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Heft 52: Dienstleistung: Befreiung aus feudaler Entmündigung

1994 | Inhalt | Editorial | Leseprobe

Titelseite Heft 52
  • Oktober 1994
  • 120 Seiten
  • EUR 7,00 / SFr 13,10
  • ISBN 3-88534-099-2

Andreas Schaarschuch

Soziale Dienstleistungen im Regulationszusammenhang

Der Begriff der "Sozialen Dienstleistung" ist im Rahmen der Sozialen Arbeit seit etwa Mitte der 70er Jahre in Gebrauch. Eine gewisse Prominenz hatte er seither im Kontext gesellschaftstheoretischer Diskussionen um die Entstehung einer "Dienstleistungsgesellschaft" im Zusammenhang eines so verstandenen Heraufziehens "postindustrieller Gesellschaften" (Touraine; Bell) erlangt. Damals standen das Wachstum des "tertiären Sektors" und die damit verbundenen Auswirkungen im Zentrum des Interesses. Den relativ optimistischen "Verheißungen" der US-amerikanischen Beiträge mit ihren Hoffnungen auf eine Humanisierung und Demokratisierung der Gesellschaft durch die Aufwertung der Macht von im Wortsinn avantgardistischen Konsumentengruppen gerade im Kontext personenbezogener sozialer Dienstleistungen (Gartner/Riessman 1978) wurde hierzulande deutliche Skepsis entgegengebracht (Gross 1983; Schwendter 1980) - zurecht, wie sich heute zeigt.

Auch wenn die Dienstleistungen heute den überwiegenden Teil der gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten umfassen, so hat sich der kapitalistische Charakter dieser Gesellschaft nicht geändert und von einem Schub an gesellschaftlicher Demokratisierung ist wenig zu spüren.

Seither wird der Begriff der sozialen Dienstleistung meist wie ein passepartout auf alle möglichen Tätigkeiten im Sozialbereich appliziert (vgl. z.B. "ASD") - vermutlich um den fürsorglichen Konnotationen des Begriffes der Sozialarbeit zu entgehen. Aber auch in wissenschaftlichen Kontexten wird der Begriff zumeist als bloßes Synonym für Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziale Arbeit verwandt.

In neuerer Zeit jedoch sind Versuche festzustellen, den Begriff wieder aufzunehmen und ihm eine strategische Bedeutung zukommen zu lassen:

  • Zum einen im Rahmen kommunaler Strategien, durch einen Prozeß der "Modernisierung" die kommunalen Verwaltungen, also auch die kommunalen Einrichtungen, "von der Eingriffsverwaltung zu modernen Dienstleistungsunternehmen" zu transformieren;
  • zum anderen im Kontext einer wissenschaftlichen Debatte um eine Neuorientierung Sozialer Arbeit.

Es ist davon auszugehen, daß Begriffsbildungen immer im Kontext gesellschaftlicher Prozesse vor sich gehen und auf materielle und politische Zusammenhänge, Interessenkonstellationen und Prozesse verweisen, die hinter diesen Begriffen zu suchen sind. Im folgenden will ich eine theoretische Folie aufspannen, um die hinter diesen Begriffen liegenden Prozesse angemessen auseinanderlegen zu können. Dabei greife ich zurück auf die "Theorie der Regulation", von der ich mir verspreche, daß sie ein Theorieangebot macht, das es erlaubt, mit primären Blick auf die Konfliktstrukturen und Krisenprozesse, die Brüche und Diskontinuitäten kapitalistischer Entwicklung sowie ihre gesellschaftlichen und sozialen Folgen einen Zusammenhang zu rekonstruieren, vor dem die Situation der Sozialen Arbeit und der sozialen Dienstleistungen in ihrem gesellschaftlichen Kontext untersucht werden kann.

Dies soll auf dem Hintergrund eines Staatsverständnisses geschehen, das in der Kritik an funktionalistischen Vorstellungen das Verhältnis von Staat und Ökonomie als ein sich gegenseitig konstituierendes faßt: einer Sicht des Staates, die mit Gramsci und Poulantzas den Staat und die Gesellschaft als ein konflikthaft strukturiertes, politisches Terrain sozialer Auseinandersetzungen von Akteuren begreift.

Dies soll hier vorausgeschickt werden, um damit dem Eindruck des Funktionalismus oder des Überhangs des Objektiven im Gang der Argumentation zu begegnen. Die hier nur angedeuteten Überlegungen zum Staatsbegriff, zum Verhältnis von Staat und Ökonomie, zur Rolle des Politischen sowie zur Bedeutung des Subjekts habe ich an anderer Stelle deutlich gemacht (Schaarschuch 1990, 1994).

I. Grundzüge der Regulationstheorie

Die Regulationstheorie (1) konzentriert ihre Aufmerksamkeit auf die Frage, welche Bedingungen und Kräfte zur Transformation eines gesellschaftlichen Systems beitragen, und welche seine langfristige Stabilität gewährleisten. Dabei nimmt die Analyse der "politisch-sozialen Institutionen und sozio-kulturellen Normen zur Regulation technischer und ökonomischer Entwicklung" (Naschold 1985, 19) eine zentrale Stellung ein.

Anspruch der Regulationstheorie ist es, eine Konzeption der Entwicklung verschiedener Formen kapitalistischer Akkumulation zu entwickeln, die jenseits geschichtsphilosophischer Hoffnungen und in Abgrenzung zu Konzepten technologischer oder ökonomistischer Überdetermination die Bedeutung politisch-sozialer Prozesse systematisch einbezieht. Dennoch bleiben die Prozesse der materiellen Produktion Basis und Ausgangspunkt der theoretischen Überlegungen: "Im Mittelpunkt des Regulationsansatzes stehen deshalb die bestimmten historischen Entwicklungsphasen vorherrschenden strukturellen Formen bzw. institutionellen Mechanismen, die erst eine kontinuierliche Reproduktion der ökonomischen Basisstrukturen des Kapitalismus gewährleisten." (Hübner/Mahnkopf 1988, 9; Herv. A.S.).

Zur Herausbildung und Reproduktion einer spezifischen Gesellschaftsformation -eines "historischen Blocks" im Sinne Gramscis - bedarf es einer Übereinstimmung, Homogenität oder zumindest aber eines Entsprechungsverhältnisses von Basis und Überbau, von Ökonomie und Hegemonie (vgl. Priester 1979, 33).

Eben dies ist auch die grundlegende Annahme der Regulationstheorie: eine konkrete und identifizierbare Gesellschaftsformation konstituiert sich auf der Grundlage eines bestimmten Akkumulationsmodus (-regimes, -Strategie), einer konkreten Regulationsweise und einer entsprechenden hegemonialen Struktur. Diese für die Regulations- bzw. Fordismus-Theorie zentralen Grundbegriffe sollen im folgenden näher umrissen werden:

Akkumulationsweise / Akkumulationsregime

Hierunter werden zunächst die Form der Produktion, also der Arbeits- und Produktionsorganisation verstanden, sowie die Formen der Kapitalbildung/Mehrwertproduktion und Kapitalverwertung / Mehrwertrealisierung. Einbezogen sind weiterhin die Form der Kapitalreproduktion (Investitionszyklen, Konkurrenzform, Branchenstrukturen, ein spezifisches Konsummodell), das Lohnverhältnis, die Staatstätigkeit, die Klassenstruktur, die Einbindung in den Weltmarkt sowie die Beziehungen zu den nicht-kapitalistischen Sektoren (vgl. Hübner 1988, 33f.; Roth 1988, 72).

