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Heft 117: "Eigensinnige Alte!?" Älterwerden in Zeiten wohlfahrtsstaatlicher Verknappungspolitiken

2010 | Inhalt | Editorial | Abstracts

Titelseite Heft 117
  • September 2010
  • Seiten
  • EUR 14,00 / SFr 21,90
  • ISBN 3-937461-68-7
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Kirsten Aner
Kritische Gerontologie und Soziale Altenarbeit im aktivierenden Staat

Dieser Beitrag fragt einleitend danach, welches grundsätzliche Potenzial zur Bereicherung einer Kritischen Gerontologie Sozialarbeit und Sozialpädagogik haben. Im Anschluss daran wird dargelegt, dass es unter den Bedingungen des aktivierenden Staates im Interesse der AdressatInnen und der eigenen Professionalität liegt, die Soziale Altenarbeit kritisch gerontologisch zu betrachten. Abschließend werden ausgehend von der bisherigen, eher pragmatischen Entwicklung der Fachlichkeit in diesem Feld exemplarisch offene Fragen und kritische Lösungsansätze skizziert.

Silke van Dyk
Vom Schattendasein zum Bodenschatz?
Zur aktivgesellschaftlichen Entdeckung des Post-Erwerbslebens

Seit der Rentenreform 1957 kam alten Menschen in Deutschland eine Sonderrolle zu: Vergleichsweise gut versorgt wurden sie in den "wohlverdienten Ruhestand" entlassen und von gesellschaftlichen Erwartungen weitgehend entbunden. Sie führten eine gut abgesicherte Nischenexistenz, der allenfalls unter Versorgungsgesichtspunkten im Rahmen von Rentendiskussionen ein gewisses Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Davon kann aktuell keine Rede mehr sein: Von der Nebenbühne ins Scheinwerferlicht gerückt, avanciert das Alter zum politischen und medialen Top-Thema - und zwar in doppelter Hinsicht. Die Botschaft ist ebenso einfach wie bestechend: Erstens gibt es - je nach Diktion - sehr oder zu viele Alte (Stichwort 'Überalterung' der Gesellschaft). Zweitens können und sollen die Alten selbst - jünger, gesünder, fitter und gebildeter als je zuvor - Teil der Lösung des Alterungsproblems sein (Stichwort 'empowerment' und 'Aktivierung des Alters'). Die alten Menschen, so die Botschaft weiter, sollen nicht nur Teil der Lösung sein, sondern sie wollen es auch - denn die Nutzung ihrer Potenziale eröffnet nicht nur der Gesellschaft brachliegende Ressourcen, sondern verspricht zugleich den Alten selbst eine von den traditionellen Defizitperspektiven auf das abhängige Alter befreite Existenz als anerkanntes Subjekt der Aktivgesellschaft. Aktivierung des Alters als Potenzialenutzung, Anti-Diskriminierung und Teilhabesicherung in einem - "drei in eins" -, wer wollte mehr?

Monika Alisch, Michael May
Zwischen Eigensinn und Sozialstaatlichkeit
Stützung von Selbsthilfe und Selbstorganisation älterer Migrant(inn)en

Als ab 1955 Arbeitskräfte aus den südeuropäischen Ländern durch die Wirtschaft der Bundesrepublik angeworben wurden, gingen alle Beteiligten von einer vorübergehenden beruflichen Tätigkeit und einer Rotation als Remigration aus. Heute, knapp 35 Jahre nach dem Anwerbestopp (1973), erreichen immer mehr Angehörige der ersten Generation das Rentenalter und beabsichtigen gemeinsam mit ihren Familien auch ihren Lebensabend in Deutschland zu verbringen. Infolge der demografischen Entwicklungstendenzen, wonach auf der Basis einer mittleren Variante der Modellrechnungen die Zahl der 60-jährigen und älteren Menschen mit Migrationshintergrund sich bis 2030 im Vergleich zu heute fast verfünffachen soll, wird die Frage nach der Stellung dieser Bevölkerungsgruppe in der Gesellschaft immer drängender.

Ines Himmelsbach, Frank Oswald
Wohnen und Lebensqualität im Alter

Beim Stichwort Wohnen im Alter werden häufig einseitig körperliche und geistige Einbußen, Zugangsbarrieren, Einsamkeit oder ein entbehrungsreiches Leben im Heim ohne Privatsphäre und ohne eigene Möbel assoziiert. Die Realität des Wohnens im Alter ist aber vielschichtig und umfasst sowohl innerhäusliche, als auch außerhäusliche Aspekte, sowohl soziale, als auch räumlich-dingliche Anteile, sowohl objektive Wohnbedingungen, als auch Prozesse des (aktiven und passiven) Handelns und des Erlebens der Person und zielt ferner auf bestimmte dem Wohnen übergeordnete Entwicklungsfolgen ab, wie beispielsweise Selbständigkeit, Identitätserhalt oder Wohlbefinden. Wir betrachten Wohnen (und Lebensqualität) aus der Perspektive einer ökologischen Gerontologie, das heißt einer Alternsforschung, die sich insbesondere der Interaktion von Person und sozial-räumlicher Umwelt und deren Folgen für das Altern widmet. Aus dieser Sicht kann Wohnen als Austauschprozess von Person und Umwelt betrachtet werden, der, zumindest im weitesten Sinne, zur Lebensqualität als Zielvariable beiträgt. Diese Perspektive findet sich häufig im Zusammenhang mit Studien zum Privatwohnen im höheren Alter. Wohnen kann aber auch als Teilbereich des Alltagslebens und damit als Facette von Lebensqualität selbst betrachtet werden. Diese Perspektive wird häufig im Bereich institutionalisierten Wohnens oder im Zusammenhang mit der Frage nach Lebensqualität im Heim vertreten. Im Beitrag soll zu beiden Perspektiven Stellung bezogen werden, und zwar insbesondere aus konzeptueller und aus methodischer Sicht, während empirische Befunde nur exemplarisch dargestellt werden. Zur besseren Einordnung der Thematik werden zunächst einführend einige Eckwerte zum Privatwohnen und zum Wohnen im institutionellen Kontext, sowie einige Charakteristika des Wohnhandelns und Wohnerlebens im höheren Alter aufgeführt.

Birgit Kasper
Gemeinschaftliches Wohnen
weit mehr als die Optimierung individueller Wohnvorstellungen älterer Menschen

"Wie will ich wohnen, wenn ich einmal alt bin?" Mit dieser Frage setzen sich zunehmend Singles oder Paare ab 50 Jahre auseinander. Sie sind ledig, geschieden, verwitwet, verheiratet oder sogenannte "empty-nester", weil die Kinder schon seit längerem aus dem Haus sind. Sie haben zum Teil akute Erkrankungen erlebt oder sich mit Pflegefällen in der eigenen Familie befasst. Neue Fragen ergeben sich mit Blick auf das anstehende Ende der Berufstätigkeit oder aufgrund anderer Erfahrungen. Einige bringt dieses Nachdenken dazu, sich nach alternativen und unkonventionellen Wohnformen im Alter umzuschauen. Hintergrund für diese Frage ist die Tatsache, dass die zentralen, traditionellen Formen des Wohnens und Versorgtseins im Alter durch eine Tochter oder Schwiegertochter oder in einem bezahlbaren Altenheim nicht mehr selbstverständlich sind: Längst ist das "Wohnen im Alter" zu einem komplexen Thema geworden, das über die Alternative entweder "Wohnen in der Familie" oder "Wohnen im Altenpflegeheim" hinausgeht.

Christian Schütte-Bäumner
Alter(n) in Bewegung
Zum Verhältnis von Geschlechtsidentität und Lebensalter am Beispiel alternativer Wohnprojekte der queer community

Die gesellschaftliche Bedeutung gesundheitlicher Versorgung, Pflege und psychosozialer Begleitung alter und hochaltriger Menschen nimmt zu. Nicht unerheblich ist dabei die Art und Weise, wie der gesellschaftliche Diskurs über das Altern und das veränderte Generationengefüge geführt wird. Frank Schirrmachers (2004) Bestseller "Das Methusalem-Komplott" illustriert eine mittlerweile gängige Alarmierungs- und insofern auch Moralisierungspraxis. Er schreibt, dass wir "das Problem unseres eigenen Alterns lösen (müssen), um das Problem der Welt zu lösen" (ebd.). Älterwerden wird als unerwünschte Last, die jeder vermeiden wolle, stereotypisiert, um zugleich - im Duktus eines Krieges der Generationen - zu einem Komplott, zu einem Bündnis der sogenannten Alten gegen die Ausbeutung durch die sogenannten Jungen aufzurufen. In der aktuellen wissenschaftlichen und Fachdebatte um eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung und Pflege in einer alternden Gesellschaft werden, gewissermaßen im Windschatten dieses popularisierten Diskurses des Älterwerdens, immer häufiger Forschungsfragen aus einem interdisziplinären Kontext heraus gestellt und bearbeitet, weil deutlich geworden ist, dass die komplexen Fragestellungen nicht von einer wissenschaftlichen Disziplin alleine gelöst werden können. Um innovative Modelle für einen angemessenen und adressatenbezogenen Umgang mit den schwierigen Situationen, die im Alter entstehen können, zu entwickeln, hat sich die Zusammenarbeit in Netzwerken bewährt. Damit verbunden ist vermutlich auch die Hoffnung, durch eine multiperspektivische Inblicknahme des 'Alternsproblems', die Re-Produktion diskriminierender Altersstereotypen zu reduzieren (in einem utopischen Sinne vielleicht sogar zu vermeiden).

Ulrike Knobloch
Prozesse der Verlagerung sozialer Dienstleistungen zwischen Markt, Staat, Non-Profit-Sektor und privaten Haushalten

In diesem Beitrag werden die Beziehungen zwischen den verschiedenen Sektoren, in denen soziale Dienstleistungen bereitgestellt werden, untersucht und die Prozesse der Verlagerung sozialer Dienstleistungen diskutiert, die zwischen den vier Wirtschaftssektoren - Markt, Staat, Non-Profit-Sektor und private Haushalte - stattfinden. Dabei wird von der Frage ausgegangen, was denn eigentlich unter Ökonomie und Wirtschaft zu verstehen ist bzw. in früheren Zeiten verstanden wurde. Entscheidend ist, dass die unbezahlte Arbeit, also Haus- und Familienarbeit ebenso wie Freiwilligenarbeit, in die ökonomische Analyse einbezogen wird, weil die unbezahlte Arbeit eine notwendige Grundlage für jedes Wirtschaftssystem bildet, die in ihrer Größenordnung vielfach unterschätzt wird. Nur dann, wenn die unbezahlte Arbeit in der Ökonomie ebenfalls Berücksichtigung findet, können die Verlagerungsprozesse zwischen den einzelnen Sektoren in ihrem ganzen Ausmaß sichtbar werden, damit insbesondere auch die Verlagerungsprozesse sozialer Dienstleistungen in die privaten Haushalte sowie in umgekehrter Richtung.

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