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Heft 125: Sag mir Wie? Methodisches handeln zwischen Heilsversprechen und klugem Takt

2012 | Inhalt | Editorial | Abstracts

Titel Heft 125
  • September 2012
  • 132 Seiten
  • EUR 15,00 / SFr
  • ISBN 3-89691-985-4
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Hiltrud von Spiegel
Die Last der großen "Ansprüche" und die Mühen der Ebene
Reflexion über eine 40 Jahre währende Auseinandersetzung mit dem methodischen Handeln

Vorweg: Ich wollte nicht mehr schreiben, aber dieses Thema reizte mich dann doch. Es hat mich fast 40 Jahre beschäftigt und nun - drei Jahre nach meinem Abschied aus dem Berufsleben - schaue ich noch einmal mit einer gewissen Distanz auf dieses Thema und resümiere punktuell. Das alles nicht mehr mit dem Anspruch einer analytischen Beweisführung, sondern eher autobiografisch - essayistisch. Dazu gehe ich zunächst an meinen Ausgangspunkt Anfang der 1970er Jahre zurück und skizziere stichpunktartig die Methodenkritik, mit der sich kritische Soziale Arbeit begründete. In einem zweiten Punkt wage ich einen kleinen Ausflug in meine Biografie, soweit sie sich mit dem Methodenthema kreuzt. Im dritten Teil dieses Aufsatzes verfolge ich Entwicklungen zu drei Schlüsselthemen, die meiner Meinung zentral sind für das Verständnis methodischen Handeln (Umgang mit Begriffen; Stellenwert der Adressaten; Bedeutung von Zielen), um dann im vierten Teil einige Überlegungen zur professionellen Handlungskompetenz anzustellen. Im Ausblick benenne ich einige aktuelle Herausforderungen, denen sich eine kritische Soziale Arbeit stellen sollte.

Joachim Weber
Sich einlassen auf Praxis
Grundzüge einer Grammatik des klugen Taktes jenseits professioneller Methodenkompetenz

"Methoden können definiert werden als (Systeme von) Regeln (Vorschriften), die bei gegebenen Zielen Z eines Akteurs und unter der Voraussetzung einer sachgerechten Anwendung - die Wirksamkeit von Handlungen im Hinblick auf die Erreichung von Z gewährleisten oder wahrscheinlich machen [...] Die Anwendung einer Methode im Sinne der Ausführung veränderungswirksamer Handlungen mit einer beabsichtigten Wirkung verlangt dabei nach einer Reihe von vorausgehenden und nachfolgenden kognitiven Operationen [...] Zu den Operationen gehören die Beschreibung situativer Fakten sowie deren Erklärung, Prognose, Bewertung, die Formulierung eines praktischen Problems, eines darauf Bezug nehmenden Ziels und eines die gewählten Methoden nutzenden Handlungsplanes, die Ausführungskontrolle und Evaluation. Im Unterschied zu überlieferten oder erfundenen Faustregeln kann eine professionelle Methode als eine Methode definiert werden, die sich auf eine (erklärende) wissenschaftliche Theorie stützt. Professionelle sind in dieser Sicht Menschen, die im Rahmen einer allgemeinen normativen Handlungstheorie praktische Probleme durch die Anwendung professioneller Methoden bearbeiten. So kann grob der Kern einer Handlungswissenschaft und die Natur des von ihr produzierten spezifischen Professionswissens umschrieben werden" (Obrecht 2009: 116f.).

Richard Utz
Dummheiten machen

Wer sich anschickt, einen Beitrag zum Thema "Dummheit", "Torheit", "Narretei" zu verfassen, der tut gut daran, sich in Bescheidenheit zu kleiden und gleich zu Anfang klarzustellen: Ich selbst bin dumm gewesen, werde es zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder sein und versuche zumindest im Rahmen dieser meiner Überlegungen mein Möglichstes, mich nicht gar zu dumm anzustellen, obgleich ich das natürlich nicht garantieren kann. Denn Dummheiten zu machen, liegt immer im Bereich des uns Menschen Möglichen, denn, wie Wilhelm Busch so treffend anmerkt: "Dummheit ist auch eine natürliche Begabung". Aber vielleicht machen wir uns etwas weniger für Dummheiten anfällig, wenn wir sie für unsere eigene Person, unser Denken und Handeln von vorneherein nicht ausschließen, sondern uns ganz bewusst auch zu dummem Handeln für fähig halten.

Christian Kolbe
Fachkräfte in der Normenfalle
Von widersprüchlichen Anrufungen und deren Bearbeitung im SGB II

Interaktionen zu steuern erweist sich als eine Aporie. Dies zeigen sowohl theoretische Arbeiten als auch empirische Befunde. Im Handlungsfeld der Arbeits- und Beschäftigungsförderung wird darauf in einer ganz spezifischen Weise seitens der zentralen Akteure reagiert. Statt die fehlende Steuerbarkeit zu berücksichtigen und von instrumentellen Eingriffen abzusehen, werden in immer neuer und immer differenzierterer Weise Steuerungsinstrumente entwickelt, die den Versuch unternehmen, massiv in den Prozess der Beratung der Akteure an der "front line" einzugreifen. Der Artikel handelt beispielhaft davon, wie diese Versuche aussehen, welche teilweise widersprüchlichen normativen Setzungen damit verbunden sind und wie sich daraus für die Fachkräfte systematisch Scheiterns- und Überforderungssituationen ergeben.

Timm Kunstreich
Sozialer Raum als "Ort verlässlicher Begegnung"
Ein Essay über Verbindlichkeit und Verlässlichkeit

Um die "sozialräumliche Orientierung" ist ein heftiger Streit entbrannt, den man z. B. in den letzten Heften der Zeitschrift "Neue Praxis" verfolgen kann (insbesondere in den Heften 5 und 6/2012). Geht man einigermaßen unvoreingenommen an die Lektüre der verschiedenen Positionen heran, wird man unschwer feststellen können, dass Wolfgang Hammer, der in dieser Auseinandersetzung die Rolle des "Bad Boys" zugeschrieben bekommen hat, seine Argumentation im wesentlichen aus der "Nachfrageperspektive", also aus der Perspektive der NutzerInnen sozialer Infrastrukturen aufbaut. Seine Kritiker hingegen bevorzugen die "Angebotsperspektive", d. h. die Perspektive der rechtlichen, institutionellen und ökonomischen Regularien. Aus dieser Auseinandersetzung möchte ich eine (vorläufige) Schlussfolgerung ziehen: Aus der Sicht der Nutzerinnen und Nutzer sind nur die Angebote brauchbar, die verlässlich sind; aus der Sicht der Anbieter hingegen zählt vor allem die Verbindlichkeit, mit der die Leistungen realisiert werden. "Verlässlichkeit" lässt sich als die symbolische Repräsentation der sozial-räumlichen Orientierung verstehen, während "Verbindlichkeit" die sozial-administrative Deutung von Wirklichkeit repräsentiert (vgl. Langhanky u. a. 2004).

Burkhard Müller
Diagnosen des Fallverstehens

Diagnose heißt im gängigen Verständnis: genau verstehen können, was der Fall ist, z. B. was mit KlientInnen "los ist", einer Gruppe oder einem Familiensystem los ist, der Einrichtung XY los ist etc. Seltener wird gefragt, was mit uns los ist, die wir solche Fragen stellen, vorausgesetzt wir stecken tatsächlich in der Fallarbeit drin und fragen nicht nur akademisch. Vor allem für Studierende, die allererst lernen sollen, was "Diagnose" für ihr zukünftiges berufliches Handeln bedeuten kann, macht es einen großen Unterschied, ob sie als erstes diagnostische "Methoden" angeboten bekommen, die sie dann auf "Fälle" anzuwenden lernen, oder ob sie zuerst lernen, wie sie ihre eigenen Wahrnehmungsweisen befragen können, um fähig zu werden, ihre Anfänger-Ratlosigkeit im Umgang mit KlientInnen schrittweise zu meistern (Müller 2011).

Hinrich Garms, Helga Röller
"Eine renitente weibliche Person" - Der Tod der Christy Schwundeck

Der gewaltsame Tod von Christy Schwundeck am 19.5.2012 ist ohne das System von "Hartz IV", der Sozialhilfe für Erwerbslose, nicht begreifbar. Mit der Einführung dieses "sozialen Systems" beabsichtigte dieser Staat, den Erwerbslosen, den Niedriglöhner_innen, den Menschen mit geringer Rente, den Behinderten und ihren Angehörigen staatliche Leistungen in einer viel zu niedrig bemessenen Höhe aufzuzwingen. Ein System, das wegen der Unzufriedenheit der Menschen jeden Tag aufs Neue durch Zwangsmaßnahmen aufrecht erhalten werden muss. Ein System, das Menschen, die abhängig beschäftigt sind und einen Niedriglohn bekommen, und diejenigen, die "nur Hartz IV" bekommen, gegeneinander ausspielt.

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