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Heft 61: Abgeschaut und mitgebaut? Zum Einzug des Qualitätsmanagements in die Soziale Arbeit

1996 | Inhalt | Editorial | Leseprobe

Titelseite Heft 61
  • September 1996
  • 164 Seiten
  • EUR 7,00 / SFr 13,10
  • ISBN 3-88534-129-8

Barbara Rose

Qualität muß unterschieden werden!
Anmerkungen zur derzeitigen Qualitätsdebatte in der Sozialen Arbeit aus Sicht der Jugendhilfe

Vorwort

Überfliegt man nur einmal die Schwerpunktsetzungen der letzten beiden Jahrgänge in den einschlägigen sozialwissenschaftlichen und sozialpädagogischen Fachzeitschriften, dann stellt man auf den ersten Blick fest, daß das Thema: Neue Steuerungsmodelle (NST) ein "Renner" ist, von der "deutschen Jugend" bis zur "neuen Praxis". Dem zweiten Blick fällt dann die Bandbreite der Positionen, die zum Thema eingenommen werden, auf: Sie erstreckt sich von grundsätzlicher analytisch gewonnener Kritik über pragmatische handlungsorientierte Befassung bis zu unverhohlener Zustimmung. Während die sozialwissenschaftlich tätigen Menschen häufiger den kritischen Part vertreten, läßt sich bei Leitungen von Einrichtungen und VerbandsvertreterInnen eher eine affirmative Haltung feststellen. Kurz und gut: Es scheint auch hier so zu sein, daß Interesse und Erkenntnis, Standpunkt und Standort zusammenhängen. Mit dem dritten Blick nimmt man zur Kenntnis, daß die junge Rezeption der NST in der sozialpädagogischen Fachdiskussion überwiegend reaktiv und in Vorwegnahme einer Realität, die noch nicht ausgemacht ist, geschieht. Man arbeitet sich an der neuerlichen Zumutung ab, entwendet ihr ihren ideologischen Mantel und zeigt das wahre Interesse; oder man zähmt und glättet die Angelegenheit, um sie möglichst reibungslos den eigenen institutionellen Kontexten einverleiben zu können. So oder so, sowohl die kritisch-entlarvende als auch die pragmatisch-schlaue Befassung mit Neuer Steuerung, Qualitätssicherung und dergleichen vermögen dem für den Bereich der Sozialen Arbeit neuen und dominanten betriebswirtschaftlichen Paradigma kein gleichwertiges aus dem eigenen Terrain entgegenzusetzen; es sind kaum starke Argumente zu hören, die etwa allein schon durch die Bestimmung der Qualität des eigenen Tuns die neuen Zumutungen diskreditierten.

Sucht man nach Erklärungen für diesen Mangel, dann kommt einem eine Vermischung unterschiedlichster, zum Teil höchst widersprüchlicher Interessen und Vorhaben in den Sinn, innerhalb derer die Betriebswirtschaft freilich häufig gute Karten hat, und dies aus drei Gründen: Erstens sind dem Einzug der Neuen Steuerung in die Felder der Sozialen Arbeit die Türen geöffnet, die Wege geebnet. Zweitens macht die Institutionen-Logik, nach der Sozialarbeit organisiert ist und funktioniert, gerne gemeinsame Sache mit der Betriebswirtschaft. Und drittens gibt es in der Sozialen Arbeit keine Übereinkunft darüber, was die Qualität des Tuns ausmacht. Diese drei Gründe samt der sie umgebenden Interessensgemengelage sollen im folgenden am Beispiel der Jugendhilfe und unter Bezugnahme auf Erfahrungen in Hamburg skizziert werden.

Die Türen sind geöffnet

Bei der zur Zeit geführten Diskussion um die Steuerung sozialer Dienstleistungen, um deren Qualität und um die Qualitätssicherung stehen einerseits Fragen nach dem Stellenwert der Freien Träger und ihrem Verhältnis zum staatlichen Träger erneut zur Disposition. Andererseits wird die Frage nach Inhalten von und Definitionsmacht über Qualität Sozialer Arbeit gestellt.

Für die Kinder- und Jugendhilfe sind seit Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) diese Fragen bereits beantwortet: Die Position der Freien Träger ist an verschiedenen Stellen des KJHG beschrieben, ihnen kommt im Rahmen der Pluralität des Angebotes und der Wunsch- und Wahlfreiheit der Adressatinnen hohes Gewicht zu. Auch das Verhältnis zwischen dem staatlichen und den Freien Trägern ist deutlich definiert:

"Die öffentliche Jugendhilfe soll mit der freien Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten. Sie hat dabei die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben, sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten." (§ 4, Abs. 1 KJHG)

Das heißt im Klartext, die öffentliche Jugendhilfe, insbesondere ihr administrativer Arm, ist verabschiedet worden aus ihrer jahrzehntelang ausgeübten Machtposition gegenüber den Freien Trägern; sie bestimmt nicht, sondern vereinbart, sie kontrolliert nicht die Leistungen des Freien Trägers, sondern achtet dessen eigenständige Kompetenz, die im übrigen Bestandteil der staatlichen Anerkennung ist.

Auch die Frage nach dem Rahmen der Qualität des sozialen Angebotes ist im Grundsatz gesetzlich geregelt. Er orientiert sich strikt an den Lebenslagen der Adressatinnen: Deren individueller Bedarf, die Notwendigkeit und Geeignetheit für den Einzelfall sind alleiniger qualitativer Maßstab. Die Präzisierung des qualitativen Rahmens wird im Aushandlungsprozeß, nämlich durch das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Einbeziehung der Betroffenen geleistet und mündet in einen individuellen Hilfeplan. Die Sicherung der Qualität schließlich wird durch die Fortschreibung des Hilfeplanes im Prozeß der Hilfegewährung (z.B. durch Folgekonferenzen) gewährleistet. Die Qualitätssicherung flankierend, ist im KJHG eine umfassende und kontinuierliche Jugendhilfeplanung vorgeschrieben mit dem Gebot der frühzeitigen Einbeziehung von Freien Trägern und Betroffenen (§ 80 KJHG), um möglichst adäquat und für Infrastrukturplanungen richtungsweisend die Bedarfslagen zu erfassen.

