Pfad: Startseite > Hefte > 2002 > Heft 85: Politische Bildung – Bildung des...

 
Startseite Suchen Druckansicht imagemap Schrift verkleinern Schrift vergrößern

Heft 85: Politische Bildung – Bildung des Politischen?

2002 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe

Titelseite Heft 85
  • September 2002
  • 120 Seiten
  • EUR 11,00 / SFr 19,80
  • ISBN 3-89370-371-3

Heinz Sünker
Demokratie, Partizipation und politische Sozialisation

Wenn eine demokratische Gesellschaft darauf beruht, dass gebildete Bürgerinnen und Bürger die Angelegenheiten dieser Gesellschaft als ihre eigenen begreifen, sie damit als zu gestaltende verstehen, dann ist hier zugleich der Ausgangspunkt für politische Sozialisationsprozesse benannt. Diese Prozesse sind entweder realpolitisch ausgerichtet auf eine Anpassung an herrschende Verhältnisse oder aber - vermittelt über das Prinzip "Partizipation" - orientiert an der Demokratisierung aller Lebensbereiche. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist deutlich, dass damit entscheidende Alternativen ins Blickfeld geraten und zur Frage führen, wie eine Initiierung und Beförderung von Bildungsprozessen aussehen kann, die auf eine emanzipatorische Perspektive abzielen.

Mark Terkessidis
Migration und politische Bildung in Deutschland
Über die vernachlässigte Frage der Staatsbürgerschaft

In den letzten Jahren hat sich die kritische Pädagogik in der englischsprachigen Welt weitgehend am Modell der Staatsbürgerschaft orientiert. Auch in Deutschland wurde zunehmend Wert auf eine Erziehung zu partizipatorischen Formen der Demokratie gelegt. Freilich besitzt die Bundesrepublik institutionell kein Konzept von Staatsbürgerschaft, sondern nur eines von Staatsangehörigkeit. Der Text untersucht diesen vernachlässigten institutionellen Kontext, seine Bedeutung und seine Folgen für das Bewusstsein von Bürgern und Nicht-Bürgern. Dann wird gezeigt, welchen Einfluss dieser Kontext auf die bisherigen Vorstellungen einer Pädagogik der Einwanderungsgesellschaft und auf die Praxis schulischer Erziehung hatte und hat. Tatsächlich wäre in Deutschland citizenship education dringend vonnöten. Doch dann stellt sich die Frage: Wie geht citizenship education ohne citizenship?

Seddik Bibouche
Politik bei jungen Arbeitnehmer/innen heute

Junge Arbeitnehmer/innen, ganz besonders Gewerkschaftsmitglieder, sind links, wählen SPD und lehnen Rassismus und Rechtsextremismus ab: Dieses Klischee aus der Nachkriegszeit ist nun antiquiert. Ein/e jugendliche/r Arbeitnehmer/in kann heute fast alles - und das gleichzeitig - sein, auch wenn dies Widersprüche erzeugt. Wichtiger für ihn/sie sind Flexibilität und Professionalität, eingesetzt als Hauptwerkzeug zur Integration in die Gesellschaft. Das zeigen die Ergebnisse der repräsentativen quantitativen und qualitativen Untersuchung bei jugendlichen Arbeitnehmer/innen für die Jugendstudie, die wir im Auftrag der IG Metall in den letzten drei Jahren durchführten und aus der die empirischen Befunde für diesen Beitrag stammen. In dieser Studie ging es ganz allgemein um neue Orientierungen und Engagementformen bei Jugendlichen. In diesem Artikel werden die Ergebnisse im Bereich politische Orientierungen vorgestellt.

Nicolle Pfaff
Grenzen der politischen Bildung und Sozialisation
Ein Forschungsbericht aus Sachsen-Anhalt

Die Diskussion der Beteiligung Jugendlicher am politischen Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland wird seit Jahren vorwiegend vor dem Hintergrund der Annahme einer historisch gewachsenen "Politikverdrossenheit" nachwachsender Generationen geführt. Politische Bildungs- und Lernprozesse und damit Möglichkeiten und Grenzen des Kennenlernens von und der Mitwirkung an Prozessen politischen Entscheidens werden dabei nur selten in den Blick genommen. Der Beitrag geht auf der Basis der Ergebnisse des kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojektes Jugend und Demokratie in Sachsen-Anhalt den Chancen Jugendlicher zur Begegnung und Auseinandersetzung mit politischen Themen sowie Strukturen in wesentlichen Lebensumwelten Jugendlicher - der Schule, der Familie und im Freizeitleben - nach und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass politische Lernprozesse einer privilegierten Minderheit von Heranwachsenden vorbehalten sind. Leseprobe

Jürgen Klausenitzer
PISA - Einige offene Fragen zur OECD-Bildungspolitik

Der Beitrag thematisiert die PISA-Studie in ihrem Kontext der von der OECD verfolgten Politik zur Umstrukturierung des Bildungswesens. Zielrichtung und Instrumente der OECD-Bildungspolitik werden beleuchtet, da diese in ihren zentralen Orientierungen auch für die Restrukturierung des deutschen Bildungswesens von Bedeutung sind - von der deutschen öffentlichen (und gewerkschaftlichen) Diskussion aber aktuell nicht beachtet werden. Darüber hinaus wird die Rolle der OECD in der globalen Politik untersucht, was in der Feststellung ihrer Entwicklung vom Forum und Katalysator zum politischen Akteur und Träger eines so genannten "new consensus in educational policy" mündet. Diese mit Wettbewerb und Output-Steuerung einhergehende Entwicklung bedeutet zugleich auch eine verschobenen Akzentuierung von Zielen des Bildungswesens: Effizienzorientierung und Fokussierung auf das "Kerngeschäft" von Bildungsinstitutionen werden immer beherrschender. Alternativen zu einem marktvermittelten oder staatsbürokratischen Bildungswesen können sich - so schließlich die These - erfolgreich nur entfalten im Kontext einer alternativen Perspektive für alle öffentlichen Dienste.

Andreas Bachmann
Privatisierung der Sozialversicherung und aktivierender Staat
Von der Riester-Rente zur Dreiklassenmedizin

Nicht nur im Feld der Arbeitsmarktpolitik hat Rot-grün das Leitbild des aktivierenden Staates durchgesetzt. Das typische Ensemble von neoliberalen Facetten mit Umbauelementen von Staat und Sozialversicherung, die sich gegen soziale Grundrechte und soziale Garantien richten, wurde mit der Rentenreform 2000 modellhaft in das Sozialversicherungssystem integriert. Der Systembruch der Riesterschen Rentenreformen verschafft privatwirtschaftlicher Versicherungstechnik und dem Kapitaldeckungsverfahren sehr viel Raum im Bereich der sozialen Sicherung. Die Privatisierung von sozialen Risiken wird fortgesetzt in der weiteren Aushöhlung der sozialen Krankenversicherung und des dort angesiedelten gesellschaftlichen Risikoausgleichs. Die Privatisierung der Sozialversicherungssysteme eskaliert Armut und soziale Ungleichheit. Die von den Gewerkschaften mehrheitlich favorisierten tarifvertraglichen und betrieblichen Lösungen (Tarifrente) sind keine Haltelinien, sondern vergrößern die Gerechtigkeitsprobleme. Als Alternative zu New Labour und den konservativen Plänen ist das Modell der Sozialversicherung nach wie vor attraktiv. Hinsichtlich des Schweizer Altersicherungsmodells, das vielfach als Alternative zum Sozialabbau gehandelt wird, ist aber Skepsis angebracht.

2002 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe