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Heft 113: Grenzen des Zwangs? Soziale Arbeit im Wandel

2009 | Inhalt | Editorial | Abstracts

Titelseite Heft 113
  • September 2009
  • 136 Seiten
  • EUR 15,00 / SFr 21,90
  • ISBN 3-937461-64-9
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Dario Melossi
Die wandelnden Repräsentationen des Kriminellen

Mit diesem Aufsatz versuche ich, eine Verbindung zwischen den sich wandelnden Perspektiven auf den Kriminellen - in der öffentlichen Wahrnehmung ebenso wie im kriminologischen Diskurs - sowie den Brüchen, Zusammenbrüchen und Neustrukturierungen der Gesellschaftsordnung aufzuzeigen, innerhalb derer diese Perspektiven produziert und reproduziert werden. So weit es das Strafsystem und die Soziale Kontrolle betrifft, gehe ich von zwei idealtypischen Situationen aus, zwischen denen moderne Gesellschaften oszillieren.

Holger Ziegler
Ein Kulturkampf in Profession und Disziplin
Bilder Sozialer Arbeit und Repräsentationen ihrer AdressatInnen - Ein Kommentar zur Debatte in diesem Heft

Meine Kommentierung nimmt Dario Melossis Thesen zu den Repräsentationen des Kriminellen zum Ausgangspunkt, um die wissenschaftlichen 'Botschaften', den Stimmungswandel und die Gegenbewegungen in der Soziale Arbeit in den Blick zu nehmen, die sich an den Beiträgen des Schwerpunkts nachzeichnen lassen. Vor diesem Hintergrund begründe ich meine These, dass derzeit eine Auseinandersetzung in Profession und Disziplin stattfindet, die sich im Wesentlichen als Kulturkampf verstehen lässt.

Heinz-Jürgen Dahme, Norbert Wohlfahrt
Die Kontrolle der Überflüssigen
Anmerkungen zum Formwandel Sozialer Arbeit im aktivierenden Sozialstaat

Zwang, Kontrolle und Sanktion sind der Sozialen Arbeit nicht fremd, denn Beides ist häufig Bestandteil der Interaktion zwischen Professionellem und Klient. Die Soziale Arbeit setzt bspw. in pädagogischen Handlungskontexten Jugendlichen deutliche Grenzen und Grenzverletzungen werden deshalb auch pädagogisch sanktioniert. Kontrolle und Sanktion sind interaktive Bestandteile pädagogischen Handelns (vor allem wenn es sich um Familien ersetzende Hilfeformen handelt), ohne dass dadurch Pädagogik schon gleich zur Schwarzen Pädagogik wird. Kontrolle und Sanktionen, wie auch weichere Formen zur Herstellung von Konformität (bspw. Drängen, Unannehmlichkeiten bereiten und Druck ), sind auch im sozialpädagogischen Umgang mit Erwachsenen präsent, um diese auf Ziele zu verpflichten oder zu normkonformen Verhaltensweisen anzuhalten. Kontrolle und Sanktion sind auch in einer dienstleistungstheoretisch begründeten und orientierten Sozialen Arbeit Mittel, wenn auch mitunter verpönte, die dem Professionellen abwägend zur Verfügung stehen, auch wenn sie nicht vom Auftraggeber seines Handelns (Gesetzgeber, Sozialverwaltung oder Anstellungsträger) vorgegeben werden. Im Rahmen der professionellen Expertise kann auch "Zwang" ein (beruflich anerkanntes) Mittel der Sozialen Arbeit darstellen. Die aktuelle Diskussion über die Wiederkehr des Zwanges in der Sozialen Arbeit thematisiert häufig diesen Aspekt (bspw. im Umgang mit sog. schwierigen Klienten). Unser Beitrag will herausstellen, dass im Zuge der Durchsetzung aktivierender Sozialpolitik auch der interaktive Zwang zunimmt, was aber vor allem strukturelle und systematische Gründe hat: der Sozialstaat verankert Kontrolle, Sanktion und Strafe systematisch in den Sozialgesetzen, verändert damit die Grundlagen des Sozialleistungssystems und baut so die sozialen Dienstleistungsorganisationen (bspw. Arbeitsverwaltung und ARGEn) systematisch zu Kontrollinstitutionen um. Zwang, Kontrolle und Strafe werden dadurch sozialpolitisch gewollter Bestandteil modernen Regierens.