Diese Vorgaben des Gesetzgebers bildeten Anfang der 90er Jahre die Basis, auf der sich bei vielen Einrichtungen und noch mehr pädagogischen Mitarbeiterinnen eine bemerkenswerte Aufgeschlossenheit für eine neue Dienstleistungsorientierung der Sozialen Arbeit entwickelte. Aber im Unterschied zur alten Dienstleistungsdebatte der 70er Jahre (Badura/Gross 1976), deren Kern das Dienstleistungsprinzip ausmachte und in dessen Zentrum die Institutionalisierungs- bzw. Professionalitätsdiskussion stand, interessierte nun die Dienstleistungspraxis: Professionelle und Träger sahen mit dem KJHG die Chance gekommen, dort verankerte Handlungsmaximen wie: Anspruchsberechtigung, Beteiligungsverpflichtung, Wahlrecht der Adressatinnen, Ausrichtung der pädagogischen Maßnahmen an der individuellen Situation etc. im Interesse von Kindern, Jugendlichen und Sorgeberechtigten zu realisieren. Die Programme von Fortbildungsveranstaltungen und Fachtagungen der einschlägigen Verbände und Institute in den ersten Jahren nach Einführung des KJHG nährten und kultivierten dieses Interesse: "Vom Klienten zum Kunden", "Hilfeplanung als Aushandlungsprozeß", "Von der Fürsorge zur Leistungsberechtigung" waren häufig angebotene und gut besuchte Veranstaltungen. Unterstützt und fundiert wurde diese fortschrittliche Wende "qua Gesetz" durch den 8., später durch den 9. Jugendbericht. Insbesondere der 8. Jugendbericht mit seinem qualitativen Markenzeichen, der "Lebensweltorientierung", verhalf dem KJHG zu einer Akzeptanz unter kritischen Pädagoginnen, wie sie kaum ein anderes Basis-Gesetz Sozialer Arbeit je für sich zu verbuchen vermochte und vermag.

Aber schon bald nachdem sich etliche Einrichtungen in solcher Absicht der Ausgestaltung des KJHG auf den Weg gemacht hatten, Arbeitsfeldstrukturen sich veränderten, neue Organisationsmodelle erprobt wurden, pädagogische Mitarbeiterinnen ein anderes professionelles Selbstverständnis zu formulieren begannen, wurde all das konfrontiert mit ersten Entwürfen einer "output"-orientierten Jugendhilfe. Diese waren zunächst pioniermäßig von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGST) zur Modernisierung der kommunalen Jugendämter entwickelt worden, wurden jedoch fast im gleichen Atemzug nahtlos auf die sozialpädagogische Praxis übertragen. Abgesehen von einigen Kolleginnen - meist im Leitungsbereich tätig und bereits seit geraumer Zeit mit Themen des sozialen Managements liebäugelnd -, die verblüffend schnell auf den neuen Zug unter dem Deckmantel der Realisierung des Dienstleistungsanspruches aufsprangen, herrschte und herrscht noch bei der Mehrheit der pädagogischen Mitarbeiterinnen Ratlosigkeit darüber, wie die neuen Modelle einzuschätzen seien.

Aber nicht nur zwischen dem professionellen Modell einer neuen Dienstleistungspraxis und dem administrativen Interesse an "verschlankten" und "flexibilisierten" Dienstleistungen finden sich Entsprechungen. Auch der Arbeitsauftrag des KJHG im Hinblick auf die künftige "bedarfsgerechte Ausgestaltung einiger Arbeitsfelder und die Maßnahmen zu deren Umsetzung weisen Berührungen auf, die deutlich durch eine betriebswirtschaftlich dominierte Dienstleistungsmetapher gekennzeichnet sind. Der Gesetzgeber verpflichtet die örtlichen Jugendämter, die erzieherischen Hilfen ab 1995 bedarfsgerecht vorzuhalten. Abgesehen davon, daß es hierzu an aussagefähigen Bedarfsanalysen fehlt, insbesondere an sozialräumlich ausgerichteten Jugendhilfeplanungen, fehlt es den Kommunen an Geld. Die prekäre Situation soll nun dadurch bewältigt werden, daß bereits vollzogene Änderungen bei der Kostenregelung zwischen Kostenträgern und Anbietern im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) (§§ 93 und 94) auch auf den Bereich der Jugendhilfe angewendet werden. Diese Vereinbarungen besagen, daß statt der langjährigen Tradition der rückwirkenden Selbstkostenerstattung durch den öffentlichen Kostenträger (wodurch immerhin noch in Ansätzen so etwas wie "Bedarfsgerechtigkeit" ermöglicht wurde) dieser nur noch zahlt auf der Basis von im voraus vorgenommenen detaillierten Absprachen über Art, Umfang und Zeitraum der Leistungen, kurzum: von administrativ vordefinierten Bedarfen. Die KGST formulierte denn auch flugs den neuen Anspruch der öffentlichen Jugendhilfe, "im Rahmen der bundes- und landesrechtlichen Regelungen (zu) bestimmen, in welchem Umfang und mit welchen Standards Aufgaben der Jugendhilfe örtlich wahrgenommen werden sollen" (KGST-Bericht, 1994, 9).

Es bedarf nicht allzu großen Scharfblickes, hinter diesem "Umlenkungs"manöver die Umrisse eines staatlich kontrollierten Umbau- im Abbau-Konzepts sozialer Dienstleistungen zu vermuten, sozusagen eine weitere Regulierung von bereits Reguliertem.

Institutionen-Logik und Betriebswirtschaft: Hand in Hand

Die vorliegenden Konzepte zur Qualitätssicherung und die damit einhergehenden Steuerungsmodelle beanspruchen, die Prinzipien der modernen flexiblen Betriebsführung auf soziale Organisationen zu übertragen. Die sozialen Dienstleistungen sollen durch Verschlankung der Verwaltung und flexible Steuerung aller vorhandenen Ressourcen qualitativ anspruchsvoller = besser werden, und sie sollen sich rechnen = billiger werden. Daß dies sinnvolle Absichten sein können, ist nicht zu bestreiten. Bei näherer Betrachtung der Steuerungsmodelle und der in ihnen enthaltenen Aussagen zu Qualität und Qualitätssicherung wird sehr schnell deutlich, daß es sich um Verfahren handelt, die den Einsatz und die Steuerung von finanziellen und personellen Ressourcen ausschließlich unter betriebswirtschaftlichen Kriterien vornehmen und in dieser Absicht die institutionalisierten Vorgaben kleinarbeiten, was relativ widerspruchslos gelingt. Ein Paradebeispiel bietet das Steuerungsmodell der KGST zur Modernisierung der Jugendhilfe. Danach soll die Qualität von Jugendhilfeleistungen durch die Steuerung von "Produkten" ermöglicht werden. Zu diesem Zweck bietet es sich an, den gesamten Leistungsbereich des KJHG zum "Produktplan" zu erklären, der in vier "Produktbereiche" (entsprechend den vier Leistungsbereichen) untergliedert ist, die sich ihrerseits wiederum in 16 "Produktgruppen" (Rahmenangebote, in etwa den einzelnen Paragraphen nachgebildet) differenzieren. Innerhalb der "Produktgruppen" sind 51 "Produkte" (Differenzierungen der Rahmenangebote) angesiedelt. Jedes "Produkt" ist durch Angabe der gesetzlichen Grundlage, eine Aufzählung von Aktivitäten, eine Beschreibung der Zielgruppe und deren besonderer Merkmale und schließlich den exakten Leistungsumfang, d.h. die Quantifizierung der Leistung charakterisiert. Aus dieser Charakteristik werden dann "Kennziffern" abgeleitet, also "quantitativ darstellbare Indikatoren zur Beurteilung von Zielerreichungsgraden. Sie sollen Rückschlüsse auf die Qualität und Quantität eines Produkts ermöglichen." (Materia 1994, nach KGST 1994) "Kennziffern" sind z.B. Besucherzahlen, Öffnungszeiten, Gesamtstundenvolumen des Angebotes, Verwendungszeiträume von Sachmitteln, Ausnutzungsgrad von Räumen, Über- und Unterschreiten von festgelegten Betreuungszeiten, Relation von neuen zu beendeten Betreuungsverhältnissen u.v.m. Solcher Art Daten, von Pädagoginnen mit entsprechendem Zeitaufwand dokumentiert und von externen Evaluatoren ausgewertet, bilden die Basis für Finanzierungsvereinbarungen auf Zeit. Finanziert wird in Form von Budgets, denen der "genaue Leistungsumfang" und "exakt hochgerechnete Produktionskosten" zugrundeliegen. Nach diesem Pionier-Modell der KGST wurden nun in den vergangenen Monaten überall in der Republik Steuerungskonzepte von kommunalen Administrationen, schwerpunktmäßig für den Bereich der Jugendhilfe, entwickelt. Wenn sich dabei auch Variationen zeigen, so stimmen doch alle Konzepte darin überein, daß sie sich

  1. auf eine Quantifizierung der Rahmenbedingungen,
  2. auf die Kontrolle der Einhaltung derselben, gekoppelt an die Gewährung von Budgets auf Zeit und
  3. auf eine Vorab-Definition von Zielgruppen, die zu den jeweiligen Standard-Angeboten passen, reduzieren und in ihnen das Ganze als Qualifizierungs-Offensive verkauft wird.

Diese Merkmale finden sich auch in der Hamburgischen Entwicklung wieder. Interessanterweise existieren jedoch, im Unterschied zu anderen Bundesländern, hier keine ausbuchstabierten Steuerungskonzepte für den Bereich der erzieherischen Hilfen, sondern für den der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit. Für die kostspieligen erzieherischen Hilfen hat das Landesjugendamt eine hochdifferenzierte Angebotssteuerung entwickelt; sie werden bereits durch prospektive Pflegesätze (im Vorherein vereinbarte, nicht mehr veränderbare Budgets) finanziert. Insofern kann man behaupten, daß hier ein spezielles Steuerungskonzept nicht mehr notwendig ist, sondern das vorhandene Instrumentarium lediglich ausgebaut und verfeinert werden muß. Anders sieht es für den zuwendungsfinanzierten Bereich der Jugendhilfe aus, insbesondere für die "diffusen" Bereiche der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit. Diffus insofern, als diese Arbeitsfelder im Unterschied zu den erzieherischen Hilfen nicht durch das "harte" Kriterium der Leistungsberechtigung, stets auf den zu dokumentierenden Einzelfall bezogen, charakterisiert sind, sondern lediglich durch eine eher "weiche" Gewährleistungsverpflichtung, die zum Vorhalten einer jugenhilfegerechten Infrastruktur verpflichtet. Diese Ausgangssituation ist, böse gesprochen, ein gefundenes Fressen für Vertreter der NST. Und so verwundert es nicht, daß für diesen Bereich auch bereits ein Steuerungskonzept vorliegt (Amt für Jugend 1995). In diesem Konzept finden sich alle Merkmale, von denen bislang im Zusammenhang mit Steuerungsmodellen die Rede war, wieder:

Zunächst werden Defizite in der Administration beklagt, die eine zeitgemäße moderne Jugendhilfe erschweren. Es sind dies vor allem das Auseinanderfallen von Fach- und Ressourcenverantwortung, das hochbürokratische Verfahren zur Aufstellung des bezirklichen Haushalts sowie die fehlende Deckungsfähigkeit für von staatlichen oder Freien Trägern erbrachte gleichartige Leistungen. Statt nun jedoch diese Defizite am richtigen Ort anzugehen, wird sogleich der gesamte Bereich der Praxis der Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit mit dem Segen der Neuen Steuerung bedacht: Es wird der Anspruch formuliert, gleichermaßen "die ökonomischen und organisatorischen Rahmenbedingungen sowie die Fachlichkeit der Sozialarbeit" (ebd., 14) optimieren zu wollen.

Zweitens wird ganz unverblümt zugegeben, daß der öffentliche Jugendhilfeträger durch die outputorientierte Zuwendung versuchen möchte, seine Zielvorstellungen durchzusetzen (ebd., 23). Damit werden Freie Träger zu Handlangern der öffentlichen Jugendhilfe degradiert.