"Ein Akkumulationsregime zeichnet sich durch eine kontingente, historisch konstituierte und gesellschaftlich reproduzierte Korrespondenz von Produktions- und Konsummustern aus. Seine grundlegenden Merkmale sind: verschiedene Bedingungen der Arbeitskräftenutzung, die Merkmale des Lohnverhältnisses, die Investitionsdynamik, die Wettbewerbsformen und das Geld- und Kreditsystem" (Jessop 1986, 11)

Regulationsweise / Regulationsform

Hier geht es um die Form der Beziehung der verschiedenen Elemente des gesellschaftlichen Reproduktionszusammenhanges, also alle ökonomischen und sozialen Institutionen und Normen, die den Reproduktionszusammenhang stützen (vgl. Häusler/Hirsch 1987, 652), somit "die Gesamtheit institutioneller Formen, Netze und expliziter oder impliziter Normen, die die Vereinbarkeit von Verhaltensweisen im Rahmen eines Akkumulationsregimes sichern, und zwar sowohl entsprechend dem Zustand der gesellschaftlichen Verhältnisse als auch über deren konfliktuelle Eigenschaften hinaus" (Lipietz 1985, 121). Insbesondere unterliegen das Lohnverhältnis, das Geldverhältnis, die Konkurrenzformen, juristische und ökonomische Staatsinterventionen der Regulation (vgl. ebd.; Hübner 1988, 34).

Hegemoniale Struktur

Dieser von Hirsch und Kollegen im Unterschied zu den Regulationstheoretikern im engeren Sinne eingeführte Begriff bezieht sich auf "die historisch-konkrete Verbindung von Akkumulationsmodus und Regulationsweise, die der ökonomischen (verwertungssichernde Form der Kapitalreproduktion) und politisch- ideologischen (Legitimation, Zwang und Konsens) Reproduktion des Gesamtsystems unter der Dominanz der herrschenden Klasse(n) eine relative Bestandsfähigkeit verleiht" (Häusler/Hirsch 1987, 652f.; vgl. Hirsch/Rom 1986, 38), also letztlich die Formierung der Reproduktion des Gesamtsystems einer je spezifischen historischen Gesellschaftsformation absichert.

Akkumulationsmodus, Regulationsweise und hegemoniale Struktur gehen konkrete historische Verbindungen ein, die den Charakter von historischen Formationen kapitalistischer Entwicklung oder "Entwicklungsweisen" (Hübner) annehmen, über einen mehr oder weniger langen Zeitraum dominant sind und deren Übergänge krisenhaft verlaufen. Grundlegend ist in diesem Zusammenhang die Vorstellung von "notwendigen systemischen Entsprechungen, Kompatibilitäten, also von der Notwendigkeit der Einhaltung von Gleichgewichtsbedingungen zwischen Akkumulation und Nachfrage" (Altvater 1988, 148). Diese können nur durch "regulierende Institutionen", durch eine "kompatible und korrelierende institutionelle Infrastruktur" hergestellt und gesichert werden: "Die ökonomische Entwicklung bedarf also einer entsprechenden institutionellen Basis" (ebd.). Als Konkretion einer solchen Formation kann die des Fordismus (2) gelten:

"Die 'soziale Struktur' des fordistischen Produktions- und Konsum-Modelles kann in einem Netzwerk von Institutionen und Normen gesehen werden, das zuweilen als "Keynesianischer Sozialvertrag" bezeichnet wird. Als wichtigste Eckpfeiler dieses Institutionengefüges gelten neben dem Sozialstaat eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik sowie der Ausbau und die Institutionalisierung von Gewerkschaftsrechten. Grundlage des Sozialkonsums ist somit ein Kompromißgleichgewicht zwischen Verteilungs- und Produktivitätserfordernissen. Eine wichtige Implikation dieser Balance ist eine bestimmte Organisation der politischen Arena." (Naschold 1985, 19)

Strukurelle Krisen - im Gegensatz zu zyklischen, konjunkturellen Krisen - entstehen dann, wenn das Kompatibilitätsverhältnis von Akkumulationsmodus und der entsprechenden Regulationsweise gestört oder aufgelöst ist, die Bedingungen zur Reproduktion des Kapitals im Rahmen der Regulationsweise nicht mehr gegeben sind, d.h. keine den tendenziellen Fall der Profitrate in ausreichendem Maße aufhaltenden "Gegentendenzen" - Druck auf das Lohnverhältnis, Rationalisierungen, Eroberung neuer Märkte etc. - mobilisiert werden können. Notwendig zur Reproduktion des Kapitals auf einer neuen gesellschaftliche Ebene ist daher eine Veränderung der gesamten Struktur der je gegebenen historischen Gesellschaftsformation zu einem neuen "historischen Block".

"Die ökonomischen Krisen verweisen, allgemein gesprochen, auf die Unfähigkeit bestimmter Typen von Regulation, die Reproduktion eines Akkumulationsregimes sicherzustellen. Krisen sind so gesehen Übergänge zwischen jeweils zwei spezifischen Akkumulationsregimes und Regulationsweisen" (Hübner 1988, 32)

Der krisenhafte Übergang vom Fordismus zum Postfordismus ist nicht in klar abzugrenzende Perioden aufzuteilen, sondern als ein Übergangs- und Transformationsprozeß zu verstehen, dessen Verlauf von vielen Ungleichzeitigkeiten geprägt ist. Postfordistische Prozesse werden von fordistischen, diese wiederum von Krisen überlagert und vice versa. Insgesamt - das dürfte deutlich werden - handelt es sich nicht um einen Prozeß, dem ein plötzlicher Bruch zugrunde liegt, sondern um einen langsamen Wandlungsprozeß hin zu einem neuen "historischen Block".

II. Der Wohlfahrtsstaat im Postfordismus

Zur Überwindung struktureller Krisen - so wurde oben ausgeführt - bedarf es der Herausbildung einer neuartigen Übereinstimmung von Ökonomie und Staat, von Akkumulations- und Regulationsweise sowie einer hegemonialen Struktur. In der fordistischen Formation war der Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaat ein zentrales Funktionsmoment zur Regulierung der Arbeitskraftreproduktion und geriet mit der Krise dieser Formation ebenfalls in eine Krise. Es stellt sich somit die Frage nach der Rolle, die der Sozialstaat im Übergang zu einer postfordistischen Formation spielt, und welchen Veränderungen er dabei unterliegt. (3)

Zentrales Merkmal einer sich herausbildenden postfordistischen Formation ist eine Akkumulationsweise, die auf der Basis mikroelektronischer Automatisierungstechnologie die allgemeine Flexibilisierung der Produktion als Voraussetzung einer neuen "langen Welle" (Kondratieff) der Kapitalreproduktion herausbildet. Die Flexibilisierung der Produktion erfordert eine entsprechende Regulationsform, "um die Vereinbarkeit von Verhaltensweisen im Rahmen eines Akkumulationsregimes zu sichern" (Lipietz 1985, 121), d.h., um eine entsprechende allgemeine Flexibilisierung der Reproduktion zu gewährleisten.

Hatte in der fordistischen Phase der Staat primär in seiner Form als Wohlfahrtsstaat die Aufgabe der Regulation übernommen, so scheint sich für die postfordistische Formation - trotz der "Krise des Sozialstaates" - allerdings keine ihn ersetzende Alternative anzudeuten.

Es stellt sich vielmehr die Frage, in welcher Weise der Wohlfahrtsstaat reorganisiert werden kann, ohne daß er - als typisches und konstitutives Moment der historisch überholten Phase des Fordismus - den Übergang zu einem neuen "historischen Block" behindert und darüberhinaus, in welcher Weise er zur Regulationsweise einer postfordistischen Formation beitragen kann. Dies ist weitgehend abhängig von den ökonomischen und politischen Kräfteverhältnissen, die im Sozialstaat herrschen, sowie den politischen Auseinandersetzungen in dieser Arena (vgl. Offe 1984, 336ff.). Der Übergangsprozeß von der fordistischen zur postfordistischen Gesellschaftsformation

"umfaßt eine qualitative Verschiebung der wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten des Wohlfahrtsstaates und ist hegleitet vom Zerfall der politischen Koalitionen, die die Wohlfahrtsstaatspolitik der Nachkriegszeit stützten. Die Reorganisation des Wohlfahrtsstaates beinhaltet Verschiebungen im Umfang der Sicherungen und Leistungen, wie sie in den 60er und 70er Jahren charakteristisch waren, und die Übernahme neuer ökonomischer Funktionen und disziplinierender Aufgaben in der sozialen Reproduktion (...) Ganz allgemein werden viele der Dilemmata und Widersprüche des fordistischen Wohlfahrtsstaates im postfordistischen System reproduziert werden" (Jessop 1986, 30f.).

Jessop (1986, 23ff.) hat darauf hingewiesen, daß die Krise des Wohlfahrtsstaates und der Übergang zu einer nachfordistischen Form desselben prinzipiell zweierlei Entwicklungen möglich erscheinen läßt, wobei die Flexibilisierung des Wohlfahrtsstaates Priorität genießt:

- Zum einen eine neoliberalen Entwicklungsperspektive, die auf die Dynamik der Marktkräfte setzt, die Deregulierung der Warenförmigkeit der Arbeitskraft wie des privaten Sektors sowie die Privatisierung von sozialen Diensten als notwendig erachtet. Dies beinhaltet eine Strategie der Stärkung der Kapitalseite auf dem Arbeitsmarkt und die Schwächung korporativer Strukturen - inklusive der Gewerkschaften. Das Lohnverhältnis soll gestärkt werden, die nicht-lohnförmigen Einkommenssicherungstransfers auf das absolute Minimum zurückgeschraubt, der Sozialstaat insgesamt gestrafft und effizienter gemacht werden. Dies bedeutet perspektivisch zugleich eine Förderung des eigenen Klienteis aus den führenden Wirtschaftsbereichen mit der Konsequenz der Marginalisierung und der Abwälzung der Kosten des Umbaus auf diejenigen, die auf Transfereinkommen und soziale Dienstleistungen real angewiesen sind. Die Perspektive dieses Modells ist letztlich die einer "harten" Dualisierung von Kern und Rand.

- Zum anderen eine neo-etatistische Perspektive, die nicht auf kurzfristig wirksame Einsparungen, sondern vielmehr auf eine mittelfristig angelegte aktive Strukturpolitik setzt, die auf einer Verbesserung der Qualifikationen, der Infrastruktur, von Forschungs- und Technologiepolitik beruht, was verstärkt staatliche Aktivitäten insbesondere hinsichtlich der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes (Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverträge) und die Qualifizierung der Arbeitskräfte notwendig macht. (4)

Die i.S. der postfordistischen Formation erforderliche Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist aber gleichwohl auch denkbar durch die Einführung eines garantierten Mindesteinkommens, das, konträr zur neoliberalen Perspektive einer harten Dualisierung / Spaltung egalitäre (soziale) Bürgerrechte etabliert und zugleich die erforderliche Flexibilität garantieren kann. Die Basis einer solchen Perspektive ist in der Entwicklung korporativer Strukturen zu suchen, wobei die auf dem sozialdemokratisch geprägten Korporatismus aufbauende Variante des Neo-Etatismus das Modell einer "solidarisch verbundenen Bürgerschaft (besonders bei Einführung eines garantierten Mindesteinkommens) mit den organisierten Lohnabhängigen als Kern" (ebd. 25) repräsentieren könnte. (5)

Welche der Entwicklungslinien und -Perspektiven sich im Übergang zum Postfordismus durchsetzen wird, ist letztendlich ein Ergebnis politischer Kräfteverhältnisse und sozialer Auseinandersetzungen. Die Chancen für ein egalitäres, solidarisches Projekt scheinen derzeit nicht gut zu stehen. Vielmehr deutet sich mit einiger Verzögerung aufgrund des vergleichsweise starken Korporatismus der bundesdeutschen Gesellschaft eine deutliche Tendenz zu einem neoliberalen/neokonservativen Modell an, wie es in den Vereinigten Staaten und Großbritannien bereits seit mehr als zehn Jahren durchgesetzt wird und dort zu extrem segregativen Entwicklungen in den Gesellschaften mit der Entstehung einer neuen "underclass" (vgl. z. B. Morris 1994) geführt hat.

Basierte die fordistische Formation auf standardisierter Massenproduktion mit entsprechender Arbeitskräftestruktur - dem tayloristischen Massenarbeiter - sowie der Durchkapitalisierung der Konsumtions- und Reproduktionssphäre der Arbeiterschaft und stellte die Homogenisierung der Lohnarbeiterschaft im Rahmen des Normalarbeitsverhältnisses eine entscheidende Leistung fordistischer Sozialpolitik dar, so steht im Übergang zur nachfordistischen Phase die, die notwendigen Flexibilitätsanforderungen der neuen Akkumulationsweise absichernde, Heterogenisierung der Lohnarbeiterschaft, d.h. die Spaltung in Kern- und Randbelegschaften, die Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitsverhältnisse und -Zeiten, die Auflösung tradierter Lebensformen, neue Mobilitätsanforderungen etc. auf der (sozial-)politischen Tagesordnung (vgl.Chassé 1989, 34f.).

Insgesamt geht es in dieser nachfordistischen Regulationsweise in der Bundesrepublik um eine Deregulierung arbeitspolitischer Strukturen im Produktionsbereich, um eine Re-Privatisierung der Kosten und Risiken, eine "Effektivierung" sozialer Dienstleistungen durch deren Spezialisierung, Ambulantisierung, Familialisierung, sowie die Regulation und Bearbeitung der für die Flexibilität der nachfordistischen Akkumulationsweise funktional notwendigen Reservearmee (6) und der dauerhaft aus dem Produktionsprozeß Ausgegrenzten: d.h. es ist nicht mehr das Ziel der Regulation, ein ganz bestimmtes Normalitätskonzept durchzusetzen, sondern der Sozialpolitik kommt die umfassendere Aufgabe der Regulation einer gespaltenen Gesellschaft zu. Darauf wird später noch zurückzukommen sein.

Auf der Ebene der auf die Produktion bezogenen Sozialpolitik, der Arbeitspolitik, ist die Segmentation der Lohnarbeiterschaft durch eine politische Deregulierung der Arbeitsverhältnisse bereits forciert worden (z.B. die Ermöglichung befristeter Arbeitsverträge durch das Beschäftigungsförderungsgesetz, die Vorruhestandsregelung, die angestrebte Flexibilisierung der Wochenendarbeit und der täglichen Arbeitszeit) (7), wobei deutlich wird, "daß gegenwärtig sichtbar gewordene Engpässe in der Produktionsentwicklung weniger im technisch-ökonomischen Produktivitätspotential liegen als vielmehr in den institutionellen und normativen Formen ihrer Regulation" (Naschold 1985, 41).

Auf die Ebene der Reproduktion bezogen geht es einerseits im Rahmen der Rhetorik der "Krise des Wohlfahrtsstaates" um die Effektivierung und die Reduktion der Kosten des Sozialwesens, d.h. die Rückverweisung der Reproduktionsrisiken auf den je Einzelnen und die Familie, wie es im Kontext der "Neuen Subsidiaritätspolitik" propagiert wird, andererseits um die sozialpolitische Aufrechterhaltung und Unterhaltung der für die postfordistische Akkumulationsweise erforderlichen Flexibilität der Arbeitsbevölkerung auf der Grundlage einer konstitutiven Spaltung der Gesellschaft. Beispiele hierzu sind die sogenannte "Qualifizierungsoffensive"; die Einführung der Selbstbeteiligung in der Krankenversicherung; die Umstellung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes auf Kreditbasis; die vollzogene Einführung der Pflegeversicherung, die entgegen den klassischen Kompromißformeln der fordistischen Phase heute die Kosten ausschließlich der Lohnarbeitsseite zuweist (8) und damit sehr plastisch die verschobenen Machtrelationen auf dem Terrain des Sozialstaates verdeutlicht.

Es ist in diesem Kontext Aufgabe der Regulation, den Zusammenhang von Akkumulation und Reproduktion auf der Basis einer gespaltenen Gesellschaft zu organisieren. (9) Das Management der Spaltung der Gesellschaft und der Schaffung flexibler Zonen und Abstufungen zwischen Kern und Rand wird zur Aufgabe regulativer Sozialpolitik. Stand in der fordistischen Phase vor dem Hintergrund der für sie konstitutiven Koppelung von Massenproduktion und Massenkonsumtion die Integration in die Lohnarbeit bzw. zumindest der Bezug auf sie - also die "aktive und passive Proletarisierung" - eindeutig im Zentrum der Sozialpolitik und war damit zugleich hinsichtlich der Lohnarbeit und des an sie gekoppelten kompensatorischen Massenkonsums ein allgemein verbindliches Vergesellschaftungsmodell geschaffen worden, so befindet sich dieser Zusammenhang im Übergang zu einer nachfordistischen Formation in fortschreitender Auflösung. Für die nachfordistische Gesellschaftsformation ist aufgrund der Flexibilitätsanforderungen der Akkumulations- und Produktionsweise die Spaltung und Heterogenisierung der Gesellschaft konstitutiv.

Diese, für die nachfordistische Formation grundlegende, strukturelle Bedingung kann von der sozialpolitischen Regulation grundsätzlich nicht durch Gegensteuerung i.S. eines Versuchs der Rehomogenisierung kompensiert und aufgehoben werden. Ihr bleibt die Aufgabe, Akkumulations- und Reproduktionsweise unter der Vorgabe größtmöglicher Flexibilität miteinander zu vermitteln, zu managen. Ein verbindliches Modell von Vergesellschaftung, auf das die Regulationsweise sich beziehen könnte, ist dabei derzeit nicht auszumachen. Es wird hier aber deutlich, daß es sich nicht etwa um einen funktionalen Bedeutungsverlust regulativer (Sozial-)Politik handelt, wie es etwa die Rede von der Deregulierung impliziert, vielmehr erhöht sich der gesamtgesellschaftliche Steuerungsbedarf.

Die Heterogenisierung der Lohnarbeiterschaft erfordert eine Vielzahl von abgestuften Regelungen, die im weiten Übergangsspektrum zwischen festangestellter, vollzeitausgelasteter Kernarbeit und dauerhafter Ausgrenzung vermitteln, d.h. verschiedenste Mischformen und Abschattierungen der Reproduktion in Beziehung setzen und im Kontext der Anforderungsstruktur der Akkumulationsweise organisieren.

So ist das Ziel staatlicher Sozialpolitik nicht mehr in erster Hinsicht die Integration in ein Modell der Lohnarbeit; vielmehr ist für eine regulative Sozialpolitik im Postfordismus die Spaltung der Gesellschaft die Voraussetzung, die sie grundlegend nicht verändern kann. Insgesamt ist der Regulationsbedarf gestiegen, er erscheint jedoch an der Oberfläche in liberalistischem Gewand als Deregulation (vgl. Schaarschuch 1990).

III. Soziale Arbeit, Sozialpolitik und postfordistischer Wohlfahrtsstaat

Unter der Voraussetzung der Vollgültigkeit der Normalität der Lohnarbeit als allgemeiner Integrationsformel der fordistischen Formation wurde Sozialarbeit/Sozialpädagogik stets als Instrument der Sozialpolitik beschrieben. Sozialpolitik wurde definiert als "aktive Gestaltung des Proletarisierungsprozesses" (Lenhardt/Offe 1977) und Sozialarbeit folgerichtig als "spezifische Strategie der staatlichen Sicherstellung der Lohnarbeiterexistenz" (Müller/Otto 1980, 8). Sozialarbeit habe für die "Reproduktion der Ware Arbeitskraft" (Hollstein 1973, 205) zu sorgen. Der "Zuweisungscharakter sozialpädagogischer Aufgaben durch politische Instanzen" ist nicht zu übersehen (Thiersch/ Rauschenbach 1984, 1003). Insbesondere Böhnisch (1982, 25) vertritt die Instrumentalisierungsthese: "Sozialarbeit ist im heutigen Sozialstaat vom repressiven zum 'strategischen' Instrument sozialer Integration geworden." Im Rahmen einer "'Sozialpolitisierung' der Sozialarbeit" wird diese zum "verlängerten Arm" (ebd. 72) der Sozialpolitik: "Der Sozialstaat wird sozialpädagogisch gepuffert" (ebd.), Sozialarbeit "ein echtes sekundäres System" (ebd. 67).

Sozialpolitik im Kontext einer nachfordistischen Formation wurde oben definiert als das regulative Management der Flexibilität einer gespaltenen Gesellschaft. Durch diesen Imperativ ist Sozialarbeit/Sozialpädagogik ebenfalls weitgehend umrissen. Sie bleibt pädagogisches Instrument dieser sozialpolitischen Regulationsweise, auch wenn die Instrumentalisierung nun weniger rigide erscheint. Böhnisch hat beschrieben, wie der Sozialstaat die Reichweite seiner regulativen Politik durch Pädagogik in die Lebenswelt der Akteure hinein ausweitet:

Sozialpädagogik "ist nicht im ökonomisch-politischen Zentrum der Staatstätigkeit, sondern in den Lebensbereichen lokalisiert. Sie bearbeitet soziale Konflikte und ihre psycho-sozialen Auswirkungen aus der Perspektive und im Mikrokosmos der individuellen Lebensbereiche. Gerade deshalb ist sie aber nicht autonom, sie ist auch - vermittelt - den sozialstaatlichen Mechanismen ausgesetzt." (ebd. 67)

Im Zuge einer Auflösung klarer Zielvorgaben wie der Integration qua Lohnarbeit im Kontext einer allgemeinen gesellschaftlichen Modernisierung, kommt es nun für die Sozialpädagogik verstärkt darauf an, von individuell zugeschnittenen, auf den "Fall" bezogenen, speziellen Interventionen auf "die soziale Stützung und soziale Kontrolle allgemeiner Lebensverhältnisse" (ebd. 72, Herv. A. S.) überzugehen. Sozialpädagogik hat unter der Ägide sozialpolitischer Instrumentalisierung eine "allgemeine Verhaltensanpassung an gesellschaftliche Modernisierungsprozesse" zu leisten (ebd.), also in der Hinwendung auf die Gestaltung der allgemeinen Rahmenbedingungen der Reproduktion der Subjekte zur gesellschaftlich notwendigen, allgemeinen Flexibilisierung durch die pädagogische Bearbeitung des "Mikrokosmos" der Lebenswelt beizutragen. Dies ist nur möglich, wenn sie sich hinsichtlich ihrer Ziele und Interventionsformen einen höheren Grad an Allgemeinheit verschafft, d.h. nicht mehr so sehr auf den "Fall", also die "Abweichung" von normativen Vorgaben orientiert ist. Es geht um die sozialisatorische Absicherung all der Verhaltensweisen, die mit einer postfordistischen Formation kompatibel sind. D.h., in einer Situation, in der offensichtlich wird, daß nicht mehr alle qua Lohnarbeit integriert werden können, kann sich die staatliche Regulation im Rahmen einer größeren normativen Gleichgültigkeit andere Lebensformen in dem Maße "leisten", in dem diese die Akkumulationserfordernisse der neuen Formation nicht behindern. Dies aber bedeutet, daß aus Sicht regulativer Sozialpolitik "Normalität" immer nur negativ konstruiert werden kann. Als ein anschauliches Beispiel kann das "Aktionsprogramm gegen Gewalt und Agression (AGAG)" der Bundesregierung gelten, das genau dann seine regulativ-pazifierende Wirkung entfalten sollte, als durch die rechte Gewalt das Ansehen der Republik und damit der Exportnation in den ausländischen Absatzmärkten bereits nachhaltig geschädigt schien.

Diese Entwicklung enthält zugleich aber auch Chancen für die Soziale Arbeit. Ihre inhaltlich unbestimmtere "Funktion", nicht mehr am Normalitätskonzept der Lohnarbeit festhalten, sondern die sozialisatorischen Rahmenbedingungen der Reproduktion im Kontext einer flexibilisierten, postfordistischen Formation herstellen zu müssen, eröffnet ihr größere Spielräume, die der Möglichkeit nach die Relativierung ihrer Instrumentalisierung durch die Sozialpolitik ohne Funktionsverlust beinhaltet. Diese Konstellation erst ermöglicht es ihr, die Perspektiven der "betroffenen", der alltagsweltlichen Akteure, ihre Reproduktionsweisen zum Ausgangspunkt zu machen und so auf der Basis der Herstellung allgemeiner Rahmenbedingungen dem erreichten Grad an individueller Ausprägung von Reproduktionsweisen gerecht zu werden (vgl. Schaarschuch 1990, 157ff.).

IV. Soziale Arbeit im Regulationskontext

Für eine solche Entwindung der Sozialen Arbeit aus dem instrumentellen Zugriff durch die Sozialpolitik stehen die Zeichen derzeit nicht gut: Auf der Grundlage der gesellschaftlichen Spaltungsprozesse wächst nicht nur trotz, sondern wegen der Konstruktionsmerkmale sozialstaatlicher, grundsätzlich auf die Lohnarbeitsform bezogener Sicherungssysteme die Zahl derer, die dauerhaft von Lohnarbeit ausgeschlossen und auf Sozialhilfe angewiesen sind. Im Effekt resultiert aus dieser Verschiebung von den versicherungsförmigen Systemen in die Sozialhilfe eine Kommunalisierung der Kosten zur Finanzierung der gesellschaftlich abgespaltenen Bevölkerungsteile.

Zum anderen wächst aufgrund der mit der "reflexiven Modernisierung" verbundenen Enttraditionalisierungs- und Individualisierungstendenzen (Beck) und des damit verbundenen zunehmenden Wegbrechens traditionaler Orientierungs- und Hilfstrukturen der Bedarf an sozialstaatlichen Diensten zur Bearbeitung der damit verbundenen Problemkonstellationen durch personenbezogene soziale Dienstleistungen. Die entsprechenden sozialen Dienste sind jedoch weitgehend auf der kommunalen Ebene angesiedelt, so daß in Verbindung mit den wachsenden Ausgaben für die Sozialhilfe für die Kommunen hier systematisch "Finanzierungsprobleme" entstehen.

Vor diesem Hintergrund sind die neuerlichen Strategien zu betrachten, die unter dem Segel der "Dienstleistung" versuchen, auf der Fahrt nach Kostenreduktion und Effektivierung wieder festes Land unter die Füße zu bekommen. Da in der Auseinandersetzung mit der Armutspolitik von kommunaler Seite her eine grundsätzliche Umsteuerung nur schwer zu erreichen sein dürfte -sich die Kommunen hier vielmehr in der Defensive befinden - wird versucht, Kostenreduktion auf interner Ebene in den Griff zu bekommen. Im Hinblick auf eine solche Ausgangssituation lassen sich grob zwei Strategien ausmachen: Die interne Rationalisierung der Organisation und die "Industriealisierung sozialer Dienstleistungen".

Bei der Strategie der internen Rationalisierung der Organisation sozialer Dienste sind hier die kommunalen Verwaltungen führend. Die kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) hat in neuerer Zeit Konzepte zur "Modernisierung der Kommunalverwaltung" vorgelegt, die den Umbau der Kommunalverwaltungen am neuen "Leitbild: Dienstleistungsunternehmen Kommunalverwaltung" (KGSt 5, 1993), also auch der kommunalen Sozialen Dienste, ausrichten:

Ausgangspunkt ist die beschränkte finanzielle "Leistungsfähigkeit", die "die Handlungsspielräume nahezu auf null schrumpfen" läßt und die die Kommunen zwinge, "in nie gekannter Schärfe zu rationalisieren und Leistungen abzubauen" (ebd. 7). Als Kennzeichen des neuen Leitbildes "Dienstleistungsunternehmen Kommunalverwaltung" stehen Nachfrage- und Kundenorientierung, das Denken in Produktzyklen und Wettbewerbsfähigkeit und eine zielorientierte Führung im Zentrum (vgl. ebd. 13).

Zwar wird gesehen, daß es "kein blindes Nachahmen von Strukturen und Instrumenten aus dem privaten Sektor" (ebd. 14) geben könne, dennoch bleiben die Ziele ein Aufbau einer unternehmensähnlichen, dezentralen Führungs- und Organisationsstruktur und "die Aktivierung dieser Struktur durch Wettbewerb" (ebd. 14). "Dezentrale Führungs- und Organisationsstruktur", "Kontraktmanagement", "Leistungsergebnis", "Ressourcenverantwortung", "Controlling", "Qualitätsmanagement" und "Output Steuerung" sind die in diesem Zusammenhang neu eingeführten Begriffe und die damit verbundenen Konzepte (vgl. ebd. 14ff.). Diese grundlegende Umsteuerung soll dann "zur Gewährleistung der Bürgernähe, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Kommunalverwaltungen "in ihren Grundzügen in allen Aufgaben und Fachbereichen einheitlich" (ebd. 7) - also auch im Bereich der Jugendhilfe - angewendet werden. In einem detaillierten Verfahren wird von Seiten der KGSt versucht, im Rahmen der "Output-Steuerung" die Leistungen der Jugendhilfe nach dem KJHG in 51 Produkte, 16 Produktgruppen und 4 Produktbereiche zu differenzieren. Durch diese Zerlegung der Aufgaben werden sie dann erst für Planung und Steuerung zugänglich: "Je mehr es gelingt, Produkte umfassend zu beschreiben, desto besser können sie der gemeinsame Bezugspunkt sein für: Fachplanung, Leistungs- und Finanzvorgaben bzw. Kontrakte, Rechnungswesen, Haushaltsplanung, Organisation, Personalmanagement, Berichtswesen, Controlling, Marketing. Damit wird Ergebnisorientierung zum prägenden Merkmal. (...) Konkrete Leistungs- und Finanzziele bilden die Grundlage für die Planung, Durchführung und Kontrolle der Verwaltungshandelns" (ebd. 14).

