policy at national level" geschrieben.
  51. Der vorgeschlagene Beitrag liegt etwas über dem einfachen englischen Sozialhilfesatz, sieht als Mitzuschuß jedoch nur einen pauschalen, relativ kleinen Betrag vor, der in den meisten Fällen bei weitem nicht kostendeckend ist.
  52. The Ecology Party, a.a.O., S. 30.
  53. Ebd., S. 59.
  54. Vgl. ebd., S. 58.
  55. Ebd., S. 31.
  56. Vgl. K. Gretschmann: Garantiertes Minimum. Vom Recht auf Arbeit zum Recht auf Einkommen - auch ohne Arbeit, erscheint demnächst in J. Huber (Hg.): Eigenarbeit und Fremdarbeit, Frankfurt/M. 1984; Y. Spiegel, in: Frankfurter Rundschau, 5.7.1983.
  57. Vgl. H. Geißler: Die neue soziale Frage, Freiburg 1976.
  58. K. Gretschmann: a.a.O.
  59. Vgl. dazu: M. Opielka: Von der sozialen zur ökosozialen Frage, in: Kommune 1/1984; ders.: Das garantierte Mindesteinkommen - ein sozialstaatliches Paradoxon? in: T. Schmid (Hg.): Befreiung von falscher Arbeit, Berlin 1984.
  60. Vgl. Die Grünen NRW: Sozialhilfe. Grüne Vorstellungen über die Abschaffung der Armut, o.O. 1984; K.-M. Gerhardt/A. Weber: Garantiertes Mindesteinkommen. Für einen libertären Umgang mit der Krise, in: T. Schmid (Hg.) Befreiung von falscher Arbeit, Berlin 1984, dies.: Garantiertes Mindesteinkommen, in: Alemantschen. Materialien für radikale Ökologie, Bd. 3, Maintal, 1983.
  61. Zur differenzierten Analyse dieses Effektes vgl.: W. Hanesch: Einkommenssicherung in der Krise, in: T. Schmid (Hg.): a.a.O.
  62. K.-U. Gerhardt/A. Weber: a.a.O. in: T. Schmid (Hg.): a.a.O., S. 46 ff.
  63. Vgl.: H. Heseler/H.J. Kroger (Hg.): "Stell Dir vor, die Werften gehören uns ..." Krise des Schiffbaus oder die Krise der Politik, Hamburg 1983, S. 160.
  64. Vgl. dazu u.a. S. Pabst. Für eine liberale Erneuerung der Sozialsysteme, in: Liberal (1983) 11, M. Miegel, Sicherheit im Alter, Stuttgart 1981, S. 31 ff.
  65. A. Hoffmann/S. Leibfried: a.a.O.
  66. Vgl. Alternative Sozialpolitik, in: Widersprüche, (1984) 11, S. 126.
  67. C. Offe: a.a.O.; J. Berger: a.a.O.
  68. A. Gorz: a.a.O., S. 68 ff.
  69. vgl. ebd., S. 76 und S. 86.
  70. vgl. P. Glotz: Freiwillige Arbeitslosigkeit!, in: Pflasterstrand Nr. 197, 30.11.1984, S.21.
  71. ebenda
  72. T. Schmid: a.a.O., S. 16.
  73. ebenda
  74. ebenda
  75. Vgl. A. Hoffman/S. Leibfried: a.a.O.
  76. Vgl. P. Townsend: Poverty in the United Kingdom, Middlesex u.a. 1979.
  77. Vgl. dazu u.a. H. Hartmann, Standort und Perspektiven der Sozialhilfe im System sozialer Sicherheit, in: WSI-Mitteilungen, (1979) 12, S. 663 ff.
  78. Um das Problem zu verdeutlichen: das Department of Health, Education and Welfare in den USA änderte z.B. etwa Anfang der siebziger Jahre die Richtlinien für die öffentliche Wohlfahrt wie folgt: Es gab auf einmal längere und kompliziertere Antragsformulare und eine unsinnige Ausweitung der bürokratischen Nachweispflicht. Die Bestimmung, die die Länder und Gemeindebehörden anwies, Antragstellern beim Ausfüllen der Formulare behilflich zu sein, wurde aufgehoben. Es wurde die Möglichkeit zur Hausdurchsuchung jederzeit bei Tag und Nacht geschaffen (um zu prüfen, ob etwa alleinstehende Mütter doch mit jemandem zusammenlebten, der zum Unterhalt herangezogen werden könnte). Die Benachrichtigungstermine bei Kürzung oder Streichung der Unterstützung wurden derart verkürzt, daß ohne Verluste bei den Zahlungen kein Einspruch mehr eingelegt werden konnte, und vieles mehr. Der Effekt war eine Ausgabensenkung. (Vgl. F. Pieven/R.A. Cloward, Regulierung der Armut. Die Politik der öffentlichen Wohlfahrt, Frankfurt/M. 1977, S. 409 f.)
  79. So sollen etwa nach den Plänen des finnischen Arbeitsministers, Urpo Leppanen, weibliche Arbeitslose, die sich verpflichten, die weitere Arbeitssuche aufzugeben und im Haushalt zu bleiben, monatlich 1000 Finnmark (467 DM) erhalten (vgl. Tageszeitung vom 17.11.1983). Mit dieser Regelung werden Frauen aus der Erwerbslosigkeit herausgedrängt (und damit gegenüber dem Mann diskriminiert), und es wird dem traditionellen Rollenklischee der Frau als Versorgerin des Mannes im privaten Bereich Vorschub geleistet.
  80. Vgl.: Alternative Sozialpolitik, in Widersprüche, (1984) 11, S. 131.
  81. Vgl. zur Kritik etwa A. Hoffmann/S. Leibfried, a.a.O. und die dort angegebene Literatur.
  82. Vgl. u.a. S. Leibfried, Bevor der Flurschaden unauslösliche Spuren hinterläßt, in: Frankfurter Rundschau vom 21.10.1983, S. 10.
  83. Als weiterer Punkt wäre zu nennen: wenn unter dem Anspruch einer grundlegenden Reform des Sozialsystems der "gesamte Kuchen" der Sozialstaatsausgaben zur Disposition gestellt wird, so besteht immer die Gefahr, daß er im Prozeß der politischen Auseinandersetzung auf einmal immer kleiner wird.
  84. Vgl. Einkommensverteilung und -Umverteilung 1981, in: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Zwischenbericht, (1983) 30, S. 372 f.
  85. Das Modell darf nicht als konkreter Reformvorschlag aufgefaßt werden, dazu sind die der Einfachheit geschuldeten Schwächen viel zu groß. Etwa ist darin ein Effekt enthalten, der große Familien auseinandertreibt.
  86. Es läßt sich darüber streiten, ob damit das Prinzip der Subsidiarität verletzt ist.
  87. in der Literatur zur "Negativen Einkommensteuer" wird mindestens 50% für notwendig gehalten, damit der Arbeitsanreiz nicht untergraben wird. Die Annahme von einem solchen oder noch höheren Satz würde allerdings das Modell verteuern. Zum Problem des Arbeitsanreizes vgl. weiter unten.
  88. Etwa wurde Gleichverteilung der Haushaltsgrößen im betroffenen unteren Einkommensbereich und in der Gesamtbevölkerung angenommen - eine für exakte Berechnungen sicher problematische Annahme. Zur Zahlengrundlage vgl.: DIW, a.a.O. und Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1982. Arbeitsangebotsreaktionen wurden nicht berücksichtigt.
  89. Vgl. Frankfurter Rundschau vom 22.2. 1984.
  90. Vgl. u.a. R. Hickel, Wer soll das bezahlen?, in: M. Bolle/P. Grottian (Hrsg.), Arbeit schaffen - jetzt!, Reinbek 1983.
  91. Vgl. H., Wesemüller, Planungssystematik und Planungsablauf bei der Projektierung neuer Verkehrslinien, in: Neues Archiv für Niedersachsen, (1982) 3, S. 246.
  92. Vgl. etwa K.-U. Gerhardt/A. Weber, a.a.O., S. 80.
  93. Vgl. A. Otten, a.a.O., S. 92.
  94. Als Richtschnur diente die offiziele Armutsgrenze, die meist prozentual unterschritten, aber für einzelne Versuchsgruppen um bis zu knapp 50% überschritten wurde, wie etwa im Seattle-Denver-Experiment. Als höchstes garantiertes Mindesteinkommen wurde dabei für eine vierköpfige Familie 1971 5600 Dollar pro Jahr = 465 Dollar pro Monat angesetzt. (Vgl. P. Robins et al (Eds.), A Guaranteed Annual Income. Evidence from a Social Experiment, New York u.a. 1980, S. 6.)
