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Heft 95: Genders neue Kleider? Dekonstruktivistischer Postfeminismus, Neoliberalismus und die Macht

2005 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe

Titelseite Heft 95
  • März 2005
  • 132 Seiten
  • EUR 11,00 / SFr 19,80
  • ISBN 3-89370-406-X
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Tove Soiland
Kritische Anmerkungen zum Machtbegriff in der Gender-Theorie auf dem Hintergrund von Michel Foucaults Gouvernementalitätsanalyse

Der Artikel unternimmt den Versuch, auf dem Hintergrund von Foucaults Gouvernementalitätsanalyse zentrale Annahmen über die Genese von Geschlecht, wie sie gegenwärtig, und nicht zuletzt unter dem Einfluss Judith Butlers, in Ansätzen von gender bestimmend sind, einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Insbesondere die Vorstellung, Geschlecht verdanke sich normierender Disziplinierungsverfahren, kollidiert mit Foucaults eigener zunehmender Skepsis gegenüber einer an der "Disziplinargesellschaft" orientierten Zeitdiagnose. Obwohl Foucault vielen diskursanalytisch orientierten gender-Ansätzen als wichtigste Referenz dient, haben diese die Weiterentwicklung seiner Machtanalytik und, damit verbunden, sein grundlegend verändertes Subjektverständnis, wonach dieses als "hermeneutisches" sich gerade nicht mehr um eine feststehenden "Wahrheit" herum konstituiert, kaum zur Kenntnis genommen. Nicht nur stellt sich deshalb die Frage, ob gender mit seinem Anliegen der Dekonstruktion von Geschlechternormen nicht etwas anvisiert, das seine gesellschaftliche Relevanz weitgehend verloren hat; es ist umgekehrt auch zu fragen, ob dessen radikalste Variante in queer mit seiner permanenten Suche nach einem "Ausgeschlossenen" nicht Bestandteil genau dessen ist, was Foucault als die Kontingenz einer stetig zu entziffernden Wahrheit bezeichnet.

Sabine Stövesand
Gewalt und Macht im Geschlechterverhältnis

Der nachfolgende Beitrag geht von der Prämisse aus, dass wer über Macht und Geschlecht nachdenkt, von der Gewalt in den Geschlechterverhältnissen nicht schweigen kann. Sie kritisiert die Vernachlässigung der Themen, bei denen es um "Geld und Leben", d.h. um den harten Kern der Geschlechterhierarchie geht, in aktuellen Gender-Theorien. Mit Foucault weist sie daraufhin, dass heute parallel bzw. in Ergänzung zu gouvernementalen Regierungsformen, wie dem "Regieren über Freiheit", weiterhin "archaische" Machtformen, wie die der direkten Gewalt, der körperlichen Zurichtung, der Einsperrung, der Verbote, Erpressung, Bedrohung und Normierung existieren. Sie führt aus, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen in ihrem verschiedenen Formen weltweit die häufigste Menschenrechtsverletzung darstellt und tief in unsere Gesellschaftsstrukturen und individuelle Biographien eingelassen ist. Leseprobe

Michael May
Geschlechtliche Codes sozialer und ökonomischer Strukturen
Eine (nicht nur) theoriegeschichtliche Vergewisserung

Der Beitrag greift Tove Soilands Kritik an Gender-Theorien auf, die davon ausgehen, "dass Geschlechter zwei, in der Folge zu dekonstruierende, kohärente Identitäten sind - was auch impliziert, beide als gleichermaßen konstruiert zu denken". Ebenso soll ihre daraus abgeleitete Kritik an den geschlechterpolitischen Konsequenzen dieser Theorien untermauert werden. Anhand Foucaults These, dass sich Machtdispositive direkt an den Körper schalten, und Bourdieus Überlegungen zu einer vergeschlechtlichten und vergeschlechtlichenden Vergesellschaftung der Physiologie, werden jedoch die identitätstheoretischen Überlegungen von Soilands Kritik ihrerseits noch einmal einer Kritik unterzogen. Im Zentrum des Beitrages steht allerdings der Versuch, Soilands nur andeutungshaften Überlegungen zu "geschlechtlichen Codes sozialer und ökonomischer Strukturen, die geschlechterhierarchisierende Effekte zeitigen", aufzugreifen und in Weiterführung der britischen Theorie der Reproduktionskodes theoretisch auszuformulieren. Gezeigt werden soll auf diese Weise, dass die von dekonstruktivistischen Ansätzen ins Zentrum gerückte vergeschlechtlichende Bezeichnungspraxis eingebunden und verwoben ist mit den Mystifikationen des Kapitalverhältnisses, was in Soilands sich allein auf der Ebene der Machttechnik bewegende Kritik vernachlässigt wird. Dargelegt werden soll darüber hinaus, wie vergeschlechtlichende Kodierungen in dieser Weise nicht nur Funktionen im Rahmen gesellschaftlicher Reproduktion erfüllen, sondern als Bewältigungsmuster im Rahmen der individuellen Reproduktion ebenfalls hohe Bedeutung erlangen können.

Thomas von Freyberg
Schule und Jugendhilfe - Aspekte einer gestörten Beziehung
Vorbemerkungen über ein laufendes Forschungsprojekt

Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich auf ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das vom Frankfurter Institut für Sozialforschung in Kooperation mit dem Institut für analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie Frankfurt durchgeführt wird. In einer Reihe ausgewählter, recht aufwendiger Einzelfalluntersuchungen werden die Konfliktgeschichten "nicht beschulbarer" Kinder und Jugendlicher analysiert. Zentrale Annahme der Studie ist, dass die Beziehungen dieser Jugendlichen mit den Institutionen von Schule und Jugendhilfe deshalb regelmäßig zu Macht-Ohnmacht-Konflikten eskalieren, weil diese Jugendlichen sehr gewaltsam ihre inneren Beziehungsmuster reinszenieren und die Institutionen darauf ihrerseits so reagieren, dass die unbewussten Erwartungen und Strategien der Jugendlichen bestätigt und verstärkt werden. Das Projekt fragt also nach den individuellen und institutionellen Bedingungen solcher unbewussten Verstrickungen in den Konfliktgeschichten zwischen den Jugendlichen und Schule und Jugendhilfe.

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