Und drittens: Wenngleich die Vorteile einer vielfältigen Angebotsstruktur gewürdigt werden, so plädiert das Konzept doch dafür, standardisierten Angebotsprofilen den Vorzug zu geben, da nur sie die Vergleichbarkeit von Dienstleistungen und Mittelverwendung gewährleisten und damit zur Leistungsverbesserung der Jugendhilfe erheblich beitragen würden(ebd., 17).

Blättert man weiter bis zur Leistungsbeschreibung der insgesamt 11 institutionalisierten (d.h. voneinander getrennten) Leistungsbereiche, so stellt man schon nicht mehr überrascht fest, daß diese nicht mehr und nicht weniger als die unkritische Wiedergabe der Ist-Situation in diesem Bereich beinhalten, sortiert nach den schon aus dem Steuerungsmodell der KGST bekannten Kriterien und ergänzt durch "harte" Kennziffern wie: Betriebskosten (allgemein, pro Einrichtung, pro Maßnahme), Anzahl der Stellen, durchschnittliche Ausgaben pro Zielgruppenmitglied. Durch diese quantitativ angelegte Leistungsbeschreibung erfährt man z.B., wieviel Kinder es in Hamburg zwischen 4 und unter 14 Jahren gibt (nämlich 150.138) und daß für jedes dieser Kinder derzeit jährlich 103 DM im offenen pädagogisch begleiteten Spielangebot ausgegeben werden. Letztere Informationen mögen für manche/n neu sein, ansonsten enthalten die Leistungsbeschreibungen keine Neuigkeiten, sie eröffnen keinerlei Perspektiven für Innovationen der pädagogischen Praxis, sondern belasten diese vielmehr durch die Notwendigkeit, derartige Leistungskriterien zu dokumentieren.

Ein Beispiel: In der Beschreibung des Leistungsbereiches l (offene, pädagogisch begleitete Spielangebote), der Spieldefizite und Spielraummangel ausgleichen soll, (ebd., 33), fehlen sämtliche denkbaren Hinweise auf qualitative Orientierungen, etwa Anhaltspunkte dafür, woran sich ein ausreichendes Spielraumangebot bemißt; was man unter Spieldefiziten verstehen soll; wieviel und welches Spielangebot Kinder in welchen biografischen Phasen brauchen. Sollen alle Kinder ein vergleichbares Spielangebot erhalten oder sind Differenzierungen sinnvoll und warum? Solcherart Überlegungen wären aber Voraussetzung, um einen Bedarf zu definieren und den Ist-Zustand (d.h. die Angebotssituation in den verschiedenen Regionen) dazu ins Verhältnis zu setzen. Es ließe sich ebenfalls - in qualitativer Absicht der Gewährleistung einer jugend- und kindergemäßen Infrastruktur verpflichtet - darüber nachdenken, was eigentlich die Abgrenzung einzelner Leistungsbereiche legitimiert und ob nicht Grenzüberschreitungen geboten wären: Wo hört der Leistungsbereich "Spiel" auf, wo fängt der des "Kulturellen" an, wie begegnet man im ganz normalen pädagogischen Alltag dem Geschlechterthema, dem in Form von "Mädchenarbeit" ebenfalls ein Leistungsbereich zugestanden wird, und wo gar verbergen sich im "Spiel" Elemente des Leistungsbereiches "Außerschulische Bildung" (mit 4 DM pro Kopf einigermaßen am unteren Ende der finanziellen Ausstattung rangierend)? Ganz vermessen scheint die Frage, wie institutioneil extrem getrennte Leistungsbereiche wie "Spielangebote" und "erzieherische Hilfen" zusammenhängen könnten. Solche oder ähnliche Fragestellungen, die notwendig wären, um dem Stichwort "Qualität" näher zu kommen, sind den Steuerungskonzepten kontraproduktiv. Ihre Absicht verbirgt sich im Standard: Wenn der Kopfgeldbetrag, also der errechnete finanzielle Durchschnitts-Ausstattungsstandard, multipliziert mit der tatsächlichen, erfaßten Anzahl der Klientel, zur Bemessungsgrundlage des contracting wird, läßt sich selbst in derart mager finanzierten sozialpädagogischen Arbeitsfeldern noch kräftig einsparen.

Nun ist dieses Steuerungs-Konzept zunächst ein Diskussions-Papier, das in verschieden Ausschüssen beraten werden soll, um danach eine jugendhilfepolitisch verbindliche Form zu erhalten. Gleichwohl führt es einen neuen Realitäts-Rahmen ein, und deshalb ist zu hoffen und zu unterstützen, daß die Praxisvertreterinnen in den Ausschüssen sehr beharrlich auf die Einäugigkeit (nämlich Quantität mit Qualität gleichzusetzen) hinweisen, daß sie eine immer noch fehlende dezentrale kleinräumige Jugendhilfeplanung als Voraussetzung zur Übereinkunft über Rahmenbedingungen der pädagogischen Arbeit einfordern, daß sie sich untereinander auf regionaler Ebene über Bedarfe, qualitative Orientierungen und Arbeitsschwerpunkte einigen und damit auf einer fachlich, von Professionellen geführten Qualitäts-Diskussion bestehen, die deutliche Bezüge zum sozial- und kommunalpolitischen Kontext aufweist. Diese Kooperation und Verständigung der Träger ist aber nicht ohne weiteres herzustellen. Denn erstens sind große und kleine Träger von den in Planung befindlichen Steuerungskonzepten in unterschiedlicher Weise tangiert. Während die Großen die regulierenden Vorgaben organisationsintern abarbeiten und in ihre institutionellen Kontexte integrieren können, geht den Kleinen schneller die Puste aus. Von den Dachverbänden ist bislang wenig handfeste Unterstützung zu erwarten, zu sehr sind sie selber in der Angelegenheit NST Partei. Ihr Interesse geht dahin, ihren Einfluß in Erwartung der neuen Verhältnissen zu halten. Es zeichnet sich also eine Lagerbildung zwischen den Großen und den Kleinen ab. Zweitens müßten die verschiedenen Arbeitsfelder im regionalen Zusammenhang neue Kooperations- und Vernetzungsformen entwickeln und damit ihre altbewährten Zuständigkeiten und Abgrenzungen infragestellen, was angesichts von Trägeregoismen und Besitzstandsdenken wahrlich ein schwieriges Unterfangen ist.

Es zeigt sich hier also zweierlei: Die betriebswirtschaftliche Logik ist ganz offensichtlich ohne große Schwierigkeiten oder Widersprüchlichkeiten anschlußfähig an die Institutionenlogik, nach der Soziale Arbeit funktioniert. Und: Der Institutionen-Habitus (auch kleiner dezentraler Träger) verhindert eine hör- und sichtbare und damit machtvolle Gegenwehr gegen die betriebswirtschaftlichen Vorstöße.

Qualität muß unterschieden werden

Wenn es sich innerhalb der Sozialen Arbeit schon als schwierig erweist, die institutionellen Interessen überspringende Kommunikations- und Kooperationsformen für einen qualifizierten Diskurs herzustellen, um wieviel schwieriger ist es dann erst, einen Konsens über den inhaltlichen Kern von "Qualität" zu finden.

Dem Gros der Freien Träger ist es in den verflossenen "besseren Zeiten" zu wenig gelungen, aktiv und offensiv die Diskussion um die Qualität ihrer Arbeit voranzutreiben und selbstbewußt nach außen zu vertreten. Träger, von ihnen vorgehaltene Arbeitsfelder und insbesondere die dort tätigen Pädagoginnen sind aber aufgrund der Nähe zu den Adressatinnen in der Lage und verpflichtet, zu benennen, warum sie was tun und zu reflektieren, wie ihr Tun gelingt.

Jedoch haben die Träger- und Einrichtungsleitungen einerseits den notwendigen Prozeß des Klärens und Aushandelns über die Qualität der Arbeit zu wenig als wesentlichen Anteil ihrer Leitungsaufgabe akzeptiert. Andererseits erweckt der Begriff Qualität, erst recht der von Qualitätssicherung, bei vielen Praktikerinnen Unbehagen, dem mit der Behauptung: psychosoziale Arbeit oder Beziehungsarbeit lasse sich nicht "messen", abgeholfen werden soll. SozialpädagogInnen haben hohe Ansprüche an ihre Arbeit und an die Wirksamkeit, die vom eigenen Handeln ausgehen soll. Aber gleichzeitig fällt es ihnen schwer, realitätsnahe Ziele für die eigene Arbeit zu entwickeln und zu konkretisieren, was eine selbstbestimmte Überprüfung der eigenen Arbeitsweise erschwert. Sucht man nach Gründen für diese Scheu, so fällt einem spontan das ambivalente gesellschaftliche Ansehen ein, das diese Berufsgruppe im Kontext unserer Leistungsgesellschaft besitzt und das durch den Widerspruch zwischen hoher moralischer Bewertung des Helfens, der Solidarität mit den Schwachen einerseits und faktischer Bewertung aller Tätigkeiten nach dem ökonomischen Nutzenprinzip anderseits charakterisiert ist:

Wer mit den Randständigen und Gescheiterten zu tun hat, den Nichtsnutzen und Habenichtsen, den Faulenzern und Verweigerern, ist "irgendwie" ein Idealist mit achtenswerter persönlicher Motivation, aber letztlich ist seine Arbeit nichts wert, sie kostet vielmehr Steuern. Vielleicht erlebt man deshalb SozialpädagogInnen, die sich selbst und ihre Tätigkeit darstellen, so oft in der Verteidigungs- und Parteilichkeitsrolle und so selten in der Position der kompetenten Professionellen, die "wissen was sie tun". Silvia Staub-Bernasconi formuliert es drastisch: "Ich kenne keinen Beruf, der so viel über sich selbst lamentiert, aber zugleich die ihm verpaßten Etiketten und Stigmata - Symptom- und Feuerwehrarbeit, Flickschusterei, Waschlappen der Nation oder Abfalleimer der Gesellschaft - fast übereifrig freiwillig übernimmt und als offene, nie heilende Wunde pflegt." (1995, 15)

Einfacher ist es allemal zu bestimmen, was Qualität nicht ist oder nicht sein soll. Die in den vorgestellten Steuerungsmodellen enthaltene Qualität basiert auf einer vorabdefinierten umfassenden Standardisierung und Quantifizierung sozialer Hilfen und sozialer Probleme, ist durch eine Zweck-Mittel-Logik charakterisiert. Hans-Georg Tegethoff kritisiert diese Strategie grundsätzlich, wenn er behauptet: "Das mit dem Etikett des schlanken Staats in Verbindung gebrachte Konzept der Rationalisierung zeigt deutlich Merkmale einer technisch und ökonomisch verkürzten Anpassungsmodernisierung (...) Moderne Rationalisierung (schließt) immer auch eine Rationalisierung der Kommunikationswege, der Mitsprache und Beteiligungsformen, der Qualifikation und vor allem der Zieldiskussionen und Entscheidungsprozesse ein." (Tegethoff 1995, 146f.)

Qualitätskonzepte, die ihre Kriterien aus marktwirtschaftlichen Zusammenhängen entlehnen, sind für den Bereich des Sozialen schlicht nicht geeignet. Denn soziale Handlungsfelder orientieren sich nicht an ökonomischen Vorstellungen, sondern an der Verwirklichung sozialer Werte wie z.B. Selbstwert, Eigenverantwortlichkeit, Beziehungsfähigkeit, Handlungskompetenz, Kontrolle über die eigenen Lebensumstände. Adressatinnen sind Individuen mit Eigensinn und freiem Willen, sie lassen sich nicht wie Dinge instrumentell beeinflussen. Was mit den Hilfe-Angeboten geschieht, entscheiden sie selber mit ihren Vorstellungen vom "guten Leben". Trotz "guter Arbeit" und professionellem Engagement besuchen Jugendliche immer noch nicht die Schule, klauen weiterhin Autos, hören nicht auf, Drogen zu konsumieren. Selbst wenn Pädagoginnen Grund zur Annahme haben, sie hätten ihre angestrebten pädagogischen Ziele erreicht, können sie nicht sicher sein, ob die Zielerreichung tatsächlich auf die eingesetzten pädagogischen Mittel zurückzuführen ist. Thomas Klatetzki formuliert diesen Sozialer Arbeit immanenten Sachverhalt treffend, wenn er behauptet: "Wir wissen eigentlich nicht, was wir tun und welche Wirkung unser Handeln hat und zwar nicht, weil wir zu dumm sind, sondern weil wir gar nicht wissen können, was wir wissen müßten" (Klatetzki 1995, 37).