  95. Vgl. A. Otten, a.a.O., S. 91.
  96. Vgl. M. Pfaff, a.a.O., S. 36.
  97. J. v. Almsiek, a.a.O., S. 225.
  98. M. Schumann, Bestandsaufnahme, Analyse und Entwicklungstrends im Produktionsbereich, in: H.O. Vetter (Hrsg.), Humanisierung der Arbeit als gesellschaftspolitische und gewerkschaftliche Aufgabe, Frankfurt/M. - Köln 1974, S. 54.
  99. G. Adler-Karlsson, a.a.O., S. 482.
  100. Zur Komplexität des Sicherheitsbegriffs vgl.: F.-X. Kaufmann: Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem, Stuttgart 1970
  101. R. Müller: Arbeit und Gesundheitsverschleiß, in: Gesundheitstag Berlin 1980. Erläuterungen zum Programm, Berlin 1980, S. 54.
  102. Vgl. dazu H. Wintersberger: Gesundheitskämpfe in Italien - von der Arbeitsmedizin zur Arbeitermedizin, in: Jahrbuch für kritische Medizin, Bd. 3, Argument-Sonderband 27, Berlin 1978; H. Abholz u.a.: Die Entwicklung der Arbeitermedizin als Beitrag zur Humanisierung der Arbeit, in: WSI-Mitteilungen 2/1978; H. Funke: Taylorisierungstendenzen und Bedingungen der Gegenwehr, Berlin 1978.
  103. Vgl. dazu I. Kickbusch: Von der Zerbrechlichkeit der Sonne. Einige Gedanken zu Selbsthilfegruppen, in: Zukunft des Sozialstaats, Stuttgart 1983.
  104. Vgl. dazu A. Brock u.a.: Betriebliche Gesundheit und gewerkschaftliche Arbeit in einer norddeutschen Werft - Ansätze einer Arbeitermedizin in der BRD, in: Jahrbuch für kritische Medizin, Bd. 6, Argument-Sonderband 53, Berlin 1980.
  105. M. Opielka: Von der Krise der Zukunft des Sozialstaates. Ansatzpunkte einer ökologischen Sozialpolitik, in: Zukunft des Sozialstaates, Stuttgart 1983, S. 31.
  106. Vgl. M.Th. Greven: Parteiensystem, Wertwandel und neue Marginalität, in: J. Matthes (Hg.): Sozialer Wandel in Westeuropa, Frankfurt/M. 1979, S. 576.
  107. Vgl. C. Offe: Konkurrenzpartei und kollektive politische Identität, in: R. Roth (Hg.): Parlamentarisches Ritual und politische Alternativen, Frankfurt/New York 1980, S. 27.
  108. Vgl. M.Th. Greven, a.a.O., S. 581.
  109. H. Mehlich: Politischer Protest und gesellschaftliche Entdifferenzierung, in: P. Grottian, W. Nelles (Hg.): Großstadt und neue soziale Bewegung, Basel 1983, S. 141.
  110. K. Langbein u.a.: Bittere Pillen, Köln 1983.
  111. Die politische Forderung nach "Vergesellschaftung der Produktionsmittel" bedeutet eigentlich nur die Forderung nach Veränderung des Vergesellschaftungsmodus, und zwar meistens im Sinne einer administrativen "Verstaatlichung".
  112. Vgl. Ch. Neusüß: Der 'freie Bürger' gegen den Sozialstaat? Sozialstaatskritik von rechts und von Seiten der Alternativbewegung, in: Probleme des Klassenkampfes 39/1980.
  113. H. Fleischer: Marxismus und Geschichte, Frankfurt/M. 1970, S. 14.
  114. Vgl. dazu u.a. J. Strasser, K. Traube: Die Zukunft des Fortschritts, Bonn 1981, S. 217 ff.
  115. Vgl. J. Berger. a.a.O.; C. Offe a.a.O.
  116. Vgl. J. Hirsch, Der Sicherheitsstaat, Frankfurt/M. 1980; J. Hirsch/R. Roth "Modell Deutschland" und neue soziale Bewegungen, in: Probleme des Klassenkampfs, (1980) 40.
  117. Vgl. W. Hanesch, Garantiertes Einkommen und alternative Projekte, Referat auf der Fachtagung "Garantiertes Mindesteinkommen" 4. bis 6. Mai 1984 in Achberg.
  118. Vgl. E. Fromm: The Psychological Aspects of the Guaranteed Income, in: R. Theobald (Ed.): The Guaranteed Income, New York 1965, S. 188.
  119. Vgl. dazu u.a.: R. Duhm u.a. (Hg.), Wachstum alternativ. Kritisches Gewerkschaftsjahrbuch 1983/1984, Berlin 1983.