Vor dem Hintergrund knapper Ressourcen hofft man, durch die Übernahme privatwirtschaftlicher, marktförmiger Steuerungsprinzipien eine Steigerung der internen Leistungsfähigkeit kommunaler Dienstleistungserbringung zu erzielen. Dadurch soll im Zuge der "Modernisierung der Kommunalverwaltungen" durch "tiefgreifende Struktur- und Verhaltensänderungen" (KGSt 5 1993, 7) eine systematische Neuformatierung der Staatsapparate erreicht werden. Steigende Anforderungen bei sinkenden Finanzierungsressourcen müssen mit dem generellen Ziel der Flexibilisierung - hier als "Bürgernähe" und "Dienstleistungsorientierung" gefaßt - einreguliert und harmonisiert werden, was einen Rationalisierungs- und Legitimationsdruck auf die öffentlichen Verwaltungen produziert. Dabei reagieren die Verwaltungen im wesentlichen auf die von der Politik und der öffentlich erzeugten Meinung produzierten Druck, was dann zur Ausbildung interner Rationalisierungsstrategien führt.

Diese Strategien linden auch auf Seiten der Profession ihre Befürworter und bereitwilligen Umsetzer (vgl. beispielhaft Schroer 1994) (10):

In einer Übernahme der Managementtheorie sieht er die Aufgabe, durch "Organisationsentwicklung" die "Organisation und die in ihnen Handelnden... den neuen Anforderungen anzupassen" (ebd. 267). "Zielvorstellung ist eine lernfähige, flexible Dienststelle, in der die Mitarbeiterinnen den wachsenden Anforderungen an Sozialer Arbeit gerecht werden können" (ebd. 273). In "professionellem Management" bestehe die Chance, "das Jugendamt in seiner Organisation und in seiner Dienstleistungserbringung flexibel auf den sozialen Wandel und das veränderte Nachfrageverhalten der Klientinnen einzustellen" (ebd. 267). Dabei kommt dann der Organisations- und Personalentwicklung eine entscheidende Stellung zu, insbesondere wird "Führung" dabei eine Schlüsselstellung zuerkannt. Fortbildung für Führungskräfte zur Herausbildung von institutioneller, strategischer, sozialer und personaler Kompetenz und Zielvereinbarungen im Rahmen zielorientierter Führung sind dann die entsprechenden konkreten Schritte, die die "Organisationskultur" des Jugendamtes nachhaltig im Sinne der Zielvorstellung beinflussen sollen. (11)

Diese Beispiele stehen im Kontext einer Konjunktur der Übertragung marktförmiger, privat- und betriebswirtschaftlicher Prinzipien in die Institutionen öffentlicher sozialer Dienstleistungen (vgl. Flößer/Schmidt 1992). Die augenfällige Popularität von Sozialmanagement - auf das hier nicht weiter eingegangen werden soll - auf Seiten der Professionellen in der Sozialen Arbeit ist dabei das subjektive Korrelat einer neuen, auf einen minimalen Wohlfahrtsstaat ausgerichteten neoliberalen Regulationsform.

Vielen Mitarbeitern in den sozialen "Staatsapparaten" bleibt so scheinbar nur noch der Versuch, die angegriffene oder auch nie ausgebildete eigene professionelle Identität durch die Übernahme betriebwirtschaftlicher Prinzipien aufgrund der Kritik an der gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit der Sozialen Dienste wieder zu korrigieren. Dabei wird - zum wiederholtem Male (12) - der paradoxe Versuch gemacht, die eigene Professionalität durch die Übernahme fremder Prinzipien, Strukturen und Begrifflichkeiten zu stärken:

So "... zeigt die Übernahme betriebswirtschaftlicher Terminologie in den Bereich der Sozialen Arbeit (Sozialmarketing, Sozialmanagement, Non-Profit etc.) und deren geradezu explosionsartige Verbreitung einerseits das Fortschreiten des gesellschaftlichen Rationalisierungsprozesses an, andererseits ist darin ein Indiz für die relative Ratlosigkeit der Profession in bezug auf die eigenen Handlungsprobleme und die eigene Position innerhalb der Gesellschaft zu sehen. Fachfremde Experten werden deshalb immer wieder zu Rate gezogen, und zwar nicht von einer in ihren Fundamenten gesicherten Position aus, die durch das fachfremde Expertenwissen ergänzt werden könnte, sondern in der Art einer Öffnung der Schleusentore, so daß eine regelrechte Flut- bzw. Modewelle die Soziale Arbeit überzieht und eigenen Orientierungen und Werte Gefahr lauten, einfach weggeschwemmt zu werden.

Das Argument soll nicht heißen, daß Effizienz in der Sozialen Arbeit nicht auch ein zentrales Kriterium für professionelles Handeln bilden muß, aber weder die Bedürfnisse der KlientInnen noch die darauf abgestimmte Dienstleistung sollten u.E. auf ihren "Warencharakter" reduziert werden oder auch ihm nur untergeordnet werden. Die Gefahr einer teilweisen Reduktion der Dienstleistung auf den "Warencharakter" besteht für eine professionalisierte Soziale Arbeit unter den Bedingungen der herrschenden (kapitalistischen) Gesellschaftsform ohnehin, weil zunehmend sowohl die Lebenswelten der Klientinnen (z.B. Wohnraum) wie auch der Dienstleistungssektor kapitalisiert werden, also Inwertsetzungskriterien unterliegen. Mit der Orientierung an betriebswirtschaftlichen Modellen findet sowohl auf der theoretisch-begrifflichen als auch auf der praktischen Ebene eine Angleichung und damit u.U. eine Verlagerung der Prioritäten statt. Der Wert, den eine geleistete Arbeit und ihre Effekte für die Gesellschaft und vor allem für bestimmte Individuen in ihr darstellen, ist nicht ausschließlich über Kosten/Nutzen-Analysen und schon gar nicht über den in dieser Hinsicht anomischen Markt zu bestimmen" (Sommerfeld/Koditek 1994, 239).

Die Folge einer solchen Strategie des Versuchs einer Aufwertung der eigenen professionellen Position durch die Übernahme professionsfremder, primär betriebswirtschaftlicher Prinzipien unter Verzicht auf die Entwicklung einer eigenständigen Strategie führt im Effekt zu einer Deprofessionalisierung. De facto setzt sich über die Orientierung an den Konzepten von Management etc., die auf eine Reform der Verwaltung "von der Eingriffsbehörde zum Dienstleistungsunternehmen" abzielt, die Vorherrschaft der organisationalen Form gegenüber professionellen Strategien der Problemdefinition und -bearbeitung durch. Letztlich handelt es sich dabei um die Restituierung des alten Primats der Verwaltung über die Profession in den neuen Kleidern des Managements.

Im Zusammenhang mit diesen Strategien interner Leistungserhöhung qua Rationalisierung der Organisationsstrukturen lassen sich auch Tendenzen ausmachen, durch Externalisierung der Dienstleistungserbringung ("contracting-out") eine Effektivitätserhöhung bei gleichbleibenden oder reduzierten Finanzmittelausstattungen zu erreichen. Unter der Vorherrschaft des Zwangs zur Effektivierung führt dies in der Konsequenz zu einer "Industrialisierung" sozialer Dienstleistungen.