Er meint damit nichts weiter als die Tatsache, daß wir in allen Feldern, in denen es um das Soziale, die Interaktion zwischen Menschen geht, "über keine kausal wirkenden Methoden zur planmäßigen Veränderung von Personen verfügen" (ebd.).

Die Gleichsetzung von Qualität mit Effektivität, ihre Orientierung am "Produkt" greift also daneben, denn letztlich entscheiden die Adressatinnen, was sie mit den Angeboten machen - sie sind die wahren Produzentinnen. Aus der Fülle von kritischen Einwänden gegen eine derartige Lesart von Qualität seien einige weitere Aspekte angeführt, die deutlich machen, daß eine schlichte Übertragung von Qualitätskriterien des Marktes auf den Bereich Sozialer Arbeit nicht zulässig ist und nicht funktionieren kann:

Auf dem Markt angebotene Dienstleistungen brauchen Abnehmerinnen, Kundinnen, Konsumentinnen, die das ihnen zusagende Produkt auswählen. Im Bereich sozialer Dienstleistungen gibt es aber keine Kundinnen-Autonomie. Eine alleinerziehende Mutter, die Sozialhilfe bezieht, in miserablen Wohnverhältnissen lebt und mit der Erziehung ihrer Kinder überlastet ist, kann nicht zwischen Geldleistungen, z.B. zum Bezahlen einer Reinigungskraft, und angemessener Kinderbetreuung wählen, vom Wohnungsangebot ganz zu schweigen. Vielmehr wird zunächst ihre komplexe individuelle Problemlage so umgedeutet, daß sie sich als Anspruchsberechtigte von Jugendhilfemaßnahmen in einem eingeschränkten Angebotsrahmen verortet wiederfindet, in welchem die Voraussetzung zur Erlangung von Hilfe die attestierte Beeinträchtigung ihrer Erziehungsfähigkeit ist. Zweitens: Die Erbringungskontexte "Markt" und "Soziale Arbeit" unterscheiden sich grundlegend (vgl. Schaarschuch 1996). Der Markt ist geprägt durch das Angebot von Waren, die von konsumierenden Kundinnen möglichst gut nachgefragt werden sollen, damit die Anbietenden Gewinne erzielen. Für den Bereich Sozialer Arbeit existiert diese Sphäre des Marktes aber lediglich als negative Folie, sie ist durch ihren Entstehungszusammenhang und die sie umgebenden gesellschaftlichen Strukturen vielmehr dahin ausgerichtet, die Defizite und sozialen Kosten, welche vom Marktgeschehen hervorgerufen werden, zu kompensieren. Und drittens: Würde man die Tätigkeit der im sozialen Bereich tätigen Professionellen durch die durchs Marktprinzip getönte Brille betrachten, dann fielen wichtige Ziele und damit verbundene Tätigkeiten, aus denen Soziale Arbeit ihre Legitimation (bis jetzt noch) schöpft, schlicht unter den Tisch (wie z.B. die Orientierung an Lebensweisen, die damit einhergehende Erkundung sozialräumlicher Strukturen, die Vernetzung milder sozialen Infrastruktur).

Was kann Qualität Sozialer Arbeit aber sein?

Zunächst: Qualität ist keine feststehende Größe, sondern wird erstens definiert durch gesellschaftliche Kontexte und zweitens durch das Handgemenge zwischen verschiedenen Interessengruppen hergestellt:

Zum ersten: ein Beispiel: Vor etwa 25 Jahren gab es noch einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, daß qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit in der Heimerziehung sich u.a. durch optimale Versorgung in den alltäglichen Angelegenheiten der Kinder und Jugendlichen auszeichnete. Nach solchen auf die materielle Ausstattung bezogenen Qualitätsmerkmalen und dem Grad der hierfür als sinnvoll erachteten Spezialisierung wurden damals die Heime bewertet, qualifizierten sich die in Heimen tätigen Pädagoginnen etc. Diese Art von qualitativer Norm geriet durch die Heimkampagnen, gestützt durch die Analysen über "totale Institutionen" (Goffmann) in die Kritik, und als neue Perspektive entwickelte sich ein Qualitätskonzept, das auf veränderte Organisationsstrukturen setzte. Durch Dezentralisierung, Entspezialisierung und Entformalisierung wurden Normalisierung und Alltag als qualitative Orientierungen angestrebt (Rößler/Tüllmann 1988). Seit Mitte der 80er Jahre verschob sich wiederum das qualitative Selbstverständnis dahin, daß zunehmend die Individualität von Kindern und Jugendlichen und die veränderten Bedingungen des Aufwachsens in der Risikogesellschaft in den Mittelpunkt rückten. Der Qualitätsschwerpunkt verschob sich damit in das unmittelbare sozialpädagogische Handeln, in den Handlungskompetenzbereich, hinein.

Die aktuelle Konkretion von Qualität ist also nicht unabhängig von zeitgeistigen Einflüssen. Diese Erkenntnis ist banal, gleichwohl kann sie für Kopf und Handeln strategische Bedeutung erlangen.

