Das Elend der Mittelschichten

Die Mitte als Chiffre gesellschaftlicher Transformation
Abstract

Seit einiger Zeit ist in Deutschland die politische Sorge um die Mittelschichten - oder kurz: die Mitte - allgegenwärtig. Auf den Listen bedrohter Sozialarten, mit denen in der politisch-medialen Öffentlichkeit hantiert wird, rangiert sie mittlerweile ganz weit oben. Ob es nun Debatten um Beschäftigungsunsicherheiten sind, die, ausgehend von den Rändern der Gesellschaft, zunehmend auch in deren Zentrum überzugreifen begännen; um die Belastungen durch Sozialversicherungsbeiträge, die über der (politisch definierten) Belastbarkeitsgrenze nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch des durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalts lägen; oder um die kalte Progression, die die ohnehin mäßigen Lohnsteigerungen für Facharbeiter und mittlere Dienstklassen sogleich steuerpolitisch aufzufressen drohe: Stets ist es die gesellschaftliche Mitte, die als erstes Opfer politischer Reformen und wirtschaftlicher Umbrüche angerufen, deren soziales Schicksal als Melkkuh und Zahlesel der Nation beklagt wird.