Im Zusammenhang mit der Herausbildung einer gespaltenen Gesellschaft in den Vereinigten Staaten haben Fabricant/Burghardt (1992) in einer empirischen Studie auf die "Transformation der sozialen Dienstleistungsarbeit" hin zu einer industrialisierten Form ihrer Erbringung hingewiesen. Ausgehend von einer Untersuchung des Zusammenhangs von neuen Politiken der Kostenreduktion im Zuge der fiskalischen Krise des Wohlfahrtsstaates und der sich verändernden Struktur der praktischen Sozialen Arbeit, beschreiben sie die neuen Mechanismen und Prinzipien, nach denen die Sozialen Dienste strukturiert werden:

"What, then, are the new priorities of social service agencies? To begin with, they are expected to process substantially greater numbers of people in a shorter period of time. Only in this way can the agency manage its fiscal constraints and case overload. Conversely, a worker is expected to pay less attention to matters of quality if such concerns conflict (and invariably they do) with the financial priorities of the agency. In short, the new (or perhaps in some cases heightened) priority of agencies is to emphasize quantity and budget containment at the expense of quality. Social service managers must be resocialized to value and enforce this singular objective." (Fabricant/Burghardt 1992, 73).

In der Folge ist eine neue Generation von social service managers dahingehend ausgebildet worden, "to emphasize productivity and to increase their span of control within the work place" (ebd., 79). Die Macht des Managements wird umso größer, je mehr tayloristische Methoden des "scientific management", die die beruflichen Aufgaben in kleinste Teileinheiten zerlegen, die Tätigkeit in den Dienstleistungsagenturen strukturieren. Dies bedeutet konkret eine an handhabbaren Kategorisierungen ausgerichtete Fallarbeit auf Kosten "ganzheitlicher" Problembearbeitung, eine fabrikähnliche Atmosphäre in den Institutionen selber (viele Sozialarbeiter in einem Raum), fehlende Autonomie und Flexibilität sowie eine Erhöhung der Arbeitsintensität durch "quotas" und "speed-ups".

In diesem Zusammenhang werden auch neue Maßstäbe implementiert: Kriterien für erfolgreiche Arbeit sind dann: die Zahl der Kontakte, die Zahl der bearbeiteten Fälle, die Kosten pro Fall, und die Anzahl der abgeschlossenen Fälle.

"The primary focus of assembly line practice is to process as many clients as possible in the shortest period of time in order to reduce costs. These new Standards only measure (through new forms and increased paperwork) what decision makers have established structurally as the highest service priority in the 1980s - quantitative Output rather than effektive outcome" (ebd. 82).

Im Rahmen dieser neuen Formen der Arbeitsorganisation in den Institutionen sozialer Dienstleistungserbringung verlieren die Sozialarbeiter weitgehend die Kontrolle über den Arbeitsprozeß, die mehr und mehr auf das Management übergeht. Die Folgen solcher Strategien sind Entprofessionalisierung und "deskilling", nicht nur der einzelnen Sozialarbeiter sondern der Sozialen Dienste als ganze:

"...the social service experience from the point of view of the client has suffered from a loss of skill. The delegation of specialized tasks to less highly trained and less expensive groups of workers is an increasingly populär and effective mechanism for skill reduction in the social Services. This specific form of deskilling (and cost Containment) is popularly described as "decertification". (...)... many of these changes threaten social work as a profession because they eliminate positions that require a social work degree" (ebd. 94). "Finally, deskilling can also be measured in terms of the present losses in specific expertise or general knowledge for professional groups" (ebd. 95)

vielmehr sind sie im Kontext freier Träger, "Not-for-Profit Social Services" aufgrund ihrer Konkurrenz im Rahmen der Auslagerung von sozialen Diensten aus dem öffentlichen in den parastaatlichen Kontext ("contracting-out") besonders augenfällig (vgl. ebd. 116ff.). Im Effekt hat dies eine systematische Qualitätsminderung sozialer Dienstleistungen zur Folge, so daß die Anspruchsrechte der Nutzer sozialer Dienstleistungen ("social citizenship", vgl. Schaarschuch 1994) systematisch unterlaufen und ausgehöhlt werden.

Daß diese Tendenzen der Industrialisierung sozialer Dienstleistungen auf die USA beschränkt bleiben, ist eher unwahrscheinlich. Mit den Debatten um Effizienzsteigerung, dem Einbau betriebswirtschaftlicher Konzepte, dem bereits begonnenen Umbau öffentlicher Institutionen zu "Dienstleistungsunternehmen", dem Versuch vieler Professioneller, ihren vermeintlich defizitären gesellschaftlichen Status durch die Aneignung eines Managementjargons kompensieren zu können, wird derzeit hierzulande der Boden bereitet, auf dem dann die Industrialisierung der Sozialen Dienste ihren Lauf nehmen kann.

Ein "postfordistischer" Wohlfahrtsstaat hat, so wurde ausgeführt, generell die Aufgabe, eine der postfordistischen Akkumulationsweise entsprechende Form der Regulation der gesellschaftlichen Reproduktion herzustellen. Die interne Rationalisierung der Organisation und die Industriealisierung Sozialer Dienste sind in diesem Kontext zwei wesentliche Strategien, die einen Beitrag zur Reduktion der Staatshaushalte im Sozialbereich trotz des qualitativen und quantitativen Anwachsens der Problemkonstellationen, sowie der ausgegrenzten Populationen im Rahmen einer gespaltenen Gesellschaft zu leisten versuchen.

Darüber hinaus können als Strategien zur Kostenreduktion und zu gleichzeitiger Effizienzsteigerung die weitere Rationalisierung der Sozialverwaltungen auf Basis der neuen Technologien (Büroautomatisierung, Expertensysteme etc.), die Neu-Zusammensetzung von Produkten, Dienstleistungen und unbezahlter Eigenarbeit - z.B. im Bereich häuslicher Altenpflege: technische Hilfsmittel plus professionelle Betreuung plus unbezahlte Hausfrauenarbeit - die Dezentralisierung und Ambulantisierung sozialer Dienstleistungen und darüber hinaus ein verändertes Verhältnis von öffentlicher und privater Versorgung als Chance zu weitgehender Privatisierung bei Erhalt eines marginalen Restwohlfahrtsstaates festgehalten werden (vgl. Jessop 1986, 27ff.).

Das sich herauskristallisierende gemeinsame Merkmal wird dabei die "wirtschaftliche Marktgängigkeit sozialer Dienstleistungen" sein (Bauer 1986, 65) als Voraussetzung zur Herstellung der für die postfordistische Gesellschaftformation notwendigen Flexibilität. Auf der Basis einer gespaltenen, heterogenisierten Gesellschaft ist eine Spaltung der sozialen Dienstleistungen in jene für die Kernpopulationen und jene für die Ausgegrenzten absehbar (vgl. Wolffersdorff 1993). Erste Tendenzen dazu lassen sich bereits in der Aufspaltung der Sozialen Dienste in "professionelle" soziale Dienstleistungen und "einfache soziale Dienstleistungen" sowie ihrer Kombination erkennen. So werden neue Weisen der Verknüpfung professioneller, semiprofessioneller und ehrenamtlicher Arbeit in "kooperativen Teamkonzepten" entwickelt, einfache soziale Dienstleistungen werden ambulantisiert:

"Die Familie wird zum Ort einfacher sozialer Leistungen und zum Träger einfacher sozialer Dienste. Der Prozeß der Familialisierung einfacher Leistungen wird durch die organisiert-professionellen Dienste ambulant begleitet und gestützt, durch finanzielle Vergütung zusätzlich motiviert und durch spezifische Programme der audio-visuellen Medien stimuliert" (ebd. 66).

Mit der systematischen Herausbildung von Mischsystemen sozialer Dienstleistungen - privatwirtschaftliche, informelle, familiale, inter-generative, semiprofessionelle, öffentliche, professionelle können zu neuen Kombinationsvarianten verbunden werden - können so einerseits die der Akkumulationsweise entsprechenden flexiblen Reproduktionsformen regulativ produziert werden, wie auch andererseits eine Effizienzsteigerung bei reduziertem Mitteleinsatz möglich wird. Mit der "Marktgängigkeit sozialer Dienstleistungen" ist darüberhinaus die Basis bereitet für die Herausbildung eines "sozial-industriellen Komplexes", der die Durchkapitalisierung der Reproduktionssphäre fortsetzt (ebd. 66ff.), und so einen neuen Zyklus der Akkumulation auf der Basis sozialer Dienstleistungen ermöglicht.