Zum zweiten: Die sich im Feld Sozialer Arbeit tummelnden Gruppierungen präsentieren unterschiedliche Interessenslagen und richten folglich unterschiedliche Vorstellungen von qualitativ guter Sozialarbeit an Einrichtungen und pädagogisches Personal. Das örtliche Jugendamt ist daran interessiert, knappe finanzielle Ressourcen so einzusetzen, daß dem gesetzlichen Auftrag Genüge getan wird und daß in der Öffentlichkeit ein Bild von funktionierender (d.h. möglichst "problemfreier") kommunaler Politik entsteht. Träger Sozialer Arbeit wollen die Bedingungen ihrer Arbeit absichern und und ihre professionelle Praxis durch organisatorische und fachliche Weiterentwicklung dem aktuellen Stand entsprechend der Fachwelt präsentieren. Pädagogische Mitarbeiterinnen wünschen sich gute Arbeitsbedingungen, um "gute Arbeit" tun zu können, um sich inhaltlich und emotional auf die Arbeit mit den Adressatinnen einzulassen, um deren problematische Lebenssituationen wenn nicht aufzuheben so doch zumindest erträglicher zu gestalten. Kooperierende Einrichtungen, z.B. die Schulen, erhoffen sich, durch qualifiziertes sozialarbeiterisches Handeln künftig weniger Probleme im eigenen Haus zu haben. Die Adressatinnen schließlich fragen nach dem Nutzen, dem Gebrauchswert, wobei auch hier sich widersprechende Erwartungen an Qualität die Regel sind: denken wir nur an die Interessenlagen von Sorgeberechtigten und Kindern, wenn es ums Schuleschwänzen, um Kaufhausdiebstahl oder gar ums Auto-crashing geht.

Die Konkretion von Qualität erfordert also das Wahrnehmen und Aushandeln unterschiedlicher Interessenslagen und ist deshalb immer eine normative, zu begründende Angelegenheit. Aber dabei ist zu berücksichtigen, daß die Beteiligtengruppen über unterschiedliche resp. ungleiche (auch zeit-ungleiche) Artikulations- und Beteiligungschancen im Prozeß des Aushandelns verfügen.

Das Problem, Qualität zu bestimmen, liegt nicht an nicht vorhandenen normativ-qualitativen Orientierungen, wenngleich diese im Prozeß der Praxis immer wieder zu vergewissern sind. Orientierungen gibt es zuhauf, sie sind sogar oft in die gesetzlichen Aufträge eingegangen. Vielmehr liegt das Problem am Kleinarbeiten und Wiedererkennen solcher Orientierungen in den alltäglichen Handlungsvollzügen (der Teufel steckt im Detail). Bei dieser Anstrengung sind zwei Ebenen zu unterscheiden: die Ebene der "guten Arbeit", auf der die Professionellen agieren und die der "guten Dienste", Terrain der Adressatinnen.

Maja Heiner, die sich seit Jahren mit Fragen zum Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit beschäftigt, schlägt deshalb vor, von Grundwerten der Qualitätsorientierung auszugehen und tätigkeitsfeldspezifisch Qualitätsmerkmale, die zur Erreichung dieser Grundwerte beitragen sollen, zu entwickeln (Heiner 1996). Grundwerte können z.B. Menschen- und Bürgerrechte sein, auch zentrale Begriffe sozialpolitischer Gesetze wie Kindeswohl, menschenwürdige Existenz (221). Diese Anstrengung, auf der Ebene von "guter Arbeit" angesiedelt, bedarf jedoch der Ergänzung durch die Stimme der Adressatinnen bei der Formulierung von Qualitätskriterien. Ihre Mitsprache ist unverzichtbar, nicht nur aus normativen, sondern gleichermaßen aus "technologischen" Gründen. Denn sie sind eben immer auch die Produzentinnen der Ergebnisse der professionell eingefädelten Interaktion, die Nutznießerinnen der "guten Dienste".

Um nun auf der Ebene der "guten Arbeit" die Dominanz der herkömmlichen institutionellen Logik zu brechen oder doch mindestens deutlich zurückzudrängen, schlägt Heiner am Beispiel der Grundwerte: Selbstverwirklichung, Solidarität und Gerechtigkeit einen Katalog von 12 Qualitätsmerkmalen vor, die

a) aus der Sicht der AdressatInnen,

b) Verhaltens- bzw. situationsbezogen und

c) angebotsorientiert formuliert sein sollen. Sie lauten: Transparenz, Partizipation, Abgestimmtheit, Zugänglichkeit, Zügigkeit, Informiertheit, Vertraulichkeit, Individualisierung, Normalität, Verständigungsorientierung, Achtung, Freundlichkeit (222). Uns geläufige qualitative Kriterien wie Empathie, Reflexivität oder auch Flexibilität tauchen nicht auf, da sie von den Adressatinnen nicht als ihnen nützende professionelle Angebote wahrgenommen werden können. Sie sind vielmehr der Kompetenz-Ebene zuzuordnen.

Es wird deutlich: In der Diskussion um die Qualität Sozialer Arbeit muß das Kunststück vollbracht werden, die professionelle Dimension der "guten Arbeit" (fachlich begründetes Handeln der Professionellen) und die AdressatInnen-bezogenen Perspektiven der "guten Dienste" (Gebrauchswertorientierung, Nützlichkeit) zunächst zu unterscheiden, um sie so dann im Prozeß des Kleinarbeitens miteinander verbinden zu können.

Dieses Vorgehen ist keineswegs systemssprengend; es ist immer noch im Rahmen der herkömmlichen Sozial-Politik angesiedelt; gleichwohl kann es mit seiner Infragestellung der vorherrschenden Institutionenlogik und Orientierung an "guten Diensten" Perspektiven in Richtung auf eine "Politik des Sozialen" aufzeigen.

In diesem Sinne können sich -je nach Situation und Zustand einer sozialpädagogischen Einrichtung - Diskussionen um die Qualität der professionellen Arbeit und das Kleinarbeiten auf unterschiedliche Ebenen konzentrieren:

  • auf die Ebene der Zielsetzung (Konsenssuche),
  • auf die der Planung und Umsetzung von Zielen (Entwicklung von Konzepten und Modellen),
  • auf die Ebene der optimalen Ressourcenverwendung (Organisation),
  • auf die der Einhaltung fachlicher Standards (Fachlichkeit im engeren Sinn) und schließlich
  • auf die Ebene der Einpassung in vorhandene Strukturen ohne unerwüschte Nebenwirkungen (Sozialverträglichkeit, Kooperation, sozialräumliche Orientierung) (214f.).