Matthias Schwabe
"Gewalt", "Zwang" und "Disziplin":
Dunkle Gestalten an der Wiege sozialer Entwicklungen

Die Begriffskombination "Gewalt", "Zwang" und "Disziplin" löst bei vielen Menschen, die sich als "links" definieren, einen spontanen, intellektuellen und emotionalen Abscheureflex aus. In dieser Kombination werden sie beinahe automatisch als "schlechte" Mittel zur "Absicherung von Herrschaft" in "ungerechten" Gesellschaften bzw. als typische Durchsetzungspraxen repressiver Gruppen verstanden. Bestätigt wird diese Abscheu dadurch, dass die gleiche Trias bei Menschen, die sich als "rechts" verstehen, häufig auf Offenheit und Neugier, wenn nicht auf unverhohlene Faszination stößt, was zur Bestätigung tradierter "Freund/Feind-Schemata" führt. Vielleicht liegt es genau daran, dass 'man' an der eigenen Abscheu festhalten möchte und gar nicht bereit ist, diese Begriffe eingehender zu untersuchen. Im Folgenden möchte ich anhand zweier Autoren und eigener Überlegungen die festgefügte Diskurslandschaft ein wenig verunsichern: Die Hauptthese lautet, dass sich im Verlauf von Gewalt-, Zwangs- und Disziplinierungsprozessen Formen einer "negativen" Entwicklungs-Dialektik ereignen können aber nicht müssen: aus nicht anders möglichen archaischen Anfängen, können sich höhere Formen des Bewusstseins und der sozialen Organisation entwickeln. Zugleich legt sich damit ein Schatten über den Beginn, der auch auf höheren Niveaus ständig präsent bleibt, zu Rückschritten einlädt und das Licht der späteren Entwicklungen immer wieder zu verdüstern droht.

Ulrike Urban-Stahl
Nicht ob, sondern inwiefern
Soziale Arbeit braucht die Debatte um die Legitimation von sozialer Kontrolle

Der Beitrag reflektiert die Haltung der Profession zu Kontrolle, Zwang und Macht in der Sozialen Arbeit. Dabei wird ausgehend vom strukturellen Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle nicht in Frage gestellt, ob Kontrolle, Zwang und Macht Elemente der Sozialen Arbeit sind. Vielmehr geht es um die Auseinandersetzung um legitime und illegitime Begründungen für Reichweite und Formen von Kontrolle und um die Grenzen professioneller Lizenzen. Im Anschluss an einleitende begriffliche Konkretisierungen wird zunächst zwischen individualisierenden Begründungen und strukturellen Begünstigungen von Zwang in der Sozialen Arbeit differenziert. Darauf aufbauend wird die Verpflichtung der Profession zur Begrenzung ihrer Machtpotentiale in der Helfer-Klient-Beziehung ausgeführt und schließlich die Bedeutung der Auseinandersetzung für die Profession betont.

Carsten Höhler
Zwangselemente in der Heimerziehung und ihre Bewertung durch die Kinder und Jugendlichen

In dieser Sekundäranalyse werden unterschiedliche Zwangsformen, die derzeit in der Heimerziehung vorfindbar sind, vorgestellt und in ihren Merkmalen beschrieben. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen wie diese Zwangsformen von den Betroffenen wahrgenommen und bewertet werden.

Kurt Möller, Nils Schuhmacher
Raus aus der rechtsextremen Ecke
Was bewirken Repression und institutionelle Sanktionierung?

Es soll im Folgenden auf der Grundlage von Daten aus einem eigenen Forschungsprojekt genauer der Frage nachgegangen werden, welchen Stellenwert Repression und Sanktionserleben bzw. -androhung bei der Entscheidung einnehmen, sich von einer bislang vertretenen rechtsextremen Einstellung, von einer entsprechenden Szene-Zugehörigkeit oder von einzelnen, mit ihr in Verbindung stehenden Verhaltensweisen zu distanzieren.

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