Wenn im Zusammenhang von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit von "Management" die Rede sein sollte, dann hier: als "Management der Spaltung der Gesellschaft" (Schaarschuch 1990)

Anmerkungen

1. Vgl. hierzu die zusammenfassenden Darstellungen in Mahnkopf (Hg.) (1988), Hübner (1989), insbesondere aber die neue kritische Bestandsaufnahme in Esser/Görg/Hirsch (1994).

2. Die Darstellung der Konzeption bezieht sich hier auf den europäischen Kontext. Seinen Ursprung hat das Fordismus-Konzept in der Arbeit Agliettas (1976; 1979), der das amerikanische Beispiel beschreibt, den von Gramsci zuerst gebrauchten Begriff aufnimmt und anschließend insbesondere in Frankreich weiter diskutiert, vgl. hier/u die Aufsätze in Mahnkopf (Hg.) (1988). "Der Begriff 'Fordismus' ist - wohl in Anlehnung an Gramsci - in der französischen Diskussion aufgekommen und hat den Vorteil, recht plastisch auf den gesellschaftlichen Wandel innerhalb der kapitalistischen Strukturen hinzuweisen, für den Fords Auto-Modell 'T' tatsächlich bahnbrechend war: Taylorisierung der Arbeit, auf Massenkonsumgüterproduktion gestützte Kapitalverwertung, Durchkapitalisierung des Reproduktionsbereichs" (Hirsch/Roth 1980, 17). Kritisch zur oft sehr positiven Verwendung des Begriffes 'Fordismus', insbesondere hinsichtlich seiner historischen Realität im Fabrik- und Reproduktionssystem Henry Fords und seiner PR-Abteilung, die keineswegs auf Kompromiß und Harmonie ausgerichtet war, sondern mit einer schon fast totalitär anmutenden Unterwerfung aller Lebensbereiche der Arbeitskraft im Sinne ihrer umfassenden Nutzung einherging, vgl. Fester (1989).

3. Dabei kann es sich hier nur um das Aufzeigen von Entwicklungstendenzen der sich neu herausbildenden postfordistischen Formation und eines ihr entsprechenden Wohlfahrtsstaates handeln. Entsprechend können diese Tendenzen häufig nur im Verfahren der Absetzung und Kontrastierung zu Formen des Fordismus beschrieben werden. Wesentliche Aspekte des Übergangs zu einem postfordistischen Wohlfahrtsstaat sind schon im allgemeinen Teil zu den Konturen einer postfordistischen Formation ausgeführt worden und sollen hier nicht erneut behandelt werden. Es sei aber noch einmal darauf hingewiesen, daß es sich beim Übergang vom Fordismus zum Postfordismus nicht um zeitlich klar definierbare Phasen: Fordismus : Krise : Postfordismus handelt, sondern dieser einen langfristigen Prozeß darstellt, dessen endgültige Form erst zum Zeitpunkt seiner vollen Entfaltung adäquat analysierbar wird.

4. Eine solche eher traditionell sozialdemokratische Perspektive kann durchaus mit Versatzstücken aus dem grünen Umfeld kombiniert werden, die dann als ökologische Modernisierung - im Zusammenhang mit einer Umsteuerung in Richtung Umwelttechnologie, Neukombinationen im Dienstleistungsbereich bei leicht verbesserten sozialstaatlichen Leistungen - eine neue Welle der Akkumulation forcieren kann.

5. Vgl. hierzu auch Offe (1984,336f.), der ebenfalls drei potentielle Entwicklungslinien hervorhebt: eine "Neo-Laissez-Faire-Koalition auf der Basis eines Bündnisses der alten Mittelklasse und des Großkapitals", einer Ausbalancierung der "richtigen Dosis" sozialstaatlicher Leistungen, "die sowohl mit den Akkumulationserfordernissen als auch den Schlüsselforderungen der Arbeiterklasse vereinbar ist", und drittens ein Bündnis, das "Organisationen der Arbeiterklasse und Elemente der neuen Mittelklasse auf der Basis eines nichtbürokratisch, dezentralisierten und egalitären Modells einer selbstversorgenden 'Wohlfahrtsgesellschaft'" umfaßt.

6. Auf den Stellenwert des Konzepts der "industriellen Reservearmee" soll hier nicht weiter eingegangen werden, vgl. hierzu die Ausführungen bei Chassé 1988, 58ff.

7. Zu den Widersprüchen, in die eine gewerkschaftliche Politik des Festhaltens am "Normalarbeitsverhältnis" im Übergang zu einer postfordistischen Formation geraten kann, vgl. Mücken-berger (1989).

8. Wobei dies in einer "verstaatlichten" Form geschehen ist, die diese Zwangsversicherung unmittelbar staatlicher Regulation unterstellt.

9. Der Begriff "Spaltung der Gesellschaft" könnte zu der Annahme führen, es handele sich hierbei um eine harte Sektorierung in zwei "Lager". Dies ist nur bedingt der Fall. Vielmehr ist die Etablierung einer breiten Übergangszone zwischen beiden Sektoren notwendig, die hinsichtlich der Flexibilitätsanforderungen der nachfordistischen Akkumulationsweise kompatibel sein muß. Dabei verhält es sich nicht so, daß eine durchgehende graduelle Abstufung von Kern und Rand incl. ihrer Übergangszone ausschließlich an den Kriterien von Qualifikation ausgerichtet wäre. Vielmehr setzt sich die Flexibilisierung auf allen Qualifikationsebenen durch. Soziale Ungleichheit - und damit Zugehörigkeit zu "Rand" oder "Kern" der Gesellschaft ist weiterhin zentral an die Stellung auf dem Arbeitsmarkt gekoppelt, aber zugleich ist der Arbeitsmarkt nicht das einzige Kriterium, das diese Stellung festlegt (vgl. Kreckel 1992). [en nr=10]Es ist wie in diesem Fall schon faszinierend zu sehen, wie Teile der Profession - hier allerdings die höheren Chargen - ihre Situation vergessen und die professionelle Reflexivität suspendieren, wenn sie die Vorgaben und die Ideologie der KGSt ohne Umschweife und scheinbar vorbehaltlos direkt l zu l zu den ihren machen. So heißt der Untertitel bei Schroer (1994) bezeichnenderweise: "Von der Eingriffsverwaltung zum modernen Dienstleistungsunternehmen".

11. Die systematische Begrenztheit zielorientierten, strategischen Managements aufgrund seines konstruktivistischen Ansät/es ist in der Managementtheorie umfassend kritisiert worden (vgl. Staehle 1989; Steinmann/Schreyögg/Thiem 1989). Umso erstaunlicher ist es, wenn diese Ansätze gerade im Zusammenhang sozialpädagogischer Institutionen jetzt eine neue Popularisierung erfahren.

12. Zuerst hat sich die Soziale Arbeit an die Theologie, dann an die Hygiene, später an die Eugenik, dann wiederum an die Soziologie, hernach an die Psychologie und jetzt schließlich an die Betriebswirtschaft angelehnt, um ihren gesellschaftlich inferioren Status aufzuwerten. So wurde es ihr möglich, sich des entsprechenden Fachjargons - sei's der medizinische, der therapeutische oder der managerielle - zu bedienen und damit ein wenig vom Geruch der 'richtigen' Professionen auf sich zu ziehen.

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