Es gibt genügend positive Erfahrungen, die belegen, daß pädagogische Mitarbeiterinnen an einer Qualifizierung ihrer Arbeitsweise interessiert sind, wenn diese, einrichtungsintern in angstfreier Atmosphäre ermöglicht und unterstützt durch die Leitung, als sinnvoll erachtet wird (vgl. Heiner 1988). Wenn die Qualifizierung allerdings von außen und vielleicht gar noch durch fachfremdes Personal geschehen soll, dann, so lehrt die Erfahrung, regen sich alle Widerstände. Träger und Personal verteidigen, mit dem Rücken zur Wand, mit Zähnen und Klauen, ihren Besitzstand und werden Wege finden, die neuen Vorgaben organisationsintern "abzuarbeiten", was die bürokratischen Arbeitsanteile stärkt und auf Kosten der Adressatinnen geschieht.

Um solche fatalen Konsequenzen zu vermeiden, sollte die Auseinandersetzung darüber, was die Qualität der Sozialen Arbeit ausmacht, in welchen Arbeitsinhalten und Tätigkeiten sie sich realisiert, wie die Ergebnisse zu reflektieren und zu interpretieren sind und schließlich: welche Organisations- und Arbeitsstrukturen dazu passen, eigenverantwortlich und selbstbestimmt in den Einrichtungen erfolgen.

Die Notwendigkeit der Qualifizierungs-Arbeit durch die Fachkräfte selber ist deshalb so sehr zu betonen, weil der derzeitige Konflikt zwischen Fachlichkeit/Qualität und Kostenorientierung/Quantiät unbedingt eine Stärkung der fachlichen Seite erfordert, damit diese überhaupt eine Chance hat, dem derzeitigen und künftigen Sozialabbau in der kommunalen Sozialpolitik argumentativ und öffentlich entgegentreten zu können.

Jede Qualitätsdiskussion, egal auf welcher Ebene angesiedelt, kann nur dann erfolgreich verlaufen, wenn eine unterstützende Organisationskultur existiert. Diese beinhaltet mindestens: die verfahrensmäßige Absicherung der Beteiligung aller Hierarchieebenen an der Debatte, ein Klima der Akzeptanz und Glaubwürdigkeit dahingehend, daß es in einer Einrichtung mehr als einen Arbeitsstil und ein Handlungskonzept geben kann und darf, die Offenlegung der sozialpolitischen und trägerpolitischen Vorgaben und Handlungsspielräume, und, ganz wichtig: Fehlerfreundlichkeit, die das Experimentieren mit neuen Arbeitsansätzen und das Korrigieren von Fehlentwicklungen erleichtert (Heiner 1996, 214)

Vorschlag

Der betriebswirtschaftlich motivierte Vormarsch in den Bereich der Sozialen Arbeit ist nicht mehr völlig ungeschehen zu machen, selbst wenn man messerscharf nachweist, daß die NST en Gros hinsichtlich ihrer Gleichung: billiger = besser eine Mogelpackung sind, für die Weiterentwicklung von fachlich gerichteter Qualität kontraproduktiv wirken und einen "Rückfall" in längst überwunden geglaubte Aktenführungsfachlichkeit bedeuten können. Soziale Arbeit muß also auf die neuen Verhältnisse reagieren, so wie sie immer aufgrund ihrer gesellschaftlichen Funktion auf Verhältnisse reagiert hat. Die Bandbreite der Re-Aktionen ist möglicherweise größer als viele noch hoffen und manche schon fürchten. Qualitätsdiskussionen müssen nicht nur um der erreichten Fachlichkeit, sondern auch um der Respektierung der Adressatinnen willen stattfinden und schließlich, um der sozialen Praxis eine politische Stimme zu erhalten. Selbst wenn der Einmarsch der Betriebswirtschaft mittelfristig gesehen problematische Auswirkungen auf die Soziale Arbeit insgesamt haben kann, so muß das nicht schon heute antizipiert werden dadurch, daß die mit den neuen Modellen einhergehenden Begrifflichkeiten allzu selbstverständlich genutzt werden. Denn Begriffe bilden nicht nur Wirklichkeit ab, sie stellen sie auch her. Ein erster Schritt wäre es deshalb, eine schwarze Liste einiger besonders perfider Steuerungsbegriffe aufzustellen. Schon jetzt können einige Kandidaten hierfür genannt werden: "In- und Output" "Produkt", "Kunde", "Effizienz", "Qualitätssicherung". Diese Liste gilt es fortzuschreiben und deren Mängel aufzuzeigen.

Literatur

AMT FUR JUGEND / HAMMER, W: Neue Steuerungsmodelle in der Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit in Hamburg, Hamburg 1995. HEINER, M. (Hg.): Selbstevaluation in der Sozialen Arbeit, Freiburg 1988.

HEINER, M.: Ziel- und kriterienbezogenes Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit. Vom Katalogisieren der Aktivitäten zur Reflexion von Qualitätskriterien, in: Merchel, J./Schrapper, C. (Hg.): Neue Steuerung, Münster 1996, S. 210-230.

KINDER- UND JUGENDHILFEGESETZ - KJHG

GESETZ ZUR NEUORDNUNG DES KINDER- UND JUGENDHILFERECHTES, 1990. KOMMUNALE GEMEINSCHAFTSSTELLE FÜR VERWALTUNGSVEREINFACHUNG - KGST: Outputorientierte Steuerung der Jugendhilfe, Bonn 9/1994.

KLATETZKI, T.: Zwei Modelle zur Beurteilung von Non-Profit-Organisationen, in: Widersprüche, Heft 53, Offenbach 1995, S. 35-40.

MATERLA, K.: Jugendhilfe als "Produkt" - Chancen und Risiken, Schwerte 1994.

RÖßLER, J. /TÜLLMANN, M. (Hg.): Zwischen Familienprinzip, Organisation und Professionalität. Erziehung im Rauhen Haus, Hamburg 1988.

SCHAARSCHUCH, A.: Dienst-Leistung und Soziale Arbeit. Theoretische Überlegungen zur Rekonstruktion Sozialer Arbeit als Dienstleistung, in: Widersprüche 59, Offenbach 1996, S. 87-97.

STAUB-BERNASCONI, S.: Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, Bern/Stuttgart/Wien 1995.

TEGETHOFF, H.-G.: Schlankheitskur für die Jugendhilfe, in: Neue Praxis 2/1995, S. 132